pba_560.001 quälten und durch die Furcht vor dem "Allwalter" von der Gewißheit pba_560.002 dieser "Harmonie" in frommem Gefühl durchdrungen: denn das "eigenwillige" pba_560.003 Vertrauen auf seine Kraft hat den Prometheus zum Widerstreit pba_560.004 gegen Zeus gereizt, daß er, der "Furcht" vergessend, gegen Zeus' Beschluß pba_560.005 der Menschen Sache führte.
pba_560.006 Schillers Dichtungen beweisen, daß er später eine andere Anschauung pba_560.007 von der Religion, Philosophie und Poesie der Griechen gewann, pba_560.008 als die hier citierte Stelle sie im flagranten Widerspruch gegen pba_560.009 die offenkundigsten Zeugnisse aufweist. Er kannte, als er diese Abhandlungen pba_560.010 schrieb, die griechischen Tragiker noch nicht von der Quelle her, pba_560.011 und dort allein kann man sie kennen lernen. Vielleicht ging ihm jene pba_560.012 Ansicht gerade aus der irrigen Auffassung des äschyleischen Prometheus pba_560.013 hervor, dieser tiefsinnigsten Schöpfung des größten griechischen Tragikers; pba_560.014 wie er ja auch des Sophokles Ödipus so sehr verkannte, daß er darin pba_560.015 eine Bestrafung unzeitiger, zu weit getriebener "Neugier" erblicken konnte. pba_560.016 Der "gefesselte Prometheus", das einzige uns erhaltene Stück pba_560.017 der Prometheustrilogie, bildete das Mittelglied dieser großartigen Komposition. pba_560.018 Damit ist es gegeben, daß die Verwickelung der Gesamthandlungpba_560.019 darin auf ihren Höhepunkt gelangen mußte: die Lösungpba_560.020 derselben kann hier nicht erwartet werden, vielmehr muß hier das pba_560.021 furchtbare Geschick zur Vollendung ausreifen, für dessen Ausgleichung pba_560.022 als Abschluß des Ganzen die dritte Tragödie erfordert wird. Die pba_560.023 Katharsis des Ganzen bringt erst das dritte Stück; um die Katharsis pba_560.024 der mittleren Tragödie zu vollenden, das also zu erreichen, wodurch pba_560.025 allein dieses Stück zu einem Ganzen, einem selbständigen Kunstwerk pba_560.026 geschaffen werden konnte, mußte der Dichter sich die Aufgabe stellen, pba_560.027 mit dem dargestellten, furchtbar-ungeheuren Schicksal die Empfindung pba_560.028 zu versöhnen, ihren Widerstand dagegen zu überwinden, d. h. also die pba_560.029 hier aufs stärkste erregten Mitleid- und Furchtgefühle ihres Übermaßes pba_560.030 zu entlasten und sie zur "Symmetrie" zu führen.
pba_560.031 Das konnte nur auf eine Weise geschehen: indem das entsetzliche pba_560.032 Geschick, das über Prometheus hereinbricht, nicht als Willkürrache, auch pba_560.033 nicht als Verhängung einer "blinden Notwendigkeit" der Wahrnehmung pba_560.034 dargestellt und von der Empfindung aufgenommen wird, sondern als pba_560.035 der unerbittliche Vollzug ewigen göttlichen Waltens, der wie über Prometheus pba_560.036 so über aller Welt und über uns fortwährend, Unterwerfung pba_560.037 fordernd, schwebt: so die rechte Vereinigung von fürchtender pba_560.038 Scheu und vertrauender Ehrfurcht unmittelbar in unserm pba_560.039 Empfinden zu thätiger Kraft erweckend. Und wiederum dieses pba_560.040 konnte nur erreicht werden: indem das furchtbare Leiden des Prometheus
pba_560.001 quälten und durch die Furcht vor dem „Allwalter“ von der Gewißheit pba_560.002 dieser „Harmonie“ in frommem Gefühl durchdrungen: denn das „eigenwillige“ pba_560.003 Vertrauen auf seine Kraft hat den Prometheus zum Widerstreit pba_560.004 gegen Zeus gereizt, daß er, der „Furcht“ vergessend, gegen Zeus' Beschluß pba_560.005 der Menschen Sache führte.
