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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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mit im Spiele sind, welche Gegenwirkungen ausüben, die zu überwinden pba_420.002
sind; ja dieselben sind von so mannigfacher Art, so tausendfältig mit pba_420.003
den positiven Kräften gemischt, und diese Mischung ist oft so fein, daß pba_420.004
im Leben wie in der Nachahmung nicht nur das Verstandesurteil, pba_420.005
sondern auch die Empfindung sehr leicht getäuscht wird, das Negative pba_420.006
für das Positive ansieht oder nicht selten auch wohl umgekehrt das pba_420.007
letztere für das erstere. So selten die unbedingt erfreuliche Erscheinung pba_420.008
im Leben begegnet, so schwer ist es, sie in der Nachahmung darzustellen: pba_420.009
um nun aber die Scheidung jener zahlreichen Mischungen zu bewerkstelligen, pba_420.010
gibt es ein, wenn es richtig gehandhabt wird, unfehlbar pba_420.011
wirkendes Reagens: es ist das Mittel, jene negativen Faktoren in der pba_420.012
Handlung sich rein als solche mit Evidenz darstellen zu lassen, d. h. sie pba_420.013
als lächerlich vorzuführen. Demgemäß wäre der Zweck dieser Art pba_420.014
von Nachahmung, die ganze Kraft der Seele in den Empfindungen des pba_420.015
Erfreulichen und des Lächerlichen zur Äußerung hervorzurufen, so daß, pba_420.016
indem sie sich gegenseitig zur völligen Reinheit herstellen, auch hier die pba_420.017
notwendige Begleiterscheinung solcher zum qualitativen Maximum gesteigerten pba_420.018
Empfindungsenergie die edelste Freude sein wird.

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Es kann geschehen, daß die nachzuahmende Handlung nach der pba_420.020
Beschaffenheit der für die Schicksalsentscheidung wirksamen Faktoren es pba_420.021
erfordert, daß von jenem Mittel der Klärung ein sehr breit in die Erscheinung pba_420.022
tretender Gebrauch gemacht werden muß; aber es erhellt aus pba_420.023
dem Vorstehenden auf das deutlichste, daß es ein Mißgriff ist, das pba_420.024
Mittel anzuwenden, ohne damit zum Zwecke zu gelangen, ja ohne ihn pba_420.025
überhaupt ins Auge zu fassen: also das Lächerliche darzustellen, ohne pba_420.026
die Katharsis desselben und des Erfreulichen in gegenseitiger Wechselwirkung pba_420.027
herbeizuführen, ja ohne dieses letztere überhaupt sich geltend pba_420.028
machen zu lassen. Gerade das aber und noch Schlimmeres liegt vor, pba_420.029
wenn man als den anerkannten Gegenstand der Komödie "le ridicule pba_420.030
et le vice" betrachtete und noch heute das Lustspiel lediglich für die pba_420.031
"Darstellung einer lächerlichen Handlung" ausgibt.

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Obwohl die spezielle Begründung dieser Sätze in die Theorie der pba_420.033
Komödie gehört, so ist doch einem Einwande schon hier zu begegnen; pba_420.034
es ist der scheinbare Widerspruch, in welchem zu denselben das Prototyp pba_420.035
des Lustspiels steht, die aristophanische Komödie. Aber Aristophanes pba_420.036
wäre der große Dichter nicht, der er ist, wenn in der That, wie es auf pba_420.037
den ersten Blick scheint, der Gegenstand seiner Nachahmung nur das pba_420.038
"Lächerliche und Verächtliche", nur "le ridicule et le vice" wäre. Zu pba_420.039
einer solchen genügen eine beliebige Anzahl mehr oder weniger lose verknüpfter pba_420.040
Scenen, Stücke also, wie die Franzosen sie als pieces a tiroir

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mit im Spiele sind, welche Gegenwirkungen ausüben, die zu überwinden pba_420.002
sind; ja dieselben sind von so mannigfacher Art, so tausendfältig mit pba_420.003
den positiven Kräften gemischt, und diese Mischung ist oft so fein, daß pba_420.004
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Handlung sich rein als solche mit Evidenz darstellen zu lassen, d. h. sie pba_420.013
als lächerlich vorzuführen. Demgemäß wäre der Zweck dieser Art pba_420.014
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Erfreulichen und des Lächerlichen zur Äußerung hervorzurufen, so daß, pba_420.016
indem sie sich gegenseitig zur völligen Reinheit herstellen, auch hier die pba_420.017
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Empfindungsenergie die edelste Freude sein wird.

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Es kann geschehen, daß die nachzuahmende Handlung nach der pba_420.020
Beschaffenheit der für die Schicksalsentscheidung wirksamen Faktoren es pba_420.021
erfordert, daß von jenem Mittel der Klärung ein sehr breit in die Erscheinung pba_420.022
tretender Gebrauch gemacht werden muß; aber es erhellt aus pba_420.023
dem Vorstehenden auf das deutlichste, daß es ein Mißgriff ist, das pba_420.024
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überhaupt ins Auge zu fassen: also das Lächerliche darzustellen, ohne pba_420.026
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herbeizuführen, ja ohne dieses letztere überhaupt sich geltend pba_420.028
machen zu lassen. Gerade das aber und noch Schlimmeres liegt vor, pba_420.029
wenn man als den anerkannten Gegenstand der Komödie „le ridicule pba_420.030
et le vice“ betrachtete und noch heute das Lustspiel lediglich für die pba_420.031
„Darstellung einer lächerlichen Handlung“ ausgibt.

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Obwohl die spezielle Begründung dieser Sätze in die Theorie der pba_420.033
Komödie gehört, so ist doch einem Einwande schon hier zu begegnen; pba_420.034
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/438>, abgerufen am 31.10.2024.