Stein und vb. neutr. pozahua anschwellen, sich dehnen, und bedeutet also "der dehnbare Stein", womit offenbar sehr treffend das gediegen in der Natur vorkommende Kupfer bezeichnet ist. Da dies aber, nebst dem Golde, früher bekannt sein musste als das, erst aus seinen Erzen darzustellende Eisen, so erklärt sich hieraus, wenn noch in späterer Zeit, wie die Sprachforscher behaupten, teputztli alleinstehend vor- herrschend Kupfer bedeuten konnte. Allein, dass doch schon frühzeitig auch das Eisen in den Bereich der Metallindustrie aufgenommen und bekannt war, geht daraus hervor, dass ebenso wie die unedlen Metalle, auch die beiden Edelmetalle, Gold und Silber, unter einem Gattungs- namen, Teocuitlatl, mit der drastischen Bedeutung mierda de Dios, zusammengefasst 1) und ebenfalls durch Bezeichnung ihrer Farbe näher bestimmt wurden: cuztic (gelbes) teocuitlatl Gold, und yztac (weisses) teocuitlatl Silber.
Professor Buschmann, einer der bedeutendsten Kenner des mexika- nischen Idioms, mit dem ich wiederholt noch in der letzten Zeit seines Lebens über die Eisenfrage verhandelte, wollte keineswegs die Kenntnis des Eisens in Mexiko überhaupt in Abrede nehmen; nur meinte er, es sei seltener als Kupfer oder, wie er in seinem 1830 mit Wilhelm von Humboldt gemeinschaftlich ausgearbeiteten, unedierten mexikanischen Wörterbuche sich ausdrückt, "fast gar nicht" in Gebrauch gewesen, daher denn auch ein grosser Teil der von Molina aufgeführten Komposita des Wortes teputztli (wo sie Eisen bezeichnen), namentlich wenn es als primum compositi stehe, erst nach der Eroberung entstanden sei. Mag dies auch gern eingeräumt werden, so ändert es nichts an der Thatsache, dass die Sprache Zeugnis ablegt für das hohe Alter des Eisens in Mexiko.
Bekanntlich gelten die im Anfange des 6. Jahrhunderts in Mexiko eingewanderten Tolteken für die eigentlichen Kulturbringer des Landes, auf welche alles was Kunst und Wissenschaft betraf, zurückgeführt wurde, und die, was uns besonders angeht, namentlich als grosse Bau- meister gerühmt werden. Nach Molina bedeutet Toltec den Baumeister, Handwerker und Künstler, und Sahagun bezeichnet ausserdem die Tolteken als die Entdecker des Goldes und Silbers, Kupfers, Zinnes und anderer Metalle, die sie alle zu gewinnen und zu verarbeiten ver- standen 2). Von ihnen berichtet nun Fernando de Alva Ixtlilxo-
1) Poetischer als die Mexikaner, benannten, um dies beiläufig zu bemerken, die feineren Peruaner das Gold als "lagrimas que el Sol llorava".
2) Sahagun, l. c. lib. X, cap. XXIX (Kingsb. Vol. VII, p. 306): Los Tultecas descubrieron lo mismo las minas de plata y oro y de metales de cobre y oropel natural y estanno y otros metales, que todo lo sacaron y labraron.
Beck, Geschichte des Eisens. 24
Amerika.
Stein und vb. neutr. pozahua anschwellen, sich dehnen, und bedeutet also „der dehnbare Stein“, womit offenbar sehr treffend das gediegen in der Natur vorkommende Kupfer bezeichnet ist. Da dies aber, nebst dem Golde, früher bekannt sein muſste als das, erst aus seinen Erzen darzustellende Eisen, so erklärt sich hieraus, wenn noch in späterer Zeit, wie die Sprachforscher behaupten, teputztli alleinstehend vor- herrschend Kupfer bedeuten konnte. Allein, daſs doch schon frühzeitig auch das Eisen in den Bereich der Metallindustrie aufgenommen und bekannt war, geht daraus hervor, daſs ebenso wie die unedlen Metalle, auch die beiden Edelmetalle, Gold und Silber, unter einem Gattungs- namen, Teocuitlatl, mit der drastischen Bedeutung miérda de Dios, zusammengefaſst 1) und ebenfalls durch Bezeichnung ihrer Farbe näher bestimmt wurden: cuztic (gelbes) teocuitlatl Gold, und yztac (weiſses) teocuitlatl Silber.
Professor Buschmann, einer der bedeutendsten Kenner des mexika- nischen Idioms, mit dem ich wiederholt noch in der letzten Zeit seines Lebens über die Eisenfrage verhandelte, wollte keineswegs die Kenntnis des Eisens in Mexiko überhaupt in Abrede nehmen; nur meinte er, es sei seltener als Kupfer oder, wie er in seinem 1830 mit Wilhelm von Humboldt gemeinschaftlich ausgearbeiteten, unedierten mexikanischen Wörterbuche sich ausdrückt, „fast gar nicht“ in Gebrauch gewesen, daher denn auch ein groſser Teil der von Molina aufgeführten Komposita des Wortes teputztli (wo sie Eisen bezeichnen), namentlich wenn es als primum compositi stehe, erst nach der Eroberung entstanden sei. Mag dies auch gern eingeräumt werden, so ändert es nichts an der Thatsache, daſs die Sprache Zeugnis ablegt für das hohe Alter des Eisens in Mexiko.