pba_560.006 Schillers Dichtungen beweisen, daß er später eine andere Anschauung pba_560.007 von der Religion, Philosophie und Poesie der Griechen gewann, pba_560.008 als die hier citierte Stelle sie im flagranten Widerspruch gegen pba_560.009 die offenkundigsten Zeugnisse aufweist. Er kannte, als er diese Abhandlungen pba_560.010 schrieb, die griechischen Tragiker noch nicht von der Quelle her, pba_560.011 und dort allein kann man sie kennen lernen. Vielleicht ging ihm jene pba_560.012 Ansicht gerade aus der irrigen Auffassung des äschyleischen Prometheus pba_560.013 hervor, dieser tiefsinnigsten Schöpfung des größten griechischen Tragikers; pba_560.014 wie er ja auch des Sophokles Ödipus so sehr verkannte, daß er darin pba_560.015 eine Bestrafung unzeitiger, zu weit getriebener „Neugier“ erblicken konnte. pba_560.016 Der „gefesselte Prometheus“, das einzige uns erhaltene Stück pba_560.017 der Prometheustrilogie, bildete das Mittelglied dieser großartigen Komposition. pba_560.018 Damit ist es gegeben, daß die Verwickelung der Gesamthandlungpba_560.019 darin auf ihren Höhepunkt gelangen mußte: die Lösungpba_560.020 derselben kann hier nicht erwartet werden, vielmehr muß hier das pba_560.021 furchtbare Geschick zur Vollendung ausreifen, für dessen Ausgleichung pba_560.022 als Abschluß des Ganzen die dritte Tragödie erfordert wird. Die pba_560.023 Katharsis des Ganzen bringt erst das dritte Stück; um die Katharsis pba_560.024 der mittleren Tragödie zu vollenden, das also zu erreichen, wodurch pba_560.025 allein dieses Stück zu einem Ganzen, einem selbständigen Kunstwerk pba_560.026 geschaffen werden konnte, mußte der Dichter sich die Aufgabe stellen, pba_560.027 mit dem dargestellten, furchtbar-ungeheuren Schicksal die Empfindung pba_560.028 zu versöhnen, ihren Widerstand dagegen zu überwinden, d. h. also die pba_560.029 hier aufs stärkste erregten Mitleid- und Furchtgefühle ihres Übermaßes pba_560.030 zu entlasten und sie zur „Symmetrie“ zu führen.
pba_560.031 Das konnte nur auf eine Weise geschehen: indem das entsetzliche pba_560.032 Geschick, das über Prometheus hereinbricht, nicht als Willkürrache, auch pba_560.033 nicht als Verhängung einer „blinden Notwendigkeit“ der Wahrnehmung pba_560.034 dargestellt und von der Empfindung aufgenommen wird, sondern als pba_560.035 der unerbittliche Vollzug ewigen göttlichen Waltens, der wie über Prometheus pba_560.036 so über aller Welt und über uns fortwährend, Unterwerfung pba_560.037 fordernd, schwebt: so die rechte Vereinigung von fürchtender pba_560.038 Scheu und vertrauender Ehrfurcht unmittelbar in unserm pba_560.039 Empfinden zu thätiger Kraft erweckend. Und wiederum dieses pba_560.040 konnte nur erreicht werden: indem das furchtbare Leiden des Prometheus
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wie er ja auch des Sophokles Ödipus so sehr verkannte, daß er darin pba_560.015
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Der „gefesselte Prometheus“, das einzige uns erhaltene Stück pba_560.017
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Das konnte nur auf eine Weise geschehen: indem das entsetzliche pba_560.032
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/578>, abgerufen am 31.10.2024.
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