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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Seite widerlegt; wir lernen von ihm, er kann malen, also soll er pba_031.002
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Nur ein starkes Beispiel aus Goethes spätester Zeit, aus dem pba_031.004
Jahr 1827! Es ist das achte Lied aus den "Chinesisch-deutschen Jahres- pba_031.005
und Tageszeiten":

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Dämmrung senkte sich von oben, pba_031.007
Schon ist alle Nähe fern, pba_031.008
Doch zuerst emporgehoben pba_031.009
Holden Lichts der Abendstern. pba_031.010
Alles schwankt ins Ungewisse, pba_031.011
Nebel schleichen in die Höh'; pba_031.012
Schwarzvertiefte Finsternisse pba_031.013
Wiederspiegelnd, ruht der See.
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Nun am östlichen Bereiche pba_031.015
Ahn' ich Mondenglanz und -Glut, pba_031.016
Schlanker Weiden Haargezweige pba_031.017
Scherzen auf der nächsten Flut. pba_031.018
Durch bewegter Schatten Spiele pba_031.019
Zittert Luna's Zauberschein, pba_031.020
Und durchs Auge schleicht die Kühle pba_031.021
Sänftigend ins Herz hinein.

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Man möchte das Lied für die genau sich anschließende Beschreibung pba_031.023
eines Landschaftsgemäldes halten, wüßten wir nicht, daß die "ganze pba_031.024
Scenerie der Oertlichkeit konkret entnommen ist," der Aussicht über pba_031.025
Garten, Park und Wiesen, die sich dem Dichter von seinem Gartenhause pba_031.026
aus darbot (vgl. die Anmerkung von Loeper, Hemp. Ausg. III, S. 156).

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So bleibt nur die technische Forderung Lessings: das Ruhende, pba_031.028
Gleichzeitige durch Verwandlung in ein Bewegtes, Fortschreitendes der pba_031.029
lebhaften Anschauung fähig zu machen, die in der Dichtung -- weil die pba_031.030
Wahrnehmung die in der Wortfolge nacheinander namhaft gemachten pba_031.031
Teile eines komplizierteren Ganzen erfahrungsmäßig nicht zu einer übersichtlichen pba_031.032
Gesamtheit zu vereinigen vermöge -- auf keine andere Weise pba_031.033
erreicht werden könne.

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Für die nähere Untersuchung ergeben sich hier also zwei Fragen: pba_031.035
gibt es außer der Erfahrung innere, im Wesen der poetischen pba_031.036
Kunst liegende Gründe dafür, daß die Darstellung der pba_031.037
Bewegung und des Fortschreitenden lebendiger wirkt als pba_031.038
die einfache Beschreibung?

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Und: in welchen Fällen und auf welche Weise wird demgemäß pba_031.040
eine solche Umwandlung der Beschreibung in Darstellung pba_031.041
des Bewegten möglich sein?

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Seite widerlegt; wir lernen von ihm, er kann malen, also soll er pba_031.002
malen!

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Nur ein starkes Beispiel aus Goethes spätester Zeit, aus dem pba_031.004
Jahr 1827! Es ist das achte Lied aus den „Chinesisch-deutschen Jahres- pba_031.005
und Tageszeiten“:

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Dämmrung senkte sich von oben, pba_031.007
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Zittert Luna's Zauberschein, pba_031.020
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Man möchte das Lied für die genau sich anschließende Beschreibung pba_031.023
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Garten, Park und Wiesen, die sich dem Dichter von seinem Gartenhause pba_031.026
aus darbot (vgl. die Anmerkung von Loeper, Hemp. Ausg. III, S. 156).

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So bleibt nur die technische Forderung Lessings: das Ruhende, pba_031.028
Gleichzeitige durch Verwandlung in ein Bewegtes, Fortschreitendes der pba_031.029
lebhaften Anschauung fähig zu machen, die in der Dichtung — weil die pba_031.030
Wahrnehmung die in der Wortfolge nacheinander namhaft gemachten pba_031.031
Teile eines komplizierteren Ganzen erfahrungsmäßig nicht zu einer übersichtlichen pba_031.032
Gesamtheit zu vereinigen vermöge — auf keine andere Weise pba_031.033
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Für die nähere Untersuchung ergeben sich hier also zwei Fragen: pba_031.035
gibt es außer der Erfahrung innere, im Wesen der poetischen pba_031.036
Kunst liegende Gründe dafür, daß die Darstellung der pba_031.037
Bewegung und des Fortschreitenden lebendiger wirkt als pba_031.038
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eine solche Umwandlung der Beschreibung in Darstellung pba_031.041
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/49>, abgerufen am 03.12.2024.