Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.
pba_402.001 Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht. pba_402.004 pba_402.010Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, pba_402.005 Wenn unerträglich wird die Last -- greift er pba_402.006 Hinauf getrosten Mutes in den Himmel pba_402.007 Und holt herunter seine ew'gen Rechte, pba_402.008 Die droben hangen unveräußerlich pba_402.009 Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst. Und ebenso Tell späterhin auf dem Höhepunkte der Handlung: pba_402.011Du bist mein Herr und meines Kaisers Vogt; pba_402.012 pba_402.018Doch nicht der Kaiser hätte sich erlaubt, pba_402.013 Was du. -- Er sandte dich in diese Lande, pba_402.014 Um Recht zu sprechen -- strenges, denn er zürnt -- pba_402.015 Doch nicht, um mit der mörderischen Lust pba_402.016 Dich jeden Greuels straflos zu erfrechen; pba_402.017 Es lebt ein Gott, zu strafen und zu rächen. Dennoch zeigt ein vergleichender Blick auf "Richard III." die große pba_402.019 pba_402.039
pba_402.001 Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht. pba_402.004 pba_402.010Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, pba_402.005 Wenn unerträglich wird die Last — greift er pba_402.006 Hinauf getrosten Mutes in den Himmel pba_402.007 Und holt herunter seine ew'gen Rechte, pba_402.008 Die droben hangen unveräußerlich pba_402.009 Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst. Und ebenso Tell späterhin auf dem Höhepunkte der Handlung: pba_402.011Du bist mein Herr und meines Kaisers Vogt; pba_402.012 pba_402.018Doch nicht der Kaiser hätte sich erlaubt, pba_402.013 Was du. — Er sandte dich in diese Lande, pba_402.014 Um Recht zu sprechen — strenges, denn er zürnt — pba_402.015 Doch nicht, um mit der mörderischen Lust pba_402.016 Dich jeden Greuels straflos zu erfrechen; pba_402.017 Es lebt ein Gott, zu strafen und zu rächen. Dennoch zeigt ein vergleichender Blick auf „Richard III.“ die große pba_402.019 pba_402.039 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0420" n="402"/><lb n="pba_402.001"/> eben dadurch in dem Stücke ihre unentbehrliche Stellung hat,</hi><lb n="pba_402.002"/> spricht Stauffacher diesen Einheitsgedanken geradezu aus:</p> <lb n="pba_402.003"/> <lg> <l>Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht.</l> <lb n="pba_402.004"/> <l>Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,</l> <lb n="pba_402.005"/> <l>Wenn unerträglich wird die Last — greift er</l> <lb n="pba_402.006"/> <l>Hinauf getrosten Mutes in den Himmel</l> <lb n="pba_402.007"/> <l>Und holt herunter seine ew'gen Rechte,</l> <lb n="pba_402.008"/> <l>Die droben hangen unveräußerlich</l> <lb n="pba_402.009"/> <l>Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst.</l> </lg> <lb n="pba_402.010"/> <p>Und ebenso Tell späterhin auf dem Höhepunkte der Handlung:</p> <lb n="pba_402.011"/> <lg> <l>Du bist mein Herr und meines Kaisers Vogt;</l> <lb n="pba_402.012"/> <l>Doch nicht der Kaiser hätte sich erlaubt,</l> <lb n="pba_402.013"/> <l>Was <hi rendition="#g">du.</hi> — Er sandte dich in diese Lande,</l> <lb n="pba_402.014"/> <l>Um Recht zu sprechen — strenges, denn er zürnt —</l> <lb n="pba_402.015"/> <l>Doch nicht, um mit der mörderischen Lust</l> <lb n="pba_402.016"/> <l>Dich jeden Greuels straflos zu erfrechen;</l> <lb n="pba_402.017"/> <l>Es lebt ein Gott, zu strafen und zu rächen.</l> </lg> <lb n="pba_402.018"/> <p>Dennoch zeigt ein vergleichender Blick auf „Richard III.“ die große <lb n="pba_402.019"/> Überlegenheit Shakespeares in der Auswahl und Behandlung seines historischen <lb n="pba_402.020"/> Stoffes. Es ließe sich an dem Stücke eine besondere Studie <lb n="pba_402.021"/> über die Mittel durchführen, die dem geschichtlichen Material die ihm <lb n="pba_402.022"/> naturgemäß eigene epische Breite nehmen, an den richtigen Stellen kühn <lb n="pba_402.023"/> und fest den Apparat des äußerlichen Hergangs ins Kurze zusammenziehen, <lb n="pba_402.024"/> um überall die von innen, aus der Tiefe der Persönlichkeit wirkenden <lb n="pba_402.025"/> Triebfedern hervortreten zu lassen und vor Allem in jedem Teile <lb n="pba_402.026"/> des Körpers der Handlung gleichsam als die bewegende Seele die in <lb n="pba_402.027"/> dem Ganzen lebendige Einheit zu zeigen. Mit welcher höchsten Kunst <lb