pba_038.001 -- oder doch, im besten Falle, nur matt, insofern ja freilich auch schon pba_038.002 mit der bloßen Reminiscenz bei der Aufzählung von gewissen Naturgegenständen, pba_038.003 und noch mehr mit dem Anblick ihrer Nachbildung, sich pba_038.004 Regungen wohlgefälliger Empfindung, und zwar mitunter in ganz bestimmter pba_038.005 Ausprägung, verknüpfen können.1 Ein höchst anmutiges Beispiel pba_038.006 derart ist Uhlands "Lob des Frühlings":
pba_038.007
Saatengrün, Veilchenduft,pba_038.008 Lerchenwirbel, Amselschlag,pba_038.009 Sommerregen, linde Luft!pba_038.010 Wenn ich solche Worte singe,pba_038.011 Braucht es dann noch großer Dinge,pba_038.012 Dich zu preisen, Frühlingstag?
pba_038.013 Jst hier auch freilich durch die zweite Strophe der Empfindung pba_038.014 noch bestimmter die Richtung angewiesen, so entsteht doch das eigentlich pba_038.015 sie erregende Bild durch die bloße, rhythmisch geschmückte Aufzählung einfacher pba_038.016 Naturdinge.
pba_038.017 Aber ihre eigentliche und höchste Wirksamkeit erhält die künstlerische pba_038.018 Naturdarstellung doch nur, sobald sie psychisches Leben atmet, pba_038.019 d. h. also, sobald sie dem Dichter lediglich das Mittel für den Empfindungsausdruckpba_038.020 ist; je gesunder und reicher diese Empfindung pba_038.021 ist, und je bestimmter er sie nachahmend zu erwecken weiß, desto vollkommener pba_038.022 ist sein Gedicht. Das erreicht er, indem er den Naturgegenständen pba_038.023 die Analogie des Empfindens, Wollens und Handelns leiht, pba_038.024 wodurch er sie in unmittelbaren Rapport mit dem ganzen Reich unsers pba_038.025 eigenen seelischen Lebens setzt, und sie eben damit in jene menschliche pba_038.026 "des Jdeals fähige" Sphäre erhebt.
pba_038.027 Und hiermit wäre der gesuchte tiefere Grund gefunden, warum pba_038.028 der Dichter, sobald er den Zweck seiner Nachahmung durch das Mittel pba_038.029 der Körperdarstellung erreichen will, sich nicht begnügen darf, an pba_038.030 die einzelnen äußeren Züge der Gestalten uns zu erinnern,pba_038.031 die bei ihm die Sprache nicht sprechen, die sie der Maler zu uns reden pba_038.032 zu lassen vermag, sondern ihnen jene beseelte Bewegung erteilen pba_038.033 muß, die, von innen heraus wirkend und unser pba_038.034 Jnneres wiederum bewegend, gleichsam -- wenigstens unserem pba_038.035 Empfinden nach, das eben dadurch erst ein poetisches Empfinden ist -- pba_038.036 jene äußeren Züge geschaffen hat, welche der Maler uns sehen
1pba_038.037 "Eine Rose und ein Mondschein erregen immer eine angenehme Empfindung pba_038.038 und was vermag nicht eine Palme." Vgl. Lehrs a. a. O. in dem Aufsatz: "Die pba_038.039 Nymphen".
pba_038.001 — oder doch, im besten Falle, nur matt, insofern ja freilich auch schon pba_038.002 mit der bloßen Reminiscenz bei der Aufzählung von gewissen Naturgegenständen, pba_038.003 und noch mehr mit dem Anblick ihrer Nachbildung, sich pba_038.004 Regungen wohlgefälliger Empfindung, und zwar mitunter in ganz bestimmter pba_038.005 Ausprägung, verknüpfen können.1 Ein höchst anmutiges Beispiel pba_038.006 derart ist Uhlands „Lob des Frühlings“:
pba_038.007
Saatengrün, Veilchenduft,pba_038.008 Lerchenwirbel, Amselschlag,pba_038.009 Sommerregen, linde Luft!pba_038.010 Wenn ich solche Worte singe,pba_038.011 Braucht es dann noch großer Dinge,pba_038.012 Dich zu preisen, Frühlingstag?
