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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Semiten.
Kolonieen und Häfen, so namentlich die Stadt Gerrha am persischen
Meerbusen und Teredon am Ausfluss des Euphrat, wodurch er einen
kürzeren Handelsweg nach Indien schuf und hierdurch den Phöniziern
viel Eintrag that. In Babylon machte er herrliche Parkanlagen, das Para-
dies des Nebukadnezar, bekannt als die hängenden Gärten der Semiramis.
Am grossartigsten aber waren die Befestigungsbauten Nebukadnezars.
Gegen Medien legte er eine lange Verteidigungslinie, die sogenannte
medische Mauer an, die nördlich von Sippara sich an den Euphrat
anschloss. Babylon umgab er mit einer festen Mauer, die nach Hero-
dots Beschreibung 50 babylonische Ellen stark und 200 Ellen hoch
war. In dieser Mauer waren hundert Thore, sämtlich von Erz und
mit eisernen Pfosten. Nebukadnezar starb 561.

Auch diese letzte Blüte semitischer Grossmacht war nur von
kurzer Dauer. Die schwachen Nachfolger des grossen Nebukadnezars
konnten sein Reich gegen den Andrang der jugendlichen medo-persi-
schen Macht nicht behaupten. Das stolze Babel fiel vor dem siegreichen
Cyrus nur 25 Jahre nach Nebukadnezars Tod. Die semitische Macht
über Asien war für Jahrtausende vernichtet. Die arische Rasse trat
die reiche Erbschaft an.

Wir haben uns etwas weitläufig über die alte Geschichte Assyriens
und Babyloniens verbreitet, weil die dargestellten Thatsachen zum
grossen Teil erst durch neuere Forschungen ans Licht gekommen sind.
Aus dem Mitgeteilten geht bereits hervor, dass Assyrien auf keiner ge-
ringen Stufe technischer Bildung gestanden haben muss. Vor allem
haben wir schon angedeutet, wie jeder der kräftigen Herrscher Assyriens
seine Herrschaft durch gewaltige Bauten zu schmücken und zu ver-
ewigen sucht. Schon bei den alten Völkern Mesopotamiens wird über
grossartige Bauwerke berichtet. Um 2300 v. Chr. errichteten Fürsten
von Erech Tempel, die sie mit Bildern der Götter schmückten. Die
Trümmer von Ur sind aufgefunden, der ältesten chaldäischen Stadt,
die wir kennen. Dort liegen auch die Trümmer des berühmten Tempels
des Sonnengottes. Die Stempel auf den Ziegeln des Unterbaues be-
weisen das, sie lauten: "Uruk, König von Ur, hat dem Gotte Sin diesen
Tempel errichtet."

Hammurabi und alle seine Nachfolger verherrlichten ihren Ruhm
durch mächtige Bauten in Babylon, während die gewaltigen Fürsten in
Assyrien nicht zurückstanden und Niniveh mit riesigen Palastbauten
erfüllten. Die Trümmer dieser Bauwerke, die lange verschüttet lagen
und von den muhamedanischen Bewohnern als Werke der bösen Geister
mit abergläubischer Furcht gemieden wurden, sind reiche Fundstätten

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Die Semiten.
Kolonieen und Häfen, so namentlich die Stadt Gerrha am persischen
Meerbusen und Teredon am Ausfluſs des Euphrat, wodurch er einen
kürzeren Handelsweg nach Indien schuf und hierdurch den Phöniziern
viel Eintrag that. In Babylon machte er herrliche Parkanlagen, das Para-
dies des Nebukadnezar, bekannt als die hängenden Gärten der Semiramis.
Am groſsartigsten aber waren die Befestigungsbauten Nebukadnezars.
Gegen Medien legte er eine lange Verteidigungslinie, die sogenannte
medische Mauer an, die nördlich von Sippara sich an den Euphrat
anschloſs. Babylon umgab er mit einer festen Mauer, die nach Hero-
dots Beschreibung 50 babylonische Ellen stark und 200 Ellen hoch
war. In dieser Mauer waren hundert Thore, sämtlich von Erz und
mit eisernen Pfosten. Nebukadnezar starb 561.

Auch diese letzte Blüte semitischer Groſsmacht war nur von
kurzer Dauer. Die schwachen Nachfolger des groſsen Nebukadnezars
konnten sein Reich gegen den Andrang der jugendlichen medo-persi-
schen Macht nicht behaupten. Das stolze Babel fiel vor dem siegreichen
Cyrus nur 25 Jahre nach Nebukadnezars Tod. Die semitische Macht
über Asien war für Jahrtausende vernichtet. Die arische Rasse trat
die reiche Erbschaft an.

