Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_681.001 pba_681.004 im Deutschen unter der erhöhten Lebhaftigkeit des Verständnisses pba_681.010 verstehen; eine solche ist naturgemäß erfreulich (edu). Jede Vergleichung, pba_681.011 ein jedes Bild, noch mehr eine jede Metapher, die pba_681.012 gradezu für das Verglichene dasjenige einsetzt, womit es verglichen pba_681.013 wird, dient diesem Zweck, ob sie nun die Art für die Gattung, pba_681.014 die Gattung für die Art, eine Art für eine andere, oder ob sie das pba_681.015 noch der Analogie sich ähnlich verhaltende für den eigentlichen Begriff pba_681.016 setzt. [Annotation] Je kürzer der Weg ist, der dabei eingeschlagen wird, je mehr pba_681.017 daher die Seele gezwungen ist nach dem Verständnis zu suchen und je pba_681.018 schneller sie dabei durch die Methode des Ausdruckes zum Ziele geführt pba_681.019 wird, desto schöner ist derselbe. Die Antithese, die auf Analogie pba_681.020 beruhende Metapher erfüllen jene Aufgabe in hervorragender Weise; [Annotation] pba_681.021 außer ihnen die Anschaulichkeit des Ausdrucks, die die Dinge "vor pba_681.022 Augen stellt" (to pro ommaton poiein), die Aristoteles auch schlechtweg pba_681.023 "Energie" nennt, da sie nämlich die Dinge sich bethätigend vorführt pba_681.024 (s. 1411b 25: lego de pro ommaton tauta poiein, osa pba_681.025 energounta semainei). Sie zeigt das Belebte in Handlung begriffen, pba_681.026 die das innere Wesen desselben kundgibt, sie verleiht dem Unbelebten pba_681.027 gleichnisweise Leben und Seele (to ta apsukha empsukha legein dia pba_681.028 tes metaphoras). Jn solchen Schönheiten liegt der Zauber der Darstellung pba_681.029 Homers: "allem verleiht er Bewegung und Leben; pba_681.030 solche energische Anschaulichkeit aber ist Mimesis, ist künstlerische pba_681.031 Nachahmung" (kinoumena gar kai zonta poiei panta, e pba_681.032 d'energeia mimesis). pba_681.033 pba_681.001 pba_681.004 im Deutschen unter der erhöhten Lebhaftigkeit des Verständnisses pba_681.010 verstehen; eine solche ist naturgemäß erfreulich (ἡδύ). Jede Vergleichung, pba_681.011 ein jedes Bild, noch mehr eine jede Metapher, die pba_681.012 gradezu für das Verglichene dasjenige einsetzt, womit es verglichen pba_681.013 wird, dient diesem Zweck, ob sie nun die Art für die Gattung, pba_681.014 die Gattung für die Art, eine Art für eine andere, oder ob sie das pba_681.015 noch der Analogie sich ähnlich verhaltende für den eigentlichen Begriff pba_681.016 setzt. [Annotation] Je kürzer der Weg ist, der dabei eingeschlagen wird, je mehr pba_681.017 daher die Seele gezwungen ist nach dem Verständnis zu suchen und je pba_681.018 schneller sie dabei durch die Methode des Ausdruckes zum Ziele geführt pba_681.019 wird, desto schöner ist derselbe. Die Antithese, die auf Analogie pba_681.020 beruhende Metapher erfüllen jene Aufgabe in hervorragender Weise; [Annotation] pba_681.021 außer ihnen die Anschaulichkeit des Ausdrucks, die die Dinge „vor pba_681.022 Augen stellt“ (τὸ πρὸ ὀμμάτων ποιεῖν), die Aristoteles auch schlechtweg pba_681.023 „Energie“ nennt, da sie nämlich die Dinge sich bethätigend vorführt pba_681.024 (s. 1411b 25: λέγω δὴ πρὸ ὀμμάτων ταῦτα ποιεῖν, ὅσα pba_681.025 ἐνεργοῦντα σημαίνει). Sie zeigt das Belebte in Handlung begriffen, pba_681.026 die das innere Wesen desselben kundgibt, sie verleiht dem Unbelebten pba_681.027 gleichnisweise Leben und Seele (τῷ τὰ ἄψυχα ἔμψυχα λέγειν διὰ pba_681.028 τῆς μεταφορᾶς). Jn solchen Schönheiten liegt der Zauber der Darstellung pba_681.029 Homers: „allem verleiht er Bewegung und Leben; pba_681.030 solche energische Anschaulichkeit aber ist Mimesis, ist künstlerische pba_681.031 Nachahmung“ (κινούμενα γὰρ καὶ ζῶντα ποιεῖ πάντα, ἡ pba_681.032 δ'ἐνέργεια μίμησις). pba_681.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0699" n="681"/><lb n="pba_681.001"/> vollgültiges Zeugnis ab. Dieselbe ist zugleich in hohem Grade geeignet, <lb n="pba_681.002"/> die allem Vorstehenden zu Grunde gelegte Auffassung von der „poetischen <lb n="pba_681.003"/> Nachahmung“ zu bekräftigen.