pba_038.013 Jst hier auch freilich durch die zweite Strophe der Empfindung pba_038.014 noch bestimmter die Richtung angewiesen, so entsteht doch das eigentlich pba_038.015 sie erregende Bild durch die bloße, rhythmisch geschmückte Aufzählung einfacher pba_038.016 Naturdinge.
pba_038.017 Aber ihre eigentliche und höchste Wirksamkeit erhält die künstlerische pba_038.018 Naturdarstellung doch nur, sobald sie psychisches Leben atmet, pba_038.019 d. h. also, sobald sie dem Dichter lediglich das Mittel für den Empfindungsausdruckpba_038.020 ist; je gesunder und reicher diese Empfindung pba_038.021 ist, und je bestimmter er sie nachahmend zu erwecken weiß, desto vollkommener pba_038.022 ist sein Gedicht. Das erreicht er, indem er den Naturgegenständen pba_038.023 die Analogie des Empfindens, Wollens und Handelns leiht, pba_038.024 wodurch er sie in unmittelbaren Rapport mit dem ganzen Reich unsers pba_038.025 eigenen seelischen Lebens setzt, und sie eben damit in jene menschliche pba_038.026 „des Jdeals fähige“ Sphäre erhebt.
pba_038.027 Und hiermit wäre der gesuchte tiefere Grund gefunden, warum pba_038.028 der Dichter, sobald er den Zweck seiner Nachahmung durch das Mittel pba_038.029 der Körperdarstellung erreichen will, sich nicht begnügen darf, an pba_038.030 die einzelnen äußeren Züge der Gestalten uns zu erinnern,pba_038.031 die bei ihm die Sprache nicht sprechen, die sie der Maler zu uns reden pba_038.032 zu lassen vermag, sondern ihnen jene beseelte Bewegung erteilen pba_038.033 muß, die, von innen heraus wirkend und unser pba_038.034 Jnneres wiederum bewegend, gleichsam — wenigstens unserem pba_038.035 Empfinden nach, das eben dadurch erst ein poetisches Empfinden ist — pba_038.036 jene äußeren Züge geschaffen hat, welche der Maler uns sehen
1pba_038.037 „Eine Rose und ein Mondschein erregen immer eine angenehme Empfindung pba_038.038 und was vermag nicht eine Palme.“ Vgl. Lehrs a. a. O. in dem Aufsatz: „Die pba_038.039 Nymphen“.
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— oder doch, im besten Falle, nur matt, insofern ja freilich auch schon pba_038.002
mit der bloßen Reminiscenz bei der Aufzählung von gewissen Naturgegenständen, pba_038.003
und noch mehr mit dem Anblick ihrer Nachbildung, sich pba_038.004
Regungen wohlgefälliger Empfindung, und zwar mitunter in ganz bestimmter pba_038.005
Ausprägung, verknüpfen können. 1 Ein höchst anmutiges Beispiel pba_038.006
derart ist Uhlands „Lob des Frühlings“:
pba_038.007
Saatengrün, Veilchenduft, pba_038.008
Lerchenwirbel, Amselschlag, pba_038.009
Sommerregen, linde Luft! pba_038.010
Wenn ich solche Worte singe, pba_038.011
Braucht es dann noch großer Dinge, pba_038.012
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Jst hier auch freilich durch die zweite Strophe der Empfindung pba_038.014
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Und hiermit wäre der gesuchte tiefere Grund gefunden, warum pba_038.028
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Jnneres wiederum bewegend, gleichsam — wenigstens unserem pba_038.035
Empfinden nach, das eben dadurch erst ein poetisches Empfinden ist — pba_038.036
jene äußeren Züge geschaffen hat, welche der Maler uns sehen
1 pba_038.037
„Eine Rose und ein Mondschein erregen immer eine angenehme Empfindung pba_038.038
und was vermag nicht eine Palme.“ Vgl. Lehrs a. a. O. in dem Aufsatz: „Die pba_038.039
Nymphen“.
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/56>, abgerufen am 21.11.2024.
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