Wir haben uns etwas weitläufig über die alte Geschichte Assyriens
und Babyloniens verbreitet, weil die dargestellten Thatsachen zum
groſsen Teil erst durch neuere Forschungen ans Licht gekommen sind.
Aus dem Mitgeteilten geht bereits hervor, daſs Assyrien auf keiner ge-
ringen Stufe technischer Bildung gestanden haben muſs. Vor allem
haben wir schon angedeutet, wie jeder der kräftigen Herrscher Assyriens
seine Herrschaft durch gewaltige Bauten zu schmücken und zu ver-
ewigen sucht. Schon bei den alten Völkern Mesopotamiens wird über
groſsartige Bauwerke berichtet. Um 2300 v. Chr. errichteten Fürsten
von Erech Tempel, die sie mit Bildern der Götter schmückten. Die
Trümmer von Ur sind aufgefunden, der ältesten chaldäischen Stadt,
die wir kennen. Dort liegen auch die Trümmer des berühmten Tempels
des Sonnengottes. Die Stempel auf den Ziegeln des Unterbaues be-
weisen das, sie lauten: „Uruk, König von Ur, hat dem Gotte Sin diesen
Tempel errichtet.“

Hammurabi und alle seine Nachfolger verherrlichten ihren Ruhm
durch mächtige Bauten in Babylon, während die gewaltigen Fürsten in
Assyrien nicht zurückstanden und Niniveh mit riesigen Palastbauten
erfüllten. Die Trümmer dieser Bauwerke, die lange verschüttet lagen
und von den muhamedanischen Bewohnern als Werke der bösen Geister
mit abergläubischer Furcht gemieden wurden, sind reiche Fundstätten

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[115/0137] Die Semiten. Kolonieen und Häfen, so namentlich die Stadt Gerrha am persischen Meerbusen und Teredon am Ausfluſs des Euphrat, wodurch er einen kürzeren Handelsweg nach Indien schuf und hierdurch den Phöniziern viel Eintrag that. In Babylon machte er herrliche Parkanlagen, das Para- dies des Nebukadnezar, bekannt als die hängenden Gärten der Semiramis. Am groſsartigsten aber waren die Befestigungsbauten Nebukadnezars. Gegen Medien legte er eine lange Verteidigungslinie, die sogenannte medische Mauer an, die nördlich von Sippara sich an den Euphrat anschloſs. Babylon umgab er mit einer festen Mauer, die nach Hero- dots Beschreibung 50 babylonische Ellen stark und 200 Ellen hoch war. In dieser Mauer waren hundert Thore, sämtlich von Erz und mit eisernen Pfosten. Nebukadnezar starb 561. Auch diese letzte Blüte semitischer Groſsmacht war nur von kurzer Dauer. Die schwachen Nachfolger des groſsen Nebukadnezars konnten sein Reich gegen den Andrang der jugendlichen medo-persi- schen Macht nicht behaupten. Das stolze Babel fiel vor dem siegreichen Cyrus nur 25 Jahre nach Nebukadnezars Tod. Die semitische Macht über Asien war für Jahrtausende vernichtet. Die arische Rasse trat die reiche Erbschaft an. Wir haben uns etwas weitläufig über die alte Geschichte Assyriens und Babyloniens verbreitet, weil die dargestellten Thatsachen zum groſsen Teil erst durch neuere Forschungen ans Licht gekommen sind. Aus dem Mitgeteilten geht bereits hervor, daſs Assyrien auf keiner ge- ringen Stufe technischer Bildung gestanden haben muſs. Vor allem haben wir schon angedeutet, wie jeder der kräftigen Herrscher Assyriens seine Herrschaft durch gewaltige Bauten zu schmücken und zu ver- ewigen sucht. Schon bei den alten Völkern Mesopotamiens wird über groſsartige Bauwerke berichtet. Um 2300 v. Chr. errichteten Fürsten von Erech Tempel, die sie mit Bildern der Götter schmückten. Die Trümmer von Ur sind aufgefunden, der ältesten chaldäischen Stadt, die wir kennen. Dort liegen auch die Trümmer des berühmten Tempels des Sonnengottes. Die Stempel auf den Ziegeln des Unterbaues be- weisen das, sie lauten: „Uruk, König von Ur, hat dem Gotte Sin diesen Tempel errichtet.“ Hammurabi und alle seine Nachfolger verherrlichten ihren Ruhm durch mächtige Bauten in Babylon, während die gewaltigen Fürsten in Assyrien nicht zurückstanden und Niniveh mit riesigen Palastbauten erfüllten. Die Trümmer dieser Bauwerke, die lange verschüttet lagen und von den muhamedanischen Bewohnern als Werke der bösen Geister mit abergläubischer Furcht gemieden wurden, sind reiche Fundstätten 8*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/137>, abgerufen am 28.04.2024.