</p> <p><lb n="pba_681.004"/><anchor xml:id="pba001"/> Jm dritten Buch seiner Rhetorik Kap. 10 und 11 erörtert Aristoteles <lb n="pba_681.005"/> die Methoden des schönen und des witzigen Ausdruckes. Als <lb n="pba_681.006"/> Mittel den Ausdruck wohlgefällig zu machen gilt ihm überhaupt jedes <lb n="pba_681.007"/> Verfahren, welches in <hi rendition="#g">größerer Kürze ein leichteres Verständnis</hi> <lb n="pba_681.008"/> herbeiführt. <anchor xml:id="pba002"/> <note targetEnd="#pba002" type="metapher" ana="#m1-0-2-0 #m1-2-3 #m1-3-1-2 #m1-4-1-4- #m1-10-1" target="#pba001"/> Es wird sich zeigen, daß er damit dasselbe meint, was wir <lb n="pba_681.009"/> im Deutschen unter der <hi rendition="#g">erhöhten Lebhaftigkeit</hi> des Verständnisses <lb n="pba_681.010"/> verstehen; eine solche ist naturgemäß erfreulich (<foreign xml:lang="grc">ἡδύ</foreign>). <anchor xml:id="pba003"/> Jede <hi rendition="#g">Vergleichung,</hi> <lb n="pba_681.011"/> ein jedes <hi rendition="#g">Bild,</hi> noch mehr eine jede <hi rendition="#g">Metapher,</hi> die <lb n="pba_681.012"/> gradezu für das Verglichene dasjenige einsetzt, womit es verglichen <lb n="pba_681.013"/> wird, dient diesem Zweck, ob sie nun die Art für die Gattung, <lb n="pba_681.014"/> die Gattung für die Art, eine Art für eine andere, oder ob sie das <lb n="pba_681.015"/> noch der Analogie sich ähnlich verhaltende für den eigentlichen Begriff <lb n="pba_681.016"/> setzt. <anchor xml:id="pba004"/> <note targetEnd="#pba004" type="metapher" ana="#m1-0-2-0 #m1-2-3 #m1-3-1-2 #m1-4-1-4 #m1-7-1-2 #m1-10-1" target="#pba003"/> Je kürzer der Weg ist, der dabei eingeschlagen wird, je mehr <lb n="pba_681.017"/> daher die Seele gezwungen ist nach dem Verständnis zu <hi rendition="#g">suchen</hi> und <hi rendition="#g">je <lb n="pba_681.018"/> schneller</hi> sie dabei durch die Methode des Ausdruckes zum Ziele geführt <lb n="pba_681.019"/> wird, desto schöner ist derselbe. <anchor xml:id="pba005"/> Die <hi rendition="#g">Antithese,</hi> die auf <hi rendition="#g">Analogie</hi> <lb n="pba_681.020"/> beruhende <hi rendition="#g">Metapher</hi> erfüllen jene Aufgabe in hervorragender Weise; <anchor xml:id="pba006"/> <note targetEnd="#pba006" type="metapher" ana="#m1-0-2-0 #m1-2-3 #m1-3-1-2 #m1-4-1-4 #m1-10-1" target="#pba005"/> <lb n="pba_681.021"/> außer ihnen die <hi rendition="#g">Anschaulichkeit</hi> des Ausdrucks, die die Dinge „<hi rendition="#g">vor <lb n="pba_681.022"/> Augen stellt</hi>“ (<foreign xml:lang="grc">τὸ πρὸ ὀμμάτων ποιεῖν</foreign>), die Aristoteles auch schlechtweg <lb n="pba_681.023"/> „<hi rendition="#g">Energie</hi>“ nennt, da sie nämlich die Dinge <hi rendition="#g">sich bethätigend</hi> vorführt <lb n="pba_681.024"/> (s. 1411<hi rendition="#sup">b</hi> 25: <foreign xml:lang="grc">λέγω δὴ πρὸ ὀμμάτων ταῦτα ποιεῖν, ὅσα</foreign> <lb n="pba_681.025"/> <foreign xml:lang="grc">ἐνεργοῦντα σημαίνει</foreign>). 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Hier sei nur das eine hervorgehoben, daß also nach des <lb n="pba_681.036"/> Aristoteles Meinung ein wesentlicher Teil der poetischen Schönheit auf <lb n="pba_681.037"/> dieser lebhaft energischen Anschaulichkeit beruht, die dem Zuhörer die <lb n="pba_681.038"/> Freude des schnellsten, leichtesten Erkennens gewährt, weil sich vermöge <lb n="pba_681.039"/> derselben das innerste Wesen der Dinge unmittelbar dem „Auge“ darstellt. <lb n="pba_681.040"/> Wenn er dieses Verfahren nun gradezu „<hi rendition="#g">Mimesis</hi>“ nennt, </p> </div> </body> </text> </TEI> [681/0699]
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vollgültiges Zeugnis ab. Dieselbe ist zugleich in hohem Grade geeignet, pba_681.002
die allem Vorstehenden zu Grunde gelegte Auffassung von der „poetischen pba_681.003
Nachahmung“ zu bekräftigen.