Bekanntlich gelten die im Anfange des 6. Jahrhunderts in Mexiko eingewanderten Tolteken für die eigentlichen Kulturbringer des Landes, auf welche alles was Kunst und Wissenschaft betraf, zurückgeführt wurde, und die, was uns besonders angeht, namentlich als groſse Bau- meister gerühmt werden. Nach Molina bedeutet Toltec den Baumeister, Handwerker und Künstler, und Sahagun bezeichnet auſserdem die Tolteken als die Entdecker des Goldes und Silbers, Kupfers, Zinnes und anderer Metalle, die sie alle zu gewinnen und zu verarbeiten ver- standen 2). Von ihnen berichtet nun Fernando de Alva Ixtlilxo-
1) Poetischer als die Mexikaner, benannten, um dies beiläufig zu bemerken, die feineren Peruaner das Gold als „lagrimas qué el Sol llorava“.
2) Sahagun, l. c. lib. X, cap. XXIX (Kingsb. Vol. VII, p. 306): Los Tultecas descubrieron lo mismo las minas de plata y oro y de metales de cobre y oropel natural y estaño y otros metales, que todo lo sacaron y labraron.
Beck, Geschichte des Eisens. 24
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Amerika.
Stein und vb. neutr. pozahua anschwellen, sich dehnen, und bedeutet
also „der dehnbare Stein“, womit offenbar sehr treffend das gediegen
in der Natur vorkommende Kupfer bezeichnet ist. Da dies aber, nebst
dem Golde, früher bekannt sein muſste als das, erst aus seinen Erzen
darzustellende Eisen, so erklärt sich hieraus, wenn noch in späterer
Zeit, wie die Sprachforscher behaupten, teputztli alleinstehend vor-
herrschend Kupfer bedeuten konnte. Allein, daſs doch schon frühzeitig
auch das Eisen in den Bereich der Metallindustrie aufgenommen und
bekannt war, geht daraus hervor, daſs ebenso wie die unedlen Metalle,
auch die beiden Edelmetalle, Gold und Silber, unter einem Gattungs-
namen, Teocuitlatl, mit der drastischen Bedeutung miérda de Dios,
zusammengefaſst 1) und ebenfalls durch Bezeichnung ihrer Farbe näher
bestimmt wurden: cuztic (gelbes) teocuitlatl Gold, und yztac (weiſses)
teocuitlatl Silber.
Professor Buschmann, einer der bedeutendsten Kenner des mexika-
nischen Idioms, mit dem ich wiederholt noch in der letzten Zeit seines
Lebens über die Eisenfrage verhandelte, wollte keineswegs die Kenntnis
des Eisens in Mexiko überhaupt in Abrede nehmen; nur meinte er, es
sei seltener als Kupfer oder, wie er in seinem 1830 mit Wilhelm von
Humboldt gemeinschaftlich ausgearbeiteten, unedierten mexikanischen
Wörterbuche sich ausdrückt, „fast gar nicht“ in Gebrauch gewesen,
daher denn auch ein groſser Teil der von Molina aufgeführten Komposita
des Wortes teputztli (wo sie Eisen bezeichnen), namentlich wenn es als
primum compositi stehe, erst nach der Eroberung entstanden sei. Mag
dies auch gern eingeräumt werden, so ändert es nichts an der Thatsache,
daſs die Sprache Zeugnis ablegt für das hohe Alter des Eisens in Mexiko.
Bekanntlich gelten die im Anfange des 6. Jahrhunderts in Mexiko
eingewanderten Tolteken für die eigentlichen Kulturbringer des Landes,
auf welche alles was Kunst und Wissenschaft betraf, zurückgeführt
wurde, und die, was uns besonders angeht, namentlich als groſse Bau-
meister gerühmt werden. Nach Molina bedeutet Toltec den Baumeister,
Handwerker und Künstler, und Sahagun bezeichnet auſserdem die
Tolteken als die Entdecker des Goldes und Silbers, Kupfers, Zinnes
und anderer Metalle, die sie alle zu gewinnen und zu verarbeiten ver-
standen 2). Von ihnen berichtet nun Fernando de Alva Ixtlilxo-
1) Poetischer als die Mexikaner, benannten, um dies beiläufig zu bemerken,
die feineren Peruaner das Gold als „lagrimas qué el Sol llorava“.
2) Sahagun, l. c. lib. X, cap. XXIX (Kingsb. Vol. VII, p. 306): Los Tultecas
descubrieron lo mismo las minas de plata y oro y de metales de cobre y oropel
natural y estaño y otros metales, que todo lo sacaron y labraron.
Beck, Geschichte des Eisens. 24
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/391>, abgerufen am 22.11.2024.
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