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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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ruft, die wechselseitige Herstellung beider zur reinen Wirkung pba_315.002
ermöglicht.

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Es geht aus dieser Definition hervor, daß selbst diejenigen komischen pba_315.004
Epen, welche eine räumlich ausgedehnte, weit verzweigte Handlung erzählen, pba_315.005
nicht dasjenige enthalten werden, was bei dem heroisch-tragischen pba_315.006
Epos den Begriff der Größe ausmacht: jene Zustände und Verwickelungen, pba_315.007
die eine relativ bedeutende Wichtigkeit für das Ganze haben, pba_315.008
können nicht als fehlerhaft oder verkehrt dargestellt werden, ohne daß pba_315.009
schmerzliche und verderbliche Folgen sich einstellen. Eben darin liegt pba_315.010
der Grund, warum das komische Epos großen Stiles sich der Analogie pba_315.011
des tierischen Treibens mit dem menschlichen Handeln für seinen pba_315.012
Zweck bedient hat, und warum die Versuche, diesen Zweck direkt durch pba_315.013
die Darstellung menschlicher Vorgänge zu erreichen, bei dem Bestreben pba_315.014
jene Klippe zu vermeiden immer ins Kleinliche gefallen sind: ein durch pba_315.015
nichts auszugleichender, die poetische Wirkung an der Wurzel verderbender pba_315.016
Fehler, den man vergeblich durch die Aufwendung des aus dem heroischen pba_315.017
Epos übernommenen, mythologischen und allegorischen Apparates zu pba_315.018
verdecken suchte. Man gelangte damit bestenfalls zur Parodie, deren pba_315.019
komische Kraft einzig in der Verwendung der großen Formen für den pba_315.020
kleinlichen Jnhalt beruht. Neuerdings hat man, um beide Gefahren zu pba_315.021
vermeiden, weder ernst und tragisch zu werden, noch an Nichtigkeiten pba_315.022
die poetische Kraft zu verschwenden, mit Vorliebe den Ausweg eingeschlagen, pba_315.023
den Stoff der Handlung in eine halb romantische oder halb pba_315.024
märchenhafte Phantasiewelt zu verlegen, welche menschlich interessierenden pba_315.025
Vorgängen reichlichen Raum gibt, und doch ihren Ernst durch die Willkürlichkeit pba_315.026
der gewählten Voraussetzungen mildert. Es können die anmutigen pba_315.027
Gebilde der Phantasie hier so gestaltet werden, daß doch pba_315.028
allenthalben die einfache und tiefe menschliche Wahrheit hindurchleuchtet. pba_315.029
Höchst liebenswürdige und an poetischen Schönheiten reiche Schöpfungen pba_315.030
sind auf diese Weise entstanden; es genügt an die Namen V. Scheffels, pba_315.031
J. Wolffs, R. Baumbachs zu erinnern. Aber jene poetische Wirkung, pba_315.032
welche in der Verbindung einfacher und voller gegenständlicher Wahrheit pba_315.033
mit idealer Allgemeingültigkeit beruht, wie sie für das Jdyll in Goethes pba_315.034
"Hermann und Dorothea" -- welches doch in seinen komisch gefärbten pba_315.035
Partien den Weg zeigt -- vorbildlich dasteht, ist für das komische Epos pba_315.036
noch niemals erreicht worden. Jn der breiteren und bequemeren pba_315.037
Form des prosaischen Romans ist auch für dieses Gebiet eine große pba_315.038
Zahl mustergiltiger Schöpfungen vorhanden; aber der Prosaroman ist pba_315.039
viel zu fest an die Detaildarstellung gebunden, als daß er jemals sich pba_315.040
ganz zu der Höhe des Epos erheben könnte, wo -- das Kennzeichen

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ruft, die wechselseitige Herstellung beider zur reinen Wirkung pba_315.002
ermöglicht.

