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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Semiten.
zahlreiche und grossartige Bauten und alte Götterbilder erwähnt, sehen
wir, dass bereits ein geordnetes Gewichtsystem existierte, ja, dass sogar
eine Bronzestatue aus der Zeit um 2000 v. Chr. aufgefunden worden
ist, so muss eine entwickelte Technik in dem südlichen Euphratgebiete
im dritten Jahrtausend vor Christi bereits vorhanden gewesen sein.

Die Bauthätigkeit entfaltet sich grossartiger unter der Herrschaft
des alten Babylon. Von Hammurabi wird namentlich berichtet, dass
er einen grossen Kanal, den "Nahar-Hammurabi", erbaute, der den
Ländern der Akkad und Sumir reichliches Wasser zuführte; an der
Mündung des Kanals baute er eine starke Festung mit Türmen "so
hoch wie Berge".

Die ältere Geschichte des babylonischen Reiches ist lückenhaft
und noch vielfach in Dunkel gehüllt. Es genügt zu erwähnen, dass im
fünfzehnten Jahrhundert im Nord-Osten am oberen Tigris Assyrien
sich zu selbständiger Macht erhob, dass Babylon mit diesem bald in
Kriege verwickelt wurde, die unaufhörlich mit wechselndem Glück bis
zum Jahre 850 v. Chr. fortgeführt wurden, in welchem Jahre Babylon
durch den siegreichen Salmanassar II. in Abhängigkeit gebracht wurde.

Dagegen verdient die Geschichte Assyriens, die durch die merk-
würdigen Entdeckungen von Botta, Layard und Anderen, sowie durch
die Entzifferung der Keilschriften durch Rowlinson und seine Nach-
folger in den letzten 40 Jahren erst enthüllt worden ist, eine kurze
Betrachtung. Als Sagen erkennen wir jetzt die bekannten Erzählungen
von Ninus und Semiramis, die uns Diodor aus den älteren Schriften
des Ktesias und Klytarch überliefert hat und die ihren Ursprung in
medopersischen Märchen und Gesängen haben. Die Geschichte des
Ninus und der Semiramis ist ein poetisches Gewebe aus mythologischen
und historischen Reminiszenzen. Bemerkenswert bleibt immerhin,
dass auch in diesen Überlieferungen die Bauthätigkeit der beiden
Herrscher, von denen Ninus als Gründer von Niniveh, Semiramis, die
gewaltigere, als Gründerin Babylons gefeiert wird und der viele Bauten
zugeschrieben werden, deren Ursprung in späterer historischer Zeit
sich jetzt erweisen lässt, eine so grosse Rolle spielt. Wie Ninus durch
die spätere Sage der Bau der Stadt Niniveh zugeschrieben wird, die
nach Diodor ein längliches Viereck von 150 Stadien Länge, 90 Stadien
Breite, 480 Stadien Umfang bildete, und mit Umfassungsmauern von
100 Fuss Höhe und einem Wallgang für drei doppelspännige Wagen,
unterbrochen von 1500 Türmen von je 200 Fuss Höhe, umgeben war,
so wird der gewaltigen Semiramis mit der Gründung der Stadt Babylon,
der Bau der riesigen Umfassungsmauern, der zwei Königsburgen, der

Die Semiten.
zahlreiche und groſsartige Bauten und alte Götterbilder erwähnt, sehen
wir, daſs bereits ein geordnetes Gewichtsystem existierte, ja, daſs sogar
eine Bronzestatue aus der Zeit um 2000 v. Chr. aufgefunden worden
ist, so muſs eine entwickelte Technik in dem südlichen Euphratgebiete
im dritten Jahrtausend vor Christi bereits vorhanden gewesen sein.

Die Bauthätigkeit entfaltet sich groſsartiger unter der Herrschaft
des alten Babylon. Von Hammurabi wird namentlich berichtet, daſs
er einen groſsen Kanal, den „Nahar-Hammurabi“, erbaute, der den
Ländern der Akkad und Sumir reichliches Wasser zuführte; an der
Mündung des Kanals baute er eine starke Festung mit Türmen „so
hoch wie Berge“.

Die ältere Geschichte des babylonischen Reiches ist lückenhaft
und noch vielfach in Dunkel gehüllt. Es genügt zu erwähnen, daſs im
fünfzehnten Jahrhundert im Nord-Osten am oberen Tigris Assyrien
sich zu selbständiger Macht erhob, daſs Babylon mit diesem bald in
Kriege verwickelt wurde, die unaufhörlich mit wechselndem Glück bis
zum Jahre 850 v. Chr. fortgeführt wurden, in welchem Jahre Babylon
durch den siegreichen Salmanassar II. in Abhängigkeit gebracht wurde.

