Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895.bei dem Stande der Dinge nicht schwer war. Die Kammer berieth währenddem Die Haltung der Nationalversammlung auf der einen, die Haltung des Zwar trat die Kammer am 27. November, den Anordnungen des Ministe- Der Hauptakt in dem ersten revolutionären Drama Preußens war ohne bei dem Stande der Dinge nicht schwer war. Die Kammer berieth währenddem Die Haltung der Nationalversammlung auf der einen, die Haltung des Zwar trat die Kammer am 27. November, den Anordnungen des Ministe- Der Hauptakt in dem ersten revolutionären Drama Preußens war ohne <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="11"/> bei dem Stande der Dinge nicht schwer war. Die Kammer berieth währenddem<lb/> die neue Verfassung und die verschiedensten anderen Materien, wie sie der Tag<lb/> brachte, und verschärfte durch eine Anzahl ihrer Beschlüsse die Gegnerschaft der<lb/> reaktionären Kreise. Diese setzten namentlich in den Ostprovinzen alle Hebel in<lb/> Bewegung, um die gegenrevolutionäre Strömung zu einer Macht zu steigern. Vor<lb/> allem aber handelte es sich darum, die Armee zur Verfügung zu haben, damit<lb/> diese im entscheidenden Augenblicke eingreifen könne. So wurde (26. August 1848<lb/> ) mit Dänemark der schmachvolle Waffenstillstand zu Malmö geschlossen, der ermög-<lb/> lichte, die Armee zurückzuführen, die bald darauf unter dem Kommando Wrangel's<lb/> um Berlin Aufstellung nahm.</p><lb/> <p>Die Haltung der Nationalversammlung auf der einen, die Haltung des<lb/> Hofes auf der anderen Seite, nöthigte das Ministerium Auerswald, bereits am<lb/> 11. September zurückzutreten, um dem Ministerium Pfuel, das als ein solches der<lb/> gemäßigten Rechten galt, den Platz zu räumen. Die Nationalversammlung tagte<lb/> ruhig weiter. Sie berieth ein neues Jagdgesetz, ein Gesetz über die Sistirung der<lb/> Ablösungsverhältnisse und beschloß bei der Spezialberathung der neuen Verfassung<lb/> die Beseitigung des Titels „von Gottes Gnaden“ und die Abschaffung des Adels<lb/> und der Orden und Titel. Darüber war der König tief empört und gab seiner<lb/> Stimmung entsprechenden Ausdruck. Die Situation wurde noch bedenklicher durch<lb/> einen blutigen Konflikt zwischen den Arbeitern und der Bürgerwehr, den man<lb/> seitens der letzteren auf ein „Mißverständniß“ zurückzuführen suchte. Die Konflikte<lb/> wiederholten sich aber am 26. Oktober. Wenige Tage später (den 31. Oktober)<lb/> war Wien den Kanonen des Fürsten Windischgrätz unterlegen, eine Nachricht, die,<lb/> als sie in Berlin eintraf, Volk und Kammer in die höchste Aufregung versetzten,<lb/> aber im Lager der Reaktion den größten Jubel hervorrief. Die Forderung der<lb/> Kammer an die Regierung, die Sache Wiens bei der österreichischen Regierung<lb/> mit allen Mitteln zu vertreten, war das Signal für die Reaktion, die Maske ab-<lb/> zuwerfen. Das Ministerium Pfuel erhielt den Abschied und Brandenburg-Man-<lb/> teuffel, die Häupter der Junkerpartei, übernahmen die Regierung. Am 9. November<lb/> wurde der Kammer mitgetheilt, daß ihre sofortige Verlegung nach Brandenburg<lb/> stattzufinden habe, woselbst sie am 27. zur Berathung zusammentreten sollte. Es<lb/> galt die Kammer den Einflüssen der Berliner Bevölkerung zu entziehen. Die<lb/> große Mehrheit der Kammer widersetzte sich und tagte, als sie ihr Sitzungslokal<lb/> geschlossen fand, in anderen Lokalen weiter. Jetzt stellte das Ministerium an den<lb/> Kommandanten der Bürgergarde die freche Zumuthung, die Versammlung aus-<lb/> einander zu treiben. Dieser weigerte sich, der Aufforderung zu gehorchen. Die<lb/> Antwort war die Auflösung der Bürgergarde am 12. November. Tausende von<lb/> Arbeitern, die sich zum Schutz der Nationalversammlung erboten hatten und Waffen<lb/> verlangten, wurden von dem Präsidenten derselben, Herrn v. Unruh, zurück-<lb/> gewiesen mit dem Bemerken: man werde sich mit dem passiven Widerstande be-<lb/> gnügen. Noch an demselben Tage, am 10. November, rückte Wrangel an der<lb/> Spitze von 20000 Mann in Berlin ein und ließ die Nationalversammlung aus-<lb/> einandertreiben, nachdem dieselbe noch kurz zuvor den Beschluß gefaßt hatte: die<lb/> Bürger aufzufordern, die Steuern zu verweigern.</p><lb/> <p>Zwar trat die Kammer am 27. November, den Anordnungen des Ministe-<lb/> riums gemäß, aufs Neue in Brandenburg zusammen, aber am 5. Dezember ereilte<lb/> sie bereits die Auflösung, und am 6. Dezember erschien ein neues Wahlgesetz, das<lb/> die vom bisherigen Gesetz abweichende Bestimmung enthielt, daß der Wähler<lb/> „selbständig“ sein müsse, wodurch ca. 700000 bisherigen Wählern das Wahlrecht<lb/> entzogen wurde. Jmmerhin war dieses Wahlrecht noch weit radikaler als das<lb/> kurz darauf eingeführte Dreiklassen-Wahlrecht. Gleichzeitig berief die Regierung die<lb/> neuen Kammern auf den 26. Februar 1849 nach Berlin, um die von ihr gleich-<lb/> falls oktroyirte Verfassung zu „revidiren“.</p><lb/> <p>Der Hauptakt in dem ersten revolutionären Drama Preußens war ohne<lb/> Sang und Klang zu Ende. Der „passive Widerstand“ war die Losung des<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0015]
bei dem Stande der Dinge nicht schwer war. Die Kammer berieth währenddem
die neue Verfassung und die verschiedensten anderen Materien, wie sie der Tag
brachte, und verschärfte durch eine Anzahl ihrer Beschlüsse die Gegnerschaft der
reaktionären Kreise. Diese setzten namentlich in den Ostprovinzen alle Hebel in
Bewegung, um die gegenrevolutionäre Strömung zu einer Macht zu steigern. Vor
allem aber handelte es sich darum, die Armee zur Verfügung zu haben, damit
diese im entscheidenden Augenblicke eingreifen könne. So wurde (26. August 1848
) mit Dänemark der schmachvolle Waffenstillstand zu Malmö geschlossen, der ermög-
lichte, die Armee zurückzuführen, die bald darauf unter dem Kommando Wrangel's
um Berlin Aufstellung nahm.