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Jm dritten Buch seiner Rhetorik Kap. 10 und 11 erörtert Aristoteles pba_681.005
die Methoden des schönen und des witzigen Ausdruckes. Als pba_681.006
Mittel den Ausdruck wohlgefällig zu machen gilt ihm überhaupt jedes pba_681.007
Verfahren, welches in größerer Kürze ein leichteres Verständnis pba_681.008
herbeiführt. Es wird sich zeigen, daß er damit dasselbe meint, was wir pba_681.009
im Deutschen unter der erhöhten Lebhaftigkeit des Verständnisses pba_681.010
verstehen; eine solche ist naturgemäß erfreulich (ἡδύ). Jede Vergleichung, pba_681.011
ein jedes Bild, noch mehr eine jede Metapher, die pba_681.012
gradezu für das Verglichene dasjenige einsetzt, womit es verglichen pba_681.013
wird, dient diesem Zweck, ob sie nun die Art für die Gattung, pba_681.014
die Gattung für die Art, eine Art für eine andere, oder ob sie das pba_681.015
noch der Analogie sich ähnlich verhaltende für den eigentlichen Begriff pba_681.016
setzt. Je kürzer der Weg ist, der dabei eingeschlagen wird, je mehr pba_681.017
daher die Seele gezwungen ist nach dem Verständnis zu suchen und je pba_681.018
schneller sie dabei durch die Methode des Ausdruckes zum Ziele geführt pba_681.019
wird, desto schöner ist derselbe. Die Antithese, die auf Analogie pba_681.020
beruhende Metapher erfüllen jene Aufgabe in hervorragender Weise; pba_681.021
außer ihnen die Anschaulichkeit des Ausdrucks, die die Dinge „vor pba_681.022
Augen stellt“ (τὸ πρὸ ὀμμάτων ποιεῖν), die Aristoteles auch schlechtweg pba_681.023
„Energie“ nennt, da sie nämlich die Dinge sich bethätigend vorführt pba_681.024
(s. 1411b 25: λέγω δὴ πρὸ ὀμμάτων ταῦτα ποιεῖν, ὅσα pba_681.025
ἐνεργοῦντα σημαίνει). Sie zeigt das Belebte in Handlung begriffen, pba_681.026
die das innere Wesen desselben kundgibt, sie verleiht dem Unbelebten pba_681.027
gleichnisweise Leben und Seele (τῷ τὰ ἄψυχα ἔμψυχα λέγειν διὰ pba_681.028
τῆς μεταφορᾶς). Jn solchen Schönheiten liegt der Zauber der Darstellung pba_681.029
Homers: „allem verleiht er Bewegung und Leben; pba_681.030
solche energische Anschaulichkeit aber ist Mimesis, ist künstlerische pba_681.031
Nachahmung“ (κινούμενα γὰρ καὶ ζῶντα ποιεῖ πάντα, ἡ pba_681.032
δ'ἐνέργεια μίμησις).
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Diese Sätze gewähren einen tiefen Einblick in die Kunstauffassung pba_681.034
des Aristoteles; sie möchten den Stoff zu einer eigenen Abhandlung pba_681.035
hergeben. Hier sei nur das eine hervorgehoben, daß also nach des pba_681.036
Aristoteles Meinung ein wesentlicher Teil der poetischen Schönheit auf pba_681.037
dieser lebhaft energischen Anschaulichkeit beruht, die dem Zuhörer die pba_681.038
Freude des schnellsten, leichtesten Erkennens gewährt, weil sich vermöge pba_681.039
derselben das innerste Wesen der Dinge unmittelbar dem „Auge“ darstellt. pba_681.040
Wenn er dieses Verfahren nun gradezu „Mimesis“ nennt,
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