n="pba_402.028"/> ist in dem furchtbaren Herzog von Gloster der ganze Fluch der unheilvollen <lb n="pba_402.029"/> Zeit zusammengehäuft! Er selbst nur möglich auf dem Untergrunde <lb n="pba_402.030"/> dieser entsetzlichen Vorgeschichte, die gleichwohl durch die Handlnng <lb n="pba_402.031"/> des Stückes selbst in allen ihren Teilen unmittelbar vor das Auge <lb n="pba_402.032"/> tritt, alle Fäden der weitverzweigten Handlung in ihm sich vereinigend, <lb n="pba_402.033"/> jeder weitere Fortschritt derselben unmittelbar oder doch mittelbar durch <lb n="pba_402.034"/> ihn allein bestimmt, endlich, nachdem die ungeheuere Spannung ihr <lb n="pba_402.035"/> äußerstes Maß erreicht hat, der Sturm bis zum rasenden Wüten des <lb n="pba_402.036"/> Orkans gestiegen ist, <hi rendition="#g">in seiner Person</hi> die lange drohend prophezeite, <lb n="pba_402.037"/> zerschmetternde Entladung und aus ihrer Schrecknis der Anbruch eines <lb n="pba_402.038"/> neuen, Glück verheißenden Tages!</p> <p><lb n="pba_402.039"/> Ein anders geartetes Musterbeispiel der Gattung ist Lessings <lb n="pba_402.040"/> „<hi rendition="#g">Nathan der Weise</hi>“. Auch dieses hat seinesgleichen nicht in aller </p> </div> </body> </text> </TEI> [402/0420]
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eben dadurch in dem Stücke ihre unentbehrliche Stellung hat, pba_402.002
spricht Stauffacher diesen Einheitsgedanken geradezu aus:
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Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht. pba_402.004
Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, pba_402.005
Wenn unerträglich wird die Last — greift er pba_402.006
Hinauf getrosten Mutes in den Himmel pba_402.007
Und holt herunter seine ew'gen Rechte, pba_402.008
Die droben hangen unveräußerlich pba_402.009
Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst.
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Und ebenso Tell späterhin auf dem Höhepunkte der Handlung:
pba_402.011
Du bist mein Herr und meines Kaisers Vogt; pba_402.012
Doch nicht der Kaiser hätte sich erlaubt, pba_402.013
Was du. — Er sandte dich in diese Lande, pba_402.014
Um Recht zu sprechen — strenges, denn er zürnt — pba_402.015
Doch nicht, um mit der mörderischen Lust pba_402.016
Dich jeden Greuels straflos zu erfrechen; pba_402.017
Es lebt ein Gott, zu strafen und zu rächen.
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Dennoch zeigt ein vergleichender Blick auf „Richard III.“ die große pba_402.019
Überlegenheit Shakespeares in der Auswahl und Behandlung seines historischen pba_402.020
Stoffes. Es ließe sich an dem Stücke eine besondere Studie pba_402.021
über die Mittel durchführen, die dem geschichtlichen Material die ihm pba_402.022
naturgemäß eigene epische Breite nehmen, an den richtigen Stellen kühn pba_402.023
und fest den Apparat des äußerlichen Hergangs ins Kurze zusammenziehen, pba_402.024
um überall die von innen, aus der Tiefe der Persönlichkeit wirkenden pba_402.025
Triebfedern hervortreten zu lassen und vor Allem in jedem Teile pba_402.026
des Körpers der Handlung gleichsam als die bewegende Seele die in pba_402.027
dem Ganzen lebendige Einheit zu zeigen. Mit welcher höchsten Kunst pba_402.028
ist in dem furchtbaren Herzog von Gloster der ganze Fluch der unheilvollen pba_402.029
Zeit zusammengehäuft! Er selbst nur möglich auf dem Untergrunde pba_402.030
dieser entsetzlichen Vorgeschichte, die gleichwohl durch die Handlnng pba_402.031
des Stückes selbst in allen ihren Teilen unmittelbar vor das Auge pba_402.032
tritt, alle Fäden der weitverzweigten Handlung in ihm sich vereinigend, pba_402.033
jeder weitere Fortschritt derselben unmittelbar oder doch mittelbar durch pba_402.034
ihn allein bestimmt, endlich, nachdem die ungeheuere Spannung ihr pba_402.035
äußerstes Maß erreicht hat, der Sturm bis zum rasenden Wüten des pba_402.036
Orkans gestiegen ist, in seiner Person die lange drohend prophezeite, pba_402.037
zerschmetternde Entladung und aus ihrer Schrecknis der Anbruch eines pba_402.038
neuen, Glück verheißenden Tages!
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Ein anders geartetes Musterbeispiel der Gattung ist Lessings pba_402.040
„Nathan der Weise“. Auch dieses hat seinesgleichen nicht in aller
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