Dagegen verdient die Geschichte Assyriens, die durch die merk-
würdigen Entdeckungen von Botta, Layard und Anderen, sowie durch
die Entzifferung der Keilschriften durch Rowlinson und seine Nach-
folger in den letzten 40 Jahren erst enthüllt worden ist, eine kurze
Betrachtung. Als Sagen erkennen wir jetzt die bekannten Erzählungen
von Ninus und Semiramis, die uns Diodor aus den älteren Schriften
des Ktesias und Klytarch überliefert hat und die ihren Ursprung in
medopersischen Märchen und Gesängen haben. Die Geschichte des
Ninus und der Semiramis ist ein poetisches Gewebe aus mythologischen
und historischen Reminiszenzen. Bemerkenswert bleibt immerhin,
daſs auch in diesen Überlieferungen die Bauthätigkeit der beiden
Herrscher, von denen Ninus als Gründer von Niniveh, Semiramis, die
gewaltigere, als Gründerin Babylons gefeiert wird und der viele Bauten
zugeschrieben werden, deren Ursprung in späterer historischer Zeit
sich jetzt erweisen läſst, eine so groſse Rolle spielt. Wie Ninus durch
die spätere Sage der Bau der Stadt Niniveh zugeschrieben wird, die
nach Diodor ein längliches Viereck von 150 Stadien Länge, 90 Stadien
Breite, 480 Stadien Umfang bildete, und mit Umfassungsmauern von
100 Fuſs Höhe und einem Wallgang für drei doppelspännige Wagen,
unterbrochen von 1500 Türmen von je 200 Fuſs Höhe, umgeben war,
so wird der gewaltigen Semiramis mit der Gründung der Stadt Babylon,
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[108/0130] Die Semiten. zahlreiche und groſsartige Bauten und alte Götterbilder erwähnt, sehen wir, daſs bereits ein geordnetes Gewichtsystem existierte, ja, daſs sogar eine Bronzestatue aus der Zeit um 2000 v. Chr. aufgefunden worden ist, so muſs eine entwickelte Technik in dem südlichen Euphratgebiete im dritten Jahrtausend vor Christi bereits vorhanden gewesen sein. Die Bauthätigkeit entfaltet sich groſsartiger unter der Herrschaft des alten Babylon. Von Hammurabi wird namentlich berichtet, daſs er einen groſsen Kanal, den „Nahar-Hammurabi“, erbaute, der den Ländern der Akkad und Sumir reichliches Wasser zuführte; an der Mündung des Kanals baute er eine starke Festung mit Türmen „so hoch wie Berge“. Die ältere Geschichte des babylonischen Reiches ist lückenhaft und noch vielfach in Dunkel gehüllt. Es genügt zu erwähnen, daſs im fünfzehnten Jahrhundert im Nord-Osten am oberen Tigris Assyrien sich zu selbständiger Macht erhob, daſs Babylon mit diesem bald in Kriege verwickelt wurde, die unaufhörlich mit wechselndem Glück bis zum Jahre 850 v. Chr. fortgeführt wurden, in welchem Jahre Babylon durch den siegreichen Salmanassar II. in Abhängigkeit gebracht wurde. Dagegen verdient die Geschichte Assyriens, die durch die merk- würdigen Entdeckungen von Botta, Layard und Anderen, sowie durch die Entzifferung der Keilschriften durch Rowlinson und seine Nach- folger in den letzten 40 Jahren erst enthüllt worden ist, eine kurze Betrachtung. Als Sagen erkennen wir jetzt die bekannten Erzählungen von Ninus und Semiramis, die uns Diodor aus den älteren Schriften des Ktesias und Klytarch überliefert hat und die ihren Ursprung in medopersischen Märchen und Gesängen haben. Die Geschichte des Ninus und der Semiramis ist ein poetisches Gewebe aus mythologischen und historischen Reminiszenzen. Bemerkenswert bleibt immerhin, daſs auch in diesen Überlieferungen die Bauthätigkeit der beiden Herrscher, von denen Ninus als Gründer von Niniveh, Semiramis, die gewaltigere, als Gründerin Babylons gefeiert wird und der viele Bauten zugeschrieben werden, deren Ursprung in späterer historischer Zeit sich jetzt erweisen läſst, eine so groſse Rolle spielt. Wie Ninus durch die spätere Sage der Bau der Stadt Niniveh zugeschrieben wird, die nach Diodor ein längliches Viereck von 150 Stadien Länge, 90 Stadien Breite, 480 Stadien Umfang bildete, und mit Umfassungsmauern von 100 Fuſs Höhe und einem Wallgang für drei doppelspännige Wagen, unterbrochen von 1500 Türmen von je 200 Fuſs Höhe, umgeben war, so wird der gewaltigen Semiramis mit der Gründung der Stadt Babylon, der Bau der riesigen Umfassungsmauern, der zwei Königsburgen, der

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/130>, abgerufen am 28.04.2024.