Eisenindustrie geblüht haben muss, sicher fundiert und mit verhältnis- mässig billigen Erzeugungskosten, da Eisen als Baumaterial für Denk- male und Tempel in Anwendung gebracht werden konnte. Dass diese Industrie erloschen und sogar die Erinnerung daran verschwun- den war lange ehe Europäer in das Land kamen; dass die indische Eisenindustrie, weit entfernt, so armselig gewesen zu sein wie sie uns heute und seit Jahrhunderten erscheint, einstmals eine grosse und blühende Kunst war, die sich über ganz Vorderindien erstreckte.
Bezüglich des Dehli-Laht 1) ist schon gesagt worden, dass diese merk- würdige Säule, obgleich der freien Luft ausgesetzt, nicht rostet, und der Glaube am Platz ist noch immer der, es sei kein Eisen, sondern eine Verbindung der sieben Metalle. Dass es aber Eisen ist, wissen wir jetzt für gewiss, aus der Untersuchung des Dr. Percy durch un- trügliche chemische und mechanische Prüfungsmittel. Doch hat noch vor kurzem Dr. Percy erklärt, dass er für das Nichtrosten der Säule keine Erklärung geben könne. "Trotz des reichlichen Taus in Indien rostet die Säule nicht." Lieutenant Cole, der längere Zeit hindurch alles beobachtet hat, was mit der Säule vorgeht, ist in der Lage zu versichern, dass eine Gepflogenheit der Pilger die Ver- anlassung dieser Erscheinung ist. Lieutenant Cole bemerkt: "Die Trockenheit der Luft von Dehli ist wahrscheinlich der Hauptgrund für die Erhaltung der eisernen Säule. Während der heissen Jahreszeit fällt nur selten Regen und während der Regenzeit, die etwa drei Monate vom Juni ab anhält, ist die Temperatur hoch und die Hitze zerstreut also die Feuchtigkeit, welche auf der Säule entstehen mag, namentlich infolge des Wärmeleitungsvermögens des Eisens. Während der kalten Jahreszeit ist die Luft meistens ganz trocken und ein gelegentlicher Regenschauer verdunstet schnell. Einem Umstande, der manchem von geringer Bedeutung zu sein scheint, schreibe ich die Ursache einer Art künstlichen Schutzes zu, es ist die Gewohnheit der Besucher, die Säule mit ihren nackten Armen zu umklammern und bis zum Knopfe emporzuklettern. Wenn Mann oder Frau im stande sind die Säule zu umfassen, so dass sie ihre Handflächen flach aufeinanderlegen können, so glauben sie dadurch ihre eheliche Geburt 2) unzweifel- haft konstatiert zu haben. Da nun die Eingeborenen beiderlei Ge- schlechtes ihren ganzen Körper fortwährend mit Öl einreiben, um sich vor der Wirkung der Sonnenstrahlen zu schützen, so kommt es dass die Oberfläche in einer Politur erhalten wird, ähnlich
1) V. Day a. a. O., S. 174.
2) Legitimate.
Beck, Geschichte des Eisens. 15
Die Arier in Asien.
Eisenindustrie geblüht haben muſs, sicher fundiert und mit verhältnis- mäſsig billigen Erzeugungskosten, da Eisen als Baumaterial für Denk- male und Tempel in Anwendung gebracht werden konnte. Daſs diese Industrie erloschen und sogar die Erinnerung daran verschwun- den war lange ehe Europäer in das Land kamen; daſs die indische Eisenindustrie, weit entfernt, so armselig gewesen zu sein wie sie uns heute und seit Jahrhunderten erscheint, einstmals eine groſse und blühende Kunst war, die sich über ganz Vorderindien erstreckte.
