Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_037.001 Glitzern hier im See sich spiegelnd, pba_037.002 Glänzen droben klarer Nacht; pba_037.003 Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd, pba_037.004 Herrscht des Mondes volle Pracht. pba_037.005 Jn Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen, pba_037.008 Der Wald ertönt von tausendstimm'gem Leben, pba_037.009 Thal aus, Thal ein ist Nebelstreif ergossen; pba_037.010 Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen, pba_037.011 Und Zweig' und Aeste, frisch erquickt, entsprossen pba_037.012 Dem duft'gen Abgrund, wo versenkt sie schliefen; pba_037.013 Auch Farb' an Farbe klärt sich los vom Grunde, pba_037.014 Wo Blum' und Blatt von Zitterperle triefen, pba_037.015 Ein Paradies wird um mich her die Runde. pba_037.016 Hinaufgeschaut! -- Der Berge Gipfelriesen pba_037.017 Verkünden schon die feierlichste Stunde; pba_037.018 Sie dürfen früh des ew'gen Lichts genießen, pba_037.019 Das später sich zu uns hernieder wendet. pba_037.020 Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen pba_037.021 Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet, pba_037.022 Und stufenweis herab ist es gelungen; -- pba_037.023 Sie tritt hervor! -- und, leider schon geblendet, pba_037.024 Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen. pba_037.025 pba_037.042 pba_037.001 Glitzern hier im See sich spiegelnd, pba_037.002 Glänzen droben klarer Nacht; pba_037.003 Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd, pba_037.004 Herrscht des Mondes volle Pracht. pba_037.005 Jn Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen, pba_037.008 Der Wald ertönt von tausendstimm'gem Leben, pba_037.009 Thal aus, Thal ein ist Nebelstreif ergossen; pba_037.010 Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen, pba_037.011 Und Zweig' und Aeste, frisch erquickt, entsprossen pba_037.012 Dem duft'gen Abgrund, wo versenkt sie schliefen; pba_037.013 Auch Farb' an Farbe klärt sich los vom Grunde, pba_037.014 Wo Blum' und Blatt von Zitterperle triefen, pba_037.015 Ein Paradies wird um mich her die Runde. pba_037.016 Hinaufgeschaut! — Der Berge Gipfelriesen pba_037.017 Verkünden schon die feierlichste Stunde; pba_037.018 Sie dürfen früh des ew'gen Lichts genießen, pba_037.019 Das später sich zu uns hernieder wendet. pba_037.020 Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen pba_037.021 Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet, pba_037.022 Und stufenweis herab ist es gelungen; — pba_037.023 Sie tritt hervor! — und, leider schon geblendet, pba_037.024 Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen. pba_037.025 pba_037.042 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0055" n="37"/> <lb n="pba_037.001"/> <lg> <l>Glitzern hier im See sich spiegelnd,</l> <lb n="pba_037.002"/> <l>Glänzen droben klarer Nacht;</l> <lb n="pba_037.003"/> <l>Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd,</l> <lb n="pba_037.004"/> <l>Herrscht des Mondes volle Pracht.</l> </lg> <p><lb n="pba_037.005"/> Eine völlig malerische Strophe und poetisch wie malerisch gleich <lb n="pba_037.006"/> vollkommen! Und nicht minder folgende Stelle aus Fausts Monolog:</p> <lb n="pba_037.007"/> <lg> <l>Jn Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen,</l> <lb n="pba_037.008"/> <l>Der Wald ertönt von tausendstimm'gem Leben,</l> <lb n="pba_037.009"/> <l>Thal aus, Thal ein ist Nebelstreif ergossen;</l> <lb n="pba_037.010"/> <l>Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen,</l> <lb n="pba_037.011"/> <l>Und Zweig' und Aeste, frisch erquickt, entsprossen</l> <lb n="pba_037.012"/> <l>Dem duft'gen Abgrund, wo versenkt sie schliefen;</l> <lb n="pba_037.013"/> <l>Auch Farb' an Farbe klärt sich los vom Grunde,</l> <lb n="pba_037.014"/> <l>Wo Blum' und Blatt von Zitterperle triefen,</l> <lb n="pba_037.015"/> <l>Ein Paradies wird um mich her die Runde.</l> <lb n="pba_037.016"/> <l>Hinaufgeschaut! — Der Berge Gipfelriesen</l> <lb n="pba_037.017"/> <l>Verkünden schon die feierlichste Stunde;</l> <lb n="pba_037.018"/> <l>Sie dürfen früh des ew'gen Lichts genießen,</l> <lb n="pba_037.019"/> <l>Das später sich zu uns hernieder wendet.</l> <lb n="pba_037.020"/> <l>Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen</l> <lb n="pba_037.021"/> <l>Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,</l> <lb n="pba_037.022"/> <l>Und stufenweis herab ist es gelungen; —</l> <lb n="pba_037.023"/> <l>Sie tritt hervor! — und, leider schon geblendet,</l> <lb n="pba_037.024"/> <l>Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.