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Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

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Seelen-Weißheit.
34. Phil. Was schöpfft die Seel vor Erkänntnüß
ausvorhergehendem/ vor sich selbsten?

Psych. Daß sie weiß/ daß sie ist/ und andere hohe
und kleine Creaturen neben ihr/ daß eine erste Ur-
sach/ GOtt/ vor und über sie sey/ alles regiere/ gut
und weißlich erhalte/ daß die Seel in dem mensch-
liche Leibe sey/ und nach der Natur und Zustand des-
sen wircken und leiden/ auch daß sie einmal wieder
daraus scheiden müsse. Was dann die erste Ur-
sach (GOtt/) über sie verhenget/ ob sie wieder in
andere schlechtere oder bessere Leiber/ oder in ih-
rem abgesonderten Stande/ oder in ihrem eignen
Leibe gelassen werde/ das weiß sie in diesem Stand
ihrer Erkänntnüß nicht eigendlich.

35. Phil. Was ist aber der Seelen Absehen
hierinn?

Psych. Die Seel/ wann sie ihrem vollkommlichen
Verstande folget/ sucht nicht zu grübelen/ was sie
vor der Vereinigung mit dem Leibe gewesen/ noch
was sie nach Absonderung von demselben werden
werde/ sondern stellt es der ersten Ursache aller Ur-
sachen/ GOtt/ heim/ als der gut ist/ und sucht viel-
mehr in Vereinigung des Leibes also zu leben/ wie
es ihre Natur erfordert/ sich deß Leibs halben nicht
zu viel zu bemühen/ noch dessentwegen zu viel zu
leiden/ weil sie doch weiß/ daß sie davon scheiden
muß/ und hierinn ist ihr Vergnügen.

Die
Seelen-Weißheit.
34. Phil. Was ſchoͤpfft die Seel vor Erkaͤnntnuͤß
ausvorhergehendem/ vor ſich ſelbſten?

Pſych. Daß ſie weiß/ daß ſie iſt/ und andere hohe
und kleine Creaturen neben ihr/ daß eine erſte Ur-
ſach/ GOtt/ vor und uͤber ſie ſey/ alles regiere/ gut
und weißlich erhalte/ daß die Seel in dem menſch-
liche Leibe ſey/ uñ nach der Natur und Zuſtand deſ-
ſen wircken und leiden/ auch daß ſie einmal wieder
daraus ſcheiden muͤſſe. Was dann die erſte Ur-
ſach (GOtt/) uͤber ſie verhenget/ ob ſie wieder in
andere ſchlechtere oder beſſere Leiber/ oder in ih-
rem abgeſonderten Stande/ oder in ihrem eignen
Leibe gelaſſen werde/ das weiß ſie in dieſem Stand
ihrer Erkaͤnntnuͤß nicht eigendlich.

35. Phil. Was iſt aber der Seelen Abſehen
hierinn?

Pſych. Die Seel/ wann ſie ihrem vollkommlichen
Verſtande folget/ ſucht nicht zu gruͤbelen/ was ſie
vor der Vereinigung mit dem Leibe geweſen/ noch
was ſie nach Abſonderung von demſelben werden
werde/ ſondern ſtellt es der erſten Urſache aller Ur-
ſachen/ GOtt/ heim/ als der gut iſt/ und ſucht viel-
mehr in Vereinigung des Leibes alſo zu leben/ wie
es ihre Natur erfordert/ ſich deß Leibs halben nicht
zu viel zu bemuͤhen/ noch deſſentwegen zu viel zu
leiden/ weil ſie doch weiß/ daß ſie davon ſcheiden
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Die
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[23/0081] Seelen-Weißheit. 34. Phil. Was ſchoͤpfft die Seel vor Erkaͤnntnuͤß ausvorhergehendem/ vor ſich ſelbſten? Pſych. Daß ſie weiß/ daß ſie iſt/ und andere hohe und kleine Creaturen neben ihr/ daß eine erſte Ur- ſach/ GOtt/ vor und uͤber ſie ſey/ alles regiere/ gut und weißlich erhalte/ daß die Seel in dem menſch- liche Leibe ſey/ uñ nach der Natur und Zuſtand deſ- ſen wircken und leiden/ auch daß ſie einmal wieder daraus ſcheiden muͤſſe. Was dann die erſte Ur- ſach (GOtt/) uͤber ſie verhenget/ ob ſie wieder in andere ſchlechtere oder beſſere Leiber/ oder in ih- rem abgeſonderten Stande/ oder in ihrem eignen Leibe gelaſſen werde/ das weiß ſie in dieſem Stand ihrer Erkaͤnntnuͤß nicht eigendlich. 35. Phil. Was iſt aber der Seelen Abſehen hierinn? Pſych. Die Seel/ wann ſie ihrem vollkommlichen Verſtande folget/ ſucht nicht zu gruͤbelen/ was ſie vor der Vereinigung mit dem Leibe geweſen/ noch was ſie nach Abſonderung von demſelben werden werde/ ſondern ſtellt es der erſten Urſache aller Ur- ſachen/ GOtt/ heim/ als der gut iſt/ und ſucht viel- mehr in Vereinigung des Leibes alſo zu leben/ wie es ihre Natur erfordert/ ſich deß Leibs halben nicht zu viel zu bemuͤhen/ noch deſſentwegen zu viel zu leiden/ weil ſie doch weiß/ daß ſie davon ſcheiden muß/ und hierinn iſt ihr Vergnuͤgen. Die

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Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/81>, abgerufen am 29.11.2024.