Bezüglich des Dehli-Lâht 1) ist schon gesagt worden, daſs diese merk- würdige Säule, obgleich der freien Luft ausgesetzt, nicht rostet, und der Glaube am Platz ist noch immer der, es sei kein Eisen, sondern eine Verbindung der sieben Metalle. Daſs es aber Eisen ist, wissen wir jetzt für gewiſs, aus der Untersuchung des Dr. Percy durch un- trügliche chemische und mechanische Prüfungsmittel. Doch hat noch vor kurzem Dr. Percy erklärt, daſs er für das Nichtrosten der Säule keine Erklärung geben könne. „Trotz des reichlichen Taus in Indien rostet die Säule nicht.“ Lieutenant Cole, der längere Zeit hindurch alles beobachtet hat, was mit der Säule vorgeht, ist in der Lage zu versichern, daſs eine Gepflogenheit der Pilger die Ver- anlassung dieser Erscheinung ist. Lieutenant Cole bemerkt: „Die Trockenheit der Luft von Dehli ist wahrscheinlich der Hauptgrund für die Erhaltung der eisernen Säule. Während der heiſsen Jahreszeit fällt nur selten Regen und während der Regenzeit, die etwa drei Monate vom Juni ab anhält, ist die Temperatur hoch und die Hitze zerstreut also die Feuchtigkeit, welche auf der Säule entstehen mag, namentlich infolge des Wärmeleitungsvermögens des Eisens. Während der kalten Jahreszeit ist die Luft meistens ganz trocken und ein gelegentlicher Regenschauer verdunstet schnell. Einem Umstande, der manchem von geringer Bedeutung zu sein scheint, schreibe ich die Ursache einer Art künstlichen Schutzes zu, es ist die Gewohnheit der Besucher, die Säule mit ihren nackten Armen zu umklammern und bis zum Knopfe emporzuklettern. Wenn Mann oder Frau im stande sind die Säule zu umfassen, so daſs sie ihre Handflächen flach aufeinanderlegen können, so glauben sie dadurch ihre eheliche Geburt 2) unzweifel- haft konstatiert zu haben. Da nun die Eingeborenen beiderlei Ge- schlechtes ihren ganzen Körper fortwährend mit Öl einreiben, um sich vor der Wirkung der Sonnenstrahlen zu schützen, so kommt es daſs die Oberfläche in einer Politur erhalten wird, ähnlich
1) V. Day a. a. O., S. 174.
2) Legitimate.
Beck, Geschichte des Eisens. 15
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0247"n="225"/><fwplace="top"type="header">Die Arier in Asien.</fw><lb/>
Eisenindustrie geblüht haben muſs, sicher fundiert und mit verhältnis-<lb/>
mäſsig billigen Erzeugungskosten, da Eisen als Baumaterial für Denk-<lb/>
male und Tempel in Anwendung gebracht werden konnte. Daſs<lb/>
diese Industrie erloschen und sogar die Erinnerung daran verschwun-<lb/>
den war lange ehe Europäer in das Land kamen; daſs die indische<lb/>
Eisenindustrie, weit entfernt, so armselig gewesen zu sein wie sie uns<lb/>
heute und seit Jahrhunderten erscheint, einstmals eine groſse und<lb/>
blühende Kunst war, die sich über ganz Vorderindien erstreckte.</p><lb/><p>Bezüglich des Dehli-Lâht <noteplace="foot"n="1)">V. Day a. a. O., S. 174.</note> ist schon gesagt worden, daſs diese merk-<lb/>
würdige Säule, obgleich der freien Luft ausgesetzt, nicht rostet, und<lb/>
der Glaube am Platz ist noch immer der, es sei kein Eisen, sondern<lb/>
eine Verbindung der sieben Metalle. Daſs es aber Eisen ist, wissen<lb/>
wir jetzt für gewiſs, aus der Untersuchung des Dr. Percy durch un-<lb/>
trügliche chemische und mechanische Prüfungsmittel. Doch hat noch<lb/>
vor kurzem Dr. Percy erklärt, daſs er für das Nichtrosten der<lb/>
Säule keine Erklärung geben könne. „Trotz des reichlichen Taus in<lb/>
Indien rostet die Säule nicht.“ Lieutenant Cole, der längere Zeit<lb/>
hindurch alles beobachtet hat, was mit der Säule vorgeht, ist in<lb/>
der Lage zu versichern, daſs eine Gepflogenheit der Pilger die Ver-<lb/>
anlassung dieser Erscheinung ist. Lieutenant Cole bemerkt: „Die<lb/>
Trockenheit der Luft von Dehli ist wahrscheinlich der Hauptgrund für<lb/>
die Erhaltung der eisernen Säule. Während der heiſsen Jahreszeit<lb/>
fällt nur selten Regen und während der Regenzeit, die etwa drei Monate<lb/>
vom Juni ab anhält, ist die Temperatur hoch und die Hitze zerstreut<lb/>
also die Feuchtigkeit, welche auf der Säule entstehen mag, namentlich<lb/>
infolge des Wärmeleitungsvermögens des Eisens. Während der kalten<lb/>
Jahreszeit ist die Luft meistens ganz trocken und ein gelegentlicher<lb/>
Regenschauer verdunstet schnell. Einem Umstande, der manchem von<lb/>
geringer Bedeutung zu sein scheint, schreibe ich die Ursache einer<lb/>
Art künstlichen Schutzes zu, es ist die Gewohnheit der Besucher, die<lb/>
Säule mit ihren nackten Armen zu umklammern und bis zum Knopfe<lb/>
emporzuklettern. Wenn Mann oder Frau im stande sind die Säule<lb/>
zu umfassen, so daſs sie ihre Handflächen flach aufeinanderlegen<lb/>
können, so glauben sie dadurch ihre eheliche Geburt <noteplace="foot"n="2)">Legitimate.</note> unzweifel-<lb/>
haft konstatiert zu haben. Da nun die Eingeborenen beiderlei Ge-<lb/>
schlechtes ihren ganzen Körper fortwährend mit Öl einreiben, um<lb/>
sich vor der Wirkung der Sonnenstrahlen zu schützen, so kommt<lb/>
es daſs die Oberfläche in einer Politur erhalten wird, ähnlich<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Beck</hi>, Geschichte des Eisens. 15</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[225/0247]
Die Arier in Asien.