Die Haltung der Nationalversammlung auf der einen, die Haltung des
Hofes auf der anderen Seite, nöthigte das Ministerium Auerswald, bereits am
11. September zurückzutreten, um dem Ministerium Pfuel, das als ein solches der
gemäßigten Rechten galt, den Platz zu räumen. Die Nationalversammlung tagte
ruhig weiter. Sie berieth ein neues Jagdgesetz, ein Gesetz über die Sistirung der
Ablösungsverhältnisse und beschloß bei der Spezialberathung der neuen Verfassung
die Beseitigung des Titels „von Gottes Gnaden“ und die Abschaffung des Adels
und der Orden und Titel. Darüber war der König tief empört und gab seiner
Stimmung entsprechenden Ausdruck. Die Situation wurde noch bedenklicher durch
einen blutigen Konflikt zwischen den Arbeitern und der Bürgerwehr, den man
seitens der letzteren auf ein „Mißverständniß“ zurückzuführen suchte. Die Konflikte
wiederholten sich aber am 26. Oktober. Wenige Tage später (den 31. Oktober)
war Wien den Kanonen des Fürsten Windischgrätz unterlegen, eine Nachricht, die,
als sie in Berlin eintraf, Volk und Kammer in die höchste Aufregung versetzten,
aber im Lager der Reaktion den größten Jubel hervorrief. Die Forderung der
Kammer an die Regierung, die Sache Wiens bei der österreichischen Regierung
mit allen Mitteln zu vertreten, war das Signal für die Reaktion, die Maske ab-
zuwerfen. Das Ministerium Pfuel erhielt den Abschied und Brandenburg-Man-
teuffel, die Häupter der Junkerpartei, übernahmen die Regierung. Am 9. November
wurde der Kammer mitgetheilt, daß ihre sofortige Verlegung nach Brandenburg
stattzufinden habe, woselbst sie am 27. zur Berathung zusammentreten sollte. Es
galt die Kammer den Einflüssen der Berliner Bevölkerung zu entziehen. Die
große Mehrheit der Kammer widersetzte sich und tagte, als sie ihr Sitzungslokal
geschlossen fand, in anderen Lokalen weiter. Jetzt stellte das Ministerium an den
Kommandanten der Bürgergarde die freche Zumuthung, die Versammlung aus-
einander zu treiben. Dieser weigerte sich, der Aufforderung zu gehorchen. Die
Antwort war die Auflösung der Bürgergarde am 12. November. Tausende von
Arbeitern, die sich zum Schutz der Nationalversammlung erboten hatten und Waffen
verlangten, wurden von dem Präsidenten derselben, Herrn v. Unruh, zurück-
gewiesen mit dem Bemerken: man werde sich mit dem passiven Widerstande be-
gnügen. Noch an demselben Tage, am 10. November, rückte Wrangel an der
Spitze von 20000 Mann in Berlin ein und ließ die Nationalversammlung aus-
einandertreiben, nachdem dieselbe noch kurz zuvor den Beschluß gefaßt hatte: die
Bürger aufzufordern, die Steuern zu verweigern.
Zwar trat die Kammer am 27. November, den Anordnungen des Ministe-
riums gemäß, aufs Neue in Brandenburg zusammen, aber am 5. Dezember ereilte
sie bereits die Auflösung, und am 6. Dezember erschien ein neues Wahlgesetz, das
die vom bisherigen Gesetz abweichende Bestimmung enthielt, daß der Wähler
„selbständig“ sein müsse, wodurch ca. 700000 bisherigen Wählern das Wahlrecht
entzogen wurde. Jmmerhin war dieses Wahlrecht noch weit radikaler als das
kurz darauf eingeführte Dreiklassen-Wahlrecht. Gleichzeitig berief die Regierung die
neuen Kammern auf den 26. Februar 1849 nach Berlin, um die von ihr gleich-
falls oktroyirte Verfassung zu „revidiren“.
Der Hauptakt in dem ersten revolutionären Drama Preußens war ohne
Sang und Klang zu Ende. Der „passive Widerstand“ war die Losung des
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(2018-10-30T15:09:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
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