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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Griechenland.
da das Giessen des Eisens für einen Künstler, dem die Schmelz-
vorrichtungen zu Gebote stehen, und der den Eisenguss kennt, kaum
beschwerlicher ist, als das Vergiessen des Erzes. Es scheint hieraus
unzweifelhaft hervorzugehen, dass Plinius keine andere Kenntnis und
Vorstellung von der Verarbeitung des Eisens hatte, als dass es ge-
triebene Arbeit sei. Demselben Gedanken giebt auch Pausanias Worte,
wenn er bei der Erwähnung des eisernen Kunstwerkes des Tisagoras
hinzufügt: "Bildnisse aus Eisen zu verfertigen ist aber gewiss die
schwerste und mühevollste Arbeit 1)". Strabo erwähnt ausdrücklich,
dass die Kunst des Cälierens des Eisens in Kleinasien in hoher Blüte
stand, während er von dem Eisengusse nichts weiss 2). Plinius be-
schreibt ferner eine Statue des Künstlers Aristonides auf Rhodos mit
folgenden Worten: "Aes ferrumque miscuit ut robigine ejus per nitorem
aeris reluctante exprimeretur verecundiae rubor." Diese Statue stellte
den Athamas dar, der Reue und Scham empfindet wegen seiner Frevel-
that. Hier kann gewiss nicht an ein Mischen von Erz und Eisen im
Schmelzofen gedacht werden, denn Eisen ist durchaus kein vorteilhafter
Zusatz zu einem Erze, das vergossen werden soll. Es macht dieses
schwer schmelzbar, spröde und unschön. Die Absicht des Künstlers
würde dadurch nicht erreicht worden sein, man müsste denn annehmen,
seine Absicht sei gewesen, die unschöne That des Athanas durch eine
unschöne Metallkomposition darzustellen, was durchaus unkünstlerisch
wäre. Hier ist vielmehr von einem Kontraste die Rede, von dem Kon-
traste, in den das angerostete Eisen zu dem Glanze des Erzes tritt.
Der Rost des Eisens sollte die Schamröte ausdrücken, also war der
Rost doch auch nur an den Teilen anzubringen, wo die Schamröte sich
äussert, wahrscheinlich bloss im Gesichte. Es war also eine aus ver-
schiedenen Metallen zusammengesetzte Statue, wie sie bei den Alten
beliebt war, das Gesicht und vielleicht auch die übrigen unbedeckten
Fleischteile waren aus Eisen getrieben und das übrige bestand aus
Erz. Die Röte der Scham war vielleicht noch wirkungsvoller aus-
gedrückt, indem der Künstler dadurch, dass er das Eisen mit Essig
ätzte und schwach glühte, dieses mit einer Haut von rotem Eisenoxyd
zu bedecken verstand, ein Verfahren, das die Alten mit Vorliebe an-
wandten. Es ist also in allen diesen Fällen nicht, wie dies in archäo-
logischen Handbüchern manchmal noch angegeben wird, von gegossenen
Statuen die Rede und liefern daher diese Stellen durchaus keinen
Beweis, dass die Alten schon das Gusseisen kannten. Altertumsforscher

1) Pausanias IV, 184.
2) Strabo XIII, 631.

Griechenland.
da das Gieſsen des Eisens für einen Künstler, dem die Schmelz-
vorrichtungen zu Gebote stehen, und der den Eisenguſs kennt, kaum
beschwerlicher ist, als das Vergieſsen des Erzes. Es scheint hieraus
unzweifelhaft hervorzugehen, daſs Plinius keine andere Kenntnis und
Vorstellung von der Verarbeitung des Eisens hatte, als daſs es ge-
triebene Arbeit sei. Demselben Gedanken giebt auch Pausanias Worte,
wenn er bei der Erwähnung des eisernen Kunstwerkes des Tisagoras
hinzufügt: „Bildnisse aus Eisen zu verfertigen ist aber gewiſs die
schwerste und mühevollste Arbeit 1)“. Strabo erwähnt ausdrücklich,
daſs die Kunst des Cälierens des Eisens in Kleinasien in hoher Blüte
stand, während er von dem Eisengusse nichts weiſs 2). Plinius be-
schreibt ferner eine Statue des Künstlers Aristonides auf Rhodos mit
folgenden Worten: „Aes ferrumque miscuit ut robigine ejus per nitorem
aeris reluctante exprimeretur verecundiae rubor.“ Diese Statue stellte
den Athamas dar, der Reue und Scham empfindet wegen seiner Frevel-
that. Hier kann gewiſs nicht an ein Mischen von Erz und Eisen im
Schmelzofen gedacht werden, denn Eisen ist durchaus kein vorteilhafter
Zusatz zu einem Erze, das vergossen werden soll. Es macht dieses
schwer schmelzbar, spröde und unschön. Die Absicht des Künstlers
würde dadurch nicht erreicht worden sein, man müſste denn annehmen,
seine Absicht sei gewesen, die unschöne That des Athanas durch eine
unschöne Metallkomposition darzustellen, was durchaus unkünstlerisch
wäre. Hier ist vielmehr von einem Kontraste die Rede, von dem Kon-
traste, in den das angerostete Eisen zu dem Glanze des Erzes tritt.
Der Rost des Eisens sollte die Schamröte ausdrücken, also war der
Rost doch auch nur an den Teilen anzubringen, wo die Schamröte sich
äuſsert, wahrscheinlich bloſs im Gesichte. Es war also eine aus ver-
schiedenen Metallen zusammengesetzte Statue, wie sie bei den Alten
beliebt war, das Gesicht und vielleicht auch die übrigen unbedeckten
Fleischteile waren aus Eisen getrieben und das übrige bestand aus
Erz. Die Röte der Scham war vielleicht noch wirkungsvoller aus-
gedrückt, indem der Künstler dadurch, daſs er das Eisen mit Essig
ätzte und schwach glühte, dieses mit einer Haut von rotem Eisenoxyd
zu bedecken verstand, ein Verfahren, das die Alten mit Vorliebe an-
wandten. Es ist also in allen diesen Fällen nicht, wie dies in archäo-
logischen Handbüchern manchmal noch angegeben wird, von gegossenen
Statuen die Rede und liefern daher diese Stellen durchaus keinen
Beweis, daſs die Alten schon das Guſseisen kannten. Altertumsforscher

