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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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§. 12.
Fortsetzung. Behördenorganismus.

Auch der Organismus der Behörden, welche diese Geschäfte
zu besorgen hatten, erlitt sehr bedeutende Veränderungen. Es
trat eine eigene allgemeine Verwaltungsbehörde in dem
Missus regius (Sendgrafen) ins Leben1). Derselbe war ein
Gesandter, welchen der König in die Provinzen schickte zur Con-
trole der Kriegs-, Gerichts- und Finanzverwaltung, und zur
Vollführung ordentlicher und außerordentlicher Verwaltungsgeschäfte.
Er erscheint daher bald als oberster Beamter über den Herzögen
(wenn er nicht selbst Herzog war), Grafen und Centenarien zur
Controle und Ausführung der Verordnungen des Heerbanns2);
bald als lezte Instanz vor dem Könige im Gerichtswesen, an die
man gegen Grafen und Centenarien appellirte und Beschwerden
führte, und als Präsident von Landtagen (Placita) so wie von
anderen Gerichtssitzungen3); bald als oberster Beamter und Con-
troleur in der ganzen Steuerverwaltung, an den man gegen Be-
drückungen durch die Steuererheber Beschwerde führte, so wie als
oberster Controlbeamter in Strafangelegenheiten, und als höchste
Behörde in der Domänen- oder Kammerverwaltung, die selbst an-
ordnete, Befehle vollzog und den Mittel- und Unterbeamten auf
die Finger sah4). Die Mittel- und Unterbehörden des
Königs in der Kriegs-, Gerichts- und Steuerverwaltung waren
nicht ausschließlich, sondern gemischt die Grafen und Cente-
narien. Ausschließliche Unterbehörde in der Kammer- oder Do-
mänenverwaltung waren blos die Schaffner (villici, actores
u. dgl.), welche eine Villa sammt Zubehör (actio domestica) zu
verwalten hatten, und die Förster (forestarii), welche die
größeren Waldungen (foresta) beaufsichtigten, unter welchen noch
andere niedere Diener standen, und deren mehrere unter einem
Centenarius standen, der also ein Kreisaufseher im Domänenwesen
war5).

1) Ueber dessen Pflichten und Befugnisse handeln die Capitularia de legatione
omnium Missorum dominicorum,
nämlich Capitulare de a. 819. V. cap. 1. Ca-
pitull. Caroli M. et Ludovici pii. Lib. IV. Tit. 44.
bei Georgisch p. 853. et 1382.
Außerdem z. B. noch Capitul. de a. 789. II. 11. 19. bei Georgisch p. 576. Ca-
pitul. de a. 807. cap. 7.
bei Georgisch 736. Capit. I. de a. 812. bei Georgisch
759. Capit. V. de a. 819. cap. 1.
bei Georgisch p. 855 sq. Capit. de a. 823.
cap. 28.
bei Georgisch 884-886. Capitularia Caroli M. Lib. II. 26 bei Geor-
gisch
1335.
Hüllmann, Geschichte des Ursprungs der Stände. §. 11. v. Löw
a. a. O. S. 123. 151.
2) Eichhorn, deutsche St. und R. Gesch. I. §. 166.
3) Eichhorn, a. a. O. I. §. 164.

§. 12.
Fortſetzung. Behördenorganismus.

Auch der Organismus der Behörden, welche dieſe Geſchäfte
zu beſorgen hatten, erlitt ſehr bedeutende Veränderungen. Es
trat eine eigene allgemeine Verwaltungsbehörde in dem
Missus regius (Sendgrafen) ins Leben1). Derſelbe war ein
Geſandter, welchen der König in die Provinzen ſchickte zur Con-
trole der Kriegs-, Gerichts- und Finanzverwaltung, und zur
Vollführung ordentlicher und außerordentlicher Verwaltungsgeſchäfte.
Er erſcheint daher bald als oberſter Beamter über den Herzögen
(wenn er nicht ſelbſt Herzog war), Grafen und Centenarien zur
Controle und Ausführung der Verordnungen des Heerbanns2);
bald als lezte Inſtanz vor dem Könige im Gerichtsweſen, an die
man gegen Grafen und Centenarien appellirte und Beſchwerden
führte, und als Präſident von Landtagen (Placita) ſo wie von
anderen Gerichtsſitzungen3); bald als oberſter Beamter und Con-
troleur in der ganzen Steuerverwaltung, an den man gegen Be-
drückungen durch die Steuererheber Beſchwerde führte, ſo wie als
oberſter Controlbeamter in Strafangelegenheiten, und als höchſte
Behörde in der Domänen- oder Kammerverwaltung, die ſelbſt an-
ordnete, Befehle vollzog und den Mittel- und Unterbeamten auf
die Finger ſah4). Die Mittel- und Unterbehörden des
Königs in der Kriegs-, Gerichts- und Steuerverwaltung waren
nicht ausſchließlich, ſondern gemiſcht die Grafen und Cente-
narien. Ausſchließliche Unterbehörde in der Kammer- oder Do-
mänenverwaltung waren blos die Schaffner (villici, actores
u. dgl.), welche eine Villa ſammt Zubehör (actio domestica) zu
verwalten hatten, und die Förſter (forestarii), welche die
größeren Waldungen (foresta) beaufſichtigten, unter welchen noch
andere niedere Diener ſtanden, und deren mehrere unter einem
Centenarius ſtanden, der alſo ein Kreisaufſeher im Domänenweſen
war5).