Eisenindustrie geblüht haben muſs, sicher fundiert und mit verhältnis-
mäſsig billigen Erzeugungskosten, da Eisen als Baumaterial für Denk-
male und Tempel in Anwendung gebracht werden konnte. Daſs
diese Industrie erloschen und sogar die Erinnerung daran verschwun-
den war lange ehe Europäer in das Land kamen; daſs die indische
Eisenindustrie, weit entfernt, so armselig gewesen zu sein wie sie uns
heute und seit Jahrhunderten erscheint, einstmals eine groſse und
blühende Kunst war, die sich über ganz Vorderindien erstreckte.
Bezüglich des Dehli-Lâht 1) ist schon gesagt worden, daſs diese merk-
würdige Säule, obgleich der freien Luft ausgesetzt, nicht rostet, und
der Glaube am Platz ist noch immer der, es sei kein Eisen, sondern
eine Verbindung der sieben Metalle. Daſs es aber Eisen ist, wissen
wir jetzt für gewiſs, aus der Untersuchung des Dr. Percy durch un-
trügliche chemische und mechanische Prüfungsmittel. Doch hat noch
vor kurzem Dr. Percy erklärt, daſs er für das Nichtrosten der
Säule keine Erklärung geben könne. „Trotz des reichlichen Taus in
Indien rostet die Säule nicht.“ Lieutenant Cole, der längere Zeit
hindurch alles beobachtet hat, was mit der Säule vorgeht, ist in
der Lage zu versichern, daſs eine Gepflogenheit der Pilger die Ver-
anlassung dieser Erscheinung ist. Lieutenant Cole bemerkt: „Die
Trockenheit der Luft von Dehli ist wahrscheinlich der Hauptgrund für
die Erhaltung der eisernen Säule. Während der heiſsen Jahreszeit
fällt nur selten Regen und während der Regenzeit, die etwa drei Monate
vom Juni ab anhält, ist die Temperatur hoch und die Hitze zerstreut
also die Feuchtigkeit, welche auf der Säule entstehen mag, namentlich
infolge des Wärmeleitungsvermögens des Eisens. Während der kalten
Jahreszeit ist die Luft meistens ganz trocken und ein gelegentlicher
Regenschauer verdunstet schnell. Einem Umstande, der manchem von
geringer Bedeutung zu sein scheint, schreibe ich die Ursache einer
Art künstlichen Schutzes zu, es ist die Gewohnheit der Besucher, die
Säule mit ihren nackten Armen zu umklammern und bis zum Knopfe
emporzuklettern. Wenn Mann oder Frau im stande sind die Säule
zu umfassen, so daſs sie ihre Handflächen flach aufeinanderlegen
können, so glauben sie dadurch ihre eheliche Geburt 2) unzweifel-
haft konstatiert zu haben. Da nun die Eingeborenen beiderlei Ge-
schlechtes ihren ganzen Körper fortwährend mit Öl einreiben, um
sich vor der Wirkung der Sonnenstrahlen zu schützen, so kommt
es daſs die Oberfläche in einer Politur erhalten wird, ähnlich
1) V. Day a. a. O., S. 174.
2) Legitimate.
Beck, Geschichte des Eisens. 15
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/247>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.