</l> </lg> <p><lb n="pba_037.025"/> Mit einem Wort läßt sich so die Frage nach der Berechtigung der <lb n="pba_037.026"/> „Landschaftspoesie“ entscheiden, welche <hi rendition="#g">Schiller</hi> in der Abhandlung <lb n="pba_037.027"/> „Ueber Matthissons Gedichte“ aufwirft. Er hat vollkommen recht, wenn <lb n="pba_037.028"/> er dort sagt: „Das Reich <hi rendition="#g">bestimmter Formen</hi> geht über den <lb n="pba_037.029"/> <hi rendition="#g">tierischen Körper</hi> und das <hi rendition="#g">menschliche Herz</hi> nicht hinaus; daher <lb n="pba_037.030"/> nur in diesen beiden ein Jdeal kann aufgestellt werden. <hi rendition="#g">Ueber</hi> dem <lb n="pba_037.031"/> Menschen (als Erscheinung) gibt es kein Objekt für die Kunst mehr, obgleich <lb n="pba_037.032"/> für die Wissenschaft; denn das Gebiet der Einbildungskraft ist <lb n="pba_037.033"/> hier zu Ende. <hi rendition="#g">Unter</hi> dem Menschen gibt es kein Objekt für die <hi rendition="#g">schöne</hi> <lb n="pba_037.034"/> Kunst mehr, obgleich für die <hi rendition="#g">angenehme,</hi> denn das Reich der Notwendigkeit <lb n="pba_037.035"/> ist hier geschlossen.“ Allein der Beweis, daß, ungeachtet „bei <lb n="pba_037.036"/> den weisen Alten die Poesie sowohl als die bildende Kunst nur im Kreise <lb n="pba_037.037"/> der Menschheit sich aufhielten“, dennoch die moderne Landschaftsmalerei <lb n="pba_037.038"/> und Landschaftsdichtung ihr volles Bürgerrecht in der Kunst haben, <lb n="pba_037.039"/> kann, unmittelbar aus den oben aufgestellten Prämissen, weit kürzer <lb n="pba_037.040"/> und klarer geführt werden, als es dort mit Berufung auf die Kantsche <lb n="pba_037.041"/> Lehre von den „ästhetischen Jdeen“ geschieht.</p> <p><lb n="pba_037.042"/> Alle <hi rendition="#g">lediglich materielle</hi> Schilderung und Darstellung ist <hi rendition="#g">tot</hi> </p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0055]
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Glitzern hier im See sich spiegelnd, pba_037.002
Glänzen droben klarer Nacht; pba_037.003
Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd, pba_037.004
Herrscht des Mondes volle Pracht.
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Eine völlig malerische Strophe und poetisch wie malerisch gleich pba_037.006
vollkommen! Und nicht minder folgende Stelle aus Fausts Monolog:
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Jn Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen, pba_037.008
Der Wald ertönt von tausendstimm'gem Leben, pba_037.009
Thal aus, Thal ein ist Nebelstreif ergossen; pba_037.010
Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen, pba_037.011
Und Zweig' und Aeste, frisch erquickt, entsprossen pba_037.012
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Auch Farb' an Farbe klärt sich los vom Grunde, pba_037.014
Wo Blum' und Blatt von Zitterperle triefen, pba_037.015
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Hinaufgeschaut! — Der Berge Gipfelriesen pba_037.017
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Das später sich zu uns hernieder wendet. pba_037.020
Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen pba_037.021
Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet, pba_037.022
Und stufenweis herab ist es gelungen; — pba_037.023
Sie tritt hervor! — und, leider schon geblendet, pba_037.024
Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.
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Mit einem Wort läßt sich so die Frage nach der Berechtigung der pba_037.026
„Landschaftspoesie“ entscheiden, welche Schiller in der Abhandlung pba_037.027
„Ueber Matthissons Gedichte“ aufwirft. Er hat vollkommen recht, wenn pba_037.028
er dort sagt: „Das Reich bestimmter Formen geht über den pba_037.029
tierischen Körper und das menschliche Herz nicht hinaus; daher pba_037.030
nur in diesen beiden ein Jdeal kann aufgestellt werden. Ueber dem pba_037.031
Menschen (als Erscheinung) gibt es kein Objekt für die Kunst mehr, obgleich pba_037.032
für die Wissenschaft; denn das Gebiet der Einbildungskraft ist pba_037.033
hier zu Ende. Unter dem Menschen gibt es kein Objekt für die schöne pba_037.034
Kunst mehr, obgleich für die angenehme, denn das Reich der Notwendigkeit pba_037.035
ist hier geschlossen.“ Allein der Beweis, daß, ungeachtet „bei pba_037.036
den weisen Alten die Poesie sowohl als die bildende Kunst nur im Kreise pba_037.037
der Menschheit sich aufhielten“, dennoch die moderne Landschaftsmalerei pba_037.038
und Landschaftsdichtung ihr volles Bürgerrecht in der Kunst haben, pba_037.039
kann, unmittelbar aus den oben aufgestellten Prämissen, weit kürzer pba_037.040
und klarer geführt werden, als es dort mit Berufung auf die Kantsche pba_037.041
Lehre von den „ästhetischen Jdeen“ geschieht.
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Alle lediglich materielle Schilderung und Darstellung ist tot
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