1) Ueber deſſen Pflichten und Befugniſſe handeln die Capitularia de legatione
omnium Missorum dominicorum,
nämlich Capitulare de a. 819. V. cap. 1. Ca-
pitull. Caroli M. et Ludovici pii. Lib. IV. Tit. 44.
bei Georgisch p. 853. et 1382.
Außerdem z. B. noch Capitul. de a. 789. II. 11. 19. bei Georgisch p. 576. Ca-
pitul. de a. 807. cap. 7.
bei Georgisch 736. Capit. I. de a. 812. bei Georgisch
759. Capit. V. de a. 819. cap. 1.
bei Georgisch p. 855 sq. Capit. de a. 823.
cap. 28.
bei Georgisch 884–886. Capitularia Caroli M. Lib. II. 26 bei Geor-
gisch
1335.
Hüllmann, Geſchichte des Urſprungs der Stände. §. 11. v. Löw
a. a. O. S. 123. 151.
2) Eichhorn, deutſche St. und R. Geſch. I. §. 166.
3) Eichhorn, a. a. O. I. §. 164.

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[14/0036] §. 12. Fortſetzung. Behördenorganismus. Auch der Organismus der Behörden, welche dieſe Geſchäfte zu beſorgen hatten, erlitt ſehr bedeutende Veränderungen. Es trat eine eigene allgemeine Verwaltungsbehörde in dem Missus regius (Sendgrafen) ins Leben1). Derſelbe war ein Geſandter, welchen der König in die Provinzen ſchickte zur Con- trole der Kriegs-, Gerichts- und Finanzverwaltung, und zur Vollführung ordentlicher und außerordentlicher Verwaltungsgeſchäfte. Er erſcheint daher bald als oberſter Beamter über den Herzögen (wenn er nicht ſelbſt Herzog war), Grafen und Centenarien zur Controle und Ausführung der Verordnungen des Heerbanns2); bald als lezte Inſtanz vor dem Könige im Gerichtsweſen, an die man gegen Grafen und Centenarien appellirte und Beſchwerden führte, und als Präſident von Landtagen (Placita) ſo wie von anderen Gerichtsſitzungen3); bald als oberſter Beamter und Con- troleur in der ganzen Steuerverwaltung, an den man gegen Be- drückungen durch die Steuererheber Beſchwerde führte, ſo wie als oberſter Controlbeamter in Strafangelegenheiten, und als höchſte Behörde in der Domänen- oder Kammerverwaltung, die ſelbſt an- ordnete, Befehle vollzog und den Mittel- und Unterbeamten auf die Finger ſah4). Die Mittel- und Unterbehörden des Königs in der Kriegs-, Gerichts- und Steuerverwaltung waren nicht ausſchließlich, ſondern gemiſcht die Grafen und Cente- narien. Ausſchließliche Unterbehörde in der Kammer- oder Do- mänenverwaltung waren blos die Schaffner (villici, actores u. dgl.), welche eine Villa ſammt Zubehör (actio domestica) zu verwalten hatten, und die Förſter (forestarii), welche die größeren Waldungen (foresta) beaufſichtigten, unter welchen noch andere niedere Diener ſtanden, und deren mehrere unter einem Centenarius ſtanden, der alſo ein Kreisaufſeher im Domänenweſen war5). ¹⁾ Ueber deſſen Pflichten und Befugniſſe handeln die Capitularia de legatione omnium Missorum dominicorum, nämlich Capitulare de a. 819. V. cap. 1. Ca- pitull. Caroli M. et Ludovici pii. Lib. IV. Tit. 44. bei Georgisch p. 853. et 1382. Außerdem z. B. noch Capitul. de a. 789. II. 11. 19. bei Georgisch p. 576. Ca- pitul. de a. 807. cap. 7. bei Georgisch 736. Capit. I. de a. 812. bei Georgisch 759. Capit. V. de a. 819. cap. 1. bei Georgisch p. 855 sq. Capit. de a. 823. cap. 28. bei Georgisch 884–886. Capitularia Caroli M. Lib. II. 26 bei Geor- gisch 1335. Hüllmann, Geſchichte des Urſprungs der Stände. §. 11. v. Löw a. a. O. S. 123. 151. ²⁾ Eichhorn, deutſche St. und R. Geſch. I. §. 166. ³⁾ Eichhorn, a. a. O. I. §. 164.

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/36>, abgerufen am 09.11.2024.