1) Pausanias IV, 184.
2) Strabo XIII, 631.
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[436/0458] Griechenland. da das Gieſsen des Eisens für einen Künstler, dem die Schmelz- vorrichtungen zu Gebote stehen, und der den Eisenguſs kennt, kaum beschwerlicher ist, als das Vergieſsen des Erzes. Es scheint hieraus unzweifelhaft hervorzugehen, daſs Plinius keine andere Kenntnis und Vorstellung von der Verarbeitung des Eisens hatte, als daſs es ge- triebene Arbeit sei. Demselben Gedanken giebt auch Pausanias Worte, wenn er bei der Erwähnung des eisernen Kunstwerkes des Tisagoras hinzufügt: „Bildnisse aus Eisen zu verfertigen ist aber gewiſs die schwerste und mühevollste Arbeit 1)“. Strabo erwähnt ausdrücklich, daſs die Kunst des Cälierens des Eisens in Kleinasien in hoher Blüte stand, während er von dem Eisengusse nichts weiſs 2). Plinius be- schreibt ferner eine Statue des Künstlers Aristonides auf Rhodos mit folgenden Worten: „Aes ferrumque miscuit ut robigine ejus per nitorem aeris reluctante exprimeretur verecundiae rubor.“ Diese Statue stellte den Athamas dar, der Reue und Scham empfindet wegen seiner Frevel- that. Hier kann gewiſs nicht an ein Mischen von Erz und Eisen im Schmelzofen gedacht werden, denn Eisen ist durchaus kein vorteilhafter Zusatz zu einem Erze, das vergossen werden soll. Es macht dieses schwer schmelzbar, spröde und unschön. Die Absicht des Künstlers würde dadurch nicht erreicht worden sein, man müſste denn annehmen, seine Absicht sei gewesen, die unschöne That des Athanas durch eine unschöne Metallkomposition darzustellen, was durchaus unkünstlerisch wäre. Hier ist vielmehr von einem Kontraste die Rede, von dem Kon- traste, in den das angerostete Eisen zu dem Glanze des Erzes tritt. Der Rost des Eisens sollte die Schamröte ausdrücken, also war der Rost doch auch nur an den Teilen anzubringen, wo die Schamröte sich äuſsert, wahrscheinlich bloſs im Gesichte. Es war also eine aus ver- schiedenen Metallen zusammengesetzte Statue, wie sie bei den Alten beliebt war, das Gesicht und vielleicht auch die übrigen unbedeckten Fleischteile waren aus Eisen getrieben und das übrige bestand aus Erz. Die Röte der Scham war vielleicht noch wirkungsvoller aus- gedrückt, indem der Künstler dadurch, daſs er das Eisen mit Essig ätzte und schwach glühte, dieses mit einer Haut von rotem Eisenoxyd zu bedecken verstand, ein Verfahren, das die Alten mit Vorliebe an- wandten. Es ist also in allen diesen Fällen nicht, wie dies in archäo- logischen Handbüchern manchmal noch angegeben wird, von gegossenen Statuen die Rede und liefern daher diese Stellen durchaus keinen Beweis, daſs die Alten schon das Guſseisen kannten. Altertumsforscher 1) Pausanias IV, 184. 2) Strabo XIII, 631.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/458>, abgerufen am 20.05.2024.