Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_303.001 do sprachen da die weisen, die hetenz baz besehen pba_303.005 pba_303.006man möhte Kriemhilde für Prünhilde jehen, so sind diese Verse, weit entfernt zu Einwürfen Veranlassung zu geben pba_303.007 1 pba_303.033 Die Hdschft. C. führt das zu Grunde liegende Verhältnis in den Strophen 497, pba_303.034 5-8 und 499, 5-8 noch besonders deutlich aus, vgl. namentlich 499, 7-8: pba_303.035 do widerredete ez Seifrit, der vil küene man pba_303.036 unz daz in Gunther sere vlegen began. 2 pba_303.037
Alle von Lachmann an dieser Stelle erhobenen Einwendungen, vgl. namentlich pba_303.038 die Anmerkungen zu Str. 375, 576, 577, fallen damit in sich selbst zusammen. pba_303.001 dô sprâchen dâ die wîsen, die hetenz baz besehen pba_303.005 pba_303.006man möhte Kriemhilde für Prünhilde jehen, so sind diese Verse, weit entfernt zu Einwürfen Veranlassung zu geben pba_303.007 1 pba_303.033 Die Hdschft. C. führt das zu Grunde liegende Verhältnis in den Strophen 497, pba_303.034 5–8 und 499, 5–8 noch besonders deutlich aus, vgl. namentlich 499, 7–8: pba_303.035 dô widerredete ez Sîfrit, der vil küene man pba_303.036 unz daz in Gunther sêre vlêgen began. 2 pba_303.037
Alle von Lachmann an dieser Stelle erhobenen Einwendungen, vgl. namentlich pba_303.038 die Anmerkungen zu Str. 375, 576, 577, fallen damit in sich selbst zusammen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0321" n="303"/><lb n="pba_303.001"/> Helden zu der Botenfahrt nach Worms.<note xml:id="pba_303_1" place="foot" n="1"><lb n="pba_303.033"/> Die Hdschft. C. führt das zu Grunde liegende Verhältnis in den Strophen 497, <lb n="pba_303.034"/> 5–8 und 499, 5–8 noch besonders deutlich aus, vgl. namentlich 499, 7–8: <lb n="pba_303.035"/> <lg><l>dô widerredete ez Sîfrit, der vil küene man</l><lb n="pba_303.036"/><l>unz daz in Gunther sêre vlêgen began.</l></lg></note> Es folgt der Empfang Brunhildens <lb n="pba_303.002"/> in Worms, und wenn die Str. 550 den Preis vor ihr Chriemhilden <lb n="pba_303.003"/> zuerteilt,</p> <lb n="pba_303.004"/> <lg> <l> <hi rendition="#aq">dô sprâchen dâ die wîsen, die hetenz baz besehen</hi> </l> <lb n="pba_303.005"/> <l><hi rendition="#aq">man möhte Kriemhilde für Prünhilde jehen</hi>,</l> </lg> <lb n="pba_303.006"/> <p>so sind diese Verse, weit entfernt zu Einwürfen Veranlassung zu geben <lb n="pba_303.007"/> (vgl. Lachmanns Anmerk. S. 79), vielmehr dem innersten Sinn der Dichtung <lb n="pba_303.008"/> entsprechend. Wie Brunhilde in der Schätzung Siegfrieds und der <lb n="pba_303.009"/> „<foreign xml:lang="gmh">wîsen</foreign>“ hinter Chriemhild zurücksteht, so tritt ihre Person auch für den <lb n="pba_303.010"/> Dichter und seine Dichtung in den Hintergrund, sobald die Konsequenzen <lb n="pba_303.011"/> jener doppelten Täuschung, der sie zum Opfer fiel, gezogen sind. Auf <lb n="pba_303.012"/> die Dauer kann ihr das wahre Verhältnis, daß Siegfried ein freier und <lb n="pba_303.013"/> selbständiger König wie Gunther ist, nicht verborgen bleiben; so sucht <lb n="pba_303.014"/> auch Gunther nur Zeit zu gewinnen: in Hast und halber Heimlichkeit <lb n="pba_303.015"/> verlobt er Siegfried der Schwester, um die gefürchtete Aufklärung zu <lb n="pba_303.016"/> vermeiden. Aber wenn Brunhilde den wirklichen Hergang auch nicht <lb n="pba_303.017"/> erraten kann, so sagt ihr ein dunkles Bewußtsein, daß jenes unklare <lb n="pba_303.018"/> Verhältnis mit ihrem eigenen Schicksale im engen Zusammenhange steht, <lb n="pba_303.019"/> um so mehr, als trotz des scheinbaren Sieges in den Kampfspielen <lb n="pba_303.020"/> Gunther in ihren Augen fortdauernd vor Siegfrieds herrlicher Erscheinung <lb n="pba_303.021"/> verschwindet. Daraus entsteht der Kampf und Zwiespalt in ihrem <lb n="pba_303.022"/> Jnnern, aus dem die ganze folgende Entwickelung naturgemäß hervorgeht:<note xml:id="pba_303_2" place="foot" n="2"><lb n="pba_303.037"/> Alle von Lachmann an dieser Stelle erhobenen Einwendungen, vgl. namentlich <lb n="pba_303.038"/> die Anmerkungen zu Str. 375, 576, 577, fallen damit in sich selbst zusammen.