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Es geht aus dieser Definition hervor, daß selbst diejenigen komischen pba_315.004
Epen, welche eine räumlich ausgedehnte, weit verzweigte Handlung erzählen, pba_315.005
nicht dasjenige enthalten werden, was bei dem heroisch-tragischen pba_315.006
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Epos übernommenen, mythologischen und allegorischen Apparates zu pba_315.018
verdecken suchte. Man gelangte damit bestenfalls zur Parodie, deren pba_315.019
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kleinlichen Jnhalt beruht. Neuerdings hat man, um beide Gefahren zu pba_315.021
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märchenhafte Phantasiewelt zu verlegen, welche menschlich interessierenden pba_315.025
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der gewählten Voraussetzungen mildert. Es können die anmutigen pba_315.027
Gebilde der Phantasie hier so gestaltet werden, daß doch pba_315.028
allenthalben die einfache und tiefe menschliche Wahrheit hindurchleuchtet. pba_315.029
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sind auf diese Weise entstanden; es genügt an die Namen V. Scheffels, pba_315.031
J. Wolffs, R. Baumbachs zu erinnern. Aber jene poetische Wirkung, pba_315.032
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[315/0333] pba_315.001 ruft, die wechselseitige Herstellung beider zur reinen Wirkung pba_315.002 ermöglicht. pba_315.003 Es geht aus dieser Definition hervor, daß selbst diejenigen komischen pba_315.004 Epen, welche eine räumlich ausgedehnte, weit verzweigte Handlung erzählen, pba_315.005 nicht dasjenige enthalten werden, was bei dem heroisch-tragischen pba_315.006 Epos den Begriff der Größe ausmacht: jene Zustände und Verwickelungen, pba_315.007 die eine relativ bedeutende Wichtigkeit für das Ganze haben, pba_315.008 können nicht als fehlerhaft oder verkehrt dargestellt werden, ohne daß pba_315.009 schmerzliche und verderbliche Folgen sich einstellen. Eben darin liegt pba_315.010 der Grund, warum das komische Epos großen Stiles sich der Analogie pba_315.011 des tierischen Treibens mit dem menschlichen Handeln für seinen pba_315.012 Zweck bedient hat, und warum die Versuche, diesen Zweck direkt durch pba_315.013 die Darstellung menschlicher Vorgänge zu erreichen, bei dem Bestreben pba_315.014 jene Klippe zu vermeiden immer ins Kleinliche gefallen sind: ein durch pba_315.015 nichts auszugleichender, die poetische Wirkung an der Wurzel verderbender pba_315.016 Fehler, den man vergeblich durch die Aufwendung des aus dem heroischen pba_315.017 Epos übernommenen, mythologischen und allegorischen Apparates zu pba_315.018 verdecken suchte. Man gelangte damit bestenfalls zur Parodie, deren pba_315.019 komische Kraft einzig in der Verwendung der großen Formen für den pba_315.020 kleinlichen Jnhalt beruht. Neuerdings hat man, um beide Gefahren zu pba_315.021 vermeiden, weder ernst und tragisch zu werden, noch an Nichtigkeiten pba_315.022 die poetische Kraft zu verschwenden, mit Vorliebe den Ausweg eingeschlagen, pba_315.023 den Stoff der Handlung in eine halb romantische oder halb pba_315.024 märchenhafte Phantasiewelt zu verlegen, welche menschlich interessierenden pba_315.025 Vorgängen reichlichen Raum gibt, und doch ihren Ernst durch die Willkürlichkeit pba_315.026 der gewählten Voraussetzungen mildert. Es können die anmutigen pba_315.027 Gebilde der Phantasie hier so gestaltet werden, daß doch pba_315.028 allenthalben die einfache und tiefe menschliche Wahrheit hindurchleuchtet. pba_315.029 Höchst liebenswürdige und an poetischen Schönheiten reiche Schöpfungen pba_315.030 sind auf diese Weise entstanden; es genügt an die Namen V. Scheffels, pba_315.031 J. Wolffs, R. Baumbachs zu erinnern. Aber jene poetische Wirkung, pba_315.032 welche in der Verbindung einfacher und voller gegenständlicher Wahrheit pba_315.033 mit idealer Allgemeingültigkeit beruht, wie sie für das Jdyll in Goethes pba_315.034 „Hermann und Dorothea“ — welches doch in seinen komisch gefärbten pba_315.035 Partien den Weg zeigt — vorbildlich dasteht, ist für das komische Epos pba_315.036 noch niemals erreicht worden. Jn der breiteren und bequemeren pba_315.037 Form des prosaischen Romans ist auch für dieses Gebiet eine große pba_315.038 Zahl mustergiltiger Schöpfungen vorhanden; aber der Prosaroman ist pba_315.039 viel zu fest an die Detaildarstellung gebunden, als daß er jemals sich pba_315.040 ganz zu der Höhe des Epos erheben könnte, wo — das Kennzeichen

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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/333>, abgerufen am 22.11.2024.