</note> <lb n="pba_303.023"/> ihr finsteres, schmerzlich-zorniges Brüten bei dem Hochzeitsmahle, <lb n="pba_303.024"/> die immer wiederholte Frage an Gunther um Aufhellung des Dunkels <lb n="pba_303.025"/> über Siegfrieds Person, der erneute Kampf in der Brautnacht mit <lb n="pba_303.026"/> seinen verhängnisvollen Folgen. Alles das ergibt sich klar, einfach und <lb n="pba_303.027"/> notwendig aus der von dem Dichter entworfenen Exposition; jede Spur <lb n="pba_303.028"/> eines früheren Begegnisses zwischen Brunhilde und Siegfried hat er sorgfältig <lb n="pba_303.029"/> getilgt, von einer wirklichen Unterthänigkeit Siegfrieds ist nicht <lb n="pba_303.030"/> die leiseste Andeutung gegeben, mit der größten Klarheit ist vielmehr <lb n="pba_303.031"/> die Fiction derselben als die unumgänglich erforderliche Maßnahme dargestellt, <lb n="pba_303.032"/> die Siegfrieds Erscheinen an der Seite Gunthers bei der Braut- </p> </div> </body> </text> </TEI> [303/0321]
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Helden zu der Botenfahrt nach Worms. 1 Es folgt der Empfang Brunhildens pba_303.002
in Worms, und wenn die Str. 550 den Preis vor ihr Chriemhilden pba_303.003
zuerteilt,
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dô sprâchen dâ die wîsen, die hetenz baz besehen pba_303.005
man möhte Kriemhilde für Prünhilde jehen,
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so sind diese Verse, weit entfernt zu Einwürfen Veranlassung zu geben pba_303.007
(vgl. Lachmanns Anmerk. S. 79), vielmehr dem innersten Sinn der Dichtung pba_303.008
entsprechend. Wie Brunhilde in der Schätzung Siegfrieds und der pba_303.009
„wîsen“ hinter Chriemhild zurücksteht, so tritt ihre Person auch für den pba_303.010
Dichter und seine Dichtung in den Hintergrund, sobald die Konsequenzen pba_303.011
jener doppelten Täuschung, der sie zum Opfer fiel, gezogen sind. Auf pba_303.012
die Dauer kann ihr das wahre Verhältnis, daß Siegfried ein freier und pba_303.013
selbständiger König wie Gunther ist, nicht verborgen bleiben; so sucht pba_303.014
auch Gunther nur Zeit zu gewinnen: in Hast und halber Heimlichkeit pba_303.015
verlobt er Siegfried der Schwester, um die gefürchtete Aufklärung zu pba_303.016
vermeiden. Aber wenn Brunhilde den wirklichen Hergang auch nicht pba_303.017
erraten kann, so sagt ihr ein dunkles Bewußtsein, daß jenes unklare pba_303.018
Verhältnis mit ihrem eigenen Schicksale im engen Zusammenhange steht, pba_303.019
um so mehr, als trotz des scheinbaren Sieges in den Kampfspielen pba_303.020
Gunther in ihren Augen fortdauernd vor Siegfrieds herrlicher Erscheinung pba_303.021
verschwindet. Daraus entsteht der Kampf und Zwiespalt in ihrem pba_303.022
Jnnern, aus dem die ganze folgende Entwickelung naturgemäß hervorgeht: 2 pba_303.023
ihr finsteres, schmerzlich-zorniges Brüten bei dem Hochzeitsmahle, pba_303.024
die immer wiederholte Frage an Gunther um Aufhellung des Dunkels pba_303.025
über Siegfrieds Person, der erneute Kampf in der Brautnacht mit pba_303.026
seinen verhängnisvollen Folgen. Alles das ergibt sich klar, einfach und pba_303.027
notwendig aus der von dem Dichter entworfenen Exposition; jede Spur pba_303.028
eines früheren Begegnisses zwischen Brunhilde und Siegfried hat er sorgfältig pba_303.029
getilgt, von einer wirklichen Unterthänigkeit Siegfrieds ist nicht pba_303.030
die leiseste Andeutung gegeben, mit der größten Klarheit ist vielmehr pba_303.031
die Fiction derselben als die unumgänglich erforderliche Maßnahme dargestellt, pba_303.032
die Siegfrieds Erscheinen an der Seite Gunthers bei der Braut-
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Die Hdschft. C. führt das zu Grunde liegende Verhältnis in den Strophen 497, pba_303.034
5–8 und 499, 5–8 noch besonders deutlich aus, vgl. namentlich 499, 7–8: pba_303.035
dô widerredete ez Sîfrit, der vil küene man pba_303.036
unz daz in Gunther sêre vlêgen began.
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Alle von Lachmann an dieser Stelle erhobenen Einwendungen, vgl. namentlich pba_303.038
die Anmerkungen zu Str. 375, 576, 577, fallen damit in sich selbst zusammen.
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