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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Italien und die Römer.
Grundlage. Unbedeutend und unscheinbar waren seine Anfänge.
Früh war es gezwungen, seine Existenz mit aller Kraft zu verteidigen.
Die Herrschaft an der unteren Tiber wurde ihm durch die kriegerischen
Samniter in blutigen Fehden streitig gemacht. Aber das kleine, auf
freiester Grundlage gegründete Rom ging siegreich aus diesen Kämpfen
hervor und erwarb sich Ansehen, Macht und Reichtum in immer
grösserem Umfange.

Die erste Periode seiner Entwickelung, die Zeit der Könige ist in
mythisches Dunkel gehüllt. Klar ist, dass es damals noch in einem
Abhängigkeitsverhältnis zu Etrurien stand. Erst mit dem Sturze der
Tarquinier und der Gründung der Republik errang es sich vollständige
Unabhängigkeit.

Rom, ein geschlossenes Gemeinwesen in metallarmem Gebiete,
Jahrhunderte lang nur mit Krieg und Fehde beschäftigt, konnte direkt
keinen besonderen Einfluss auf die Entwickelung der Metallurgie üben.
Es hat auch in der Folge einen solchen nur als Eroberer und Erbe
der Reichtümer und technischen Errungenschaften anderer Stämme und
Völker bethätigt. Blicken wir auf die älteste Zeit der römischen Ge-
schichte, auf die Zeit der Könige, so ist in dieser Periode von selbst-
ständiger metallurgischer Thätigkeit der Römer nicht die Rede, sie
bezogen die Metalle, die sie gebrauchten, von den Nachbarvölkern,
vielleicht von den Griechen und Samniten, zumeist aber von den
Etruskern. Es ist eine oft wiederholte Behauptung, dass die Römer
sich früher der Bronze oder wenigstens des Kupfers als des Eisens
bedient hätten. Die Beweise dafür sind freilich äusserst schwach. Als
einer dafür wird angeführt, dass man sich bei gewissen, feierlichen
Handlungen in späterer Zeit des Kupfers, statt des gebräuchlicheren
Eisens bediente und dies als ein altes Herkommen angesehen wurde.
Bei gewissen, rituellen Feierlichkeiten liess man sich das Haar von
dem Priester mit dem ehernen Schermesser schneiden. Ebenso wurden
die Grenzen neuer Ansiedelungen mit einer ehernen Pflugschar gezogen.
Die erstere Sitte soll von den Sabinern, die letztere von den Etruskern
stammen, beide aber finden wir bereits bei den Phöniziern 1). Es
scheint uns doch viel natürlicher, aus diesen Überlieferungen zu folgern,
dass dies eine ausnahmsweise Verwendung des Kupfers oder der Bronze
war, die man, infolge des höheren Wertes dieses Metalles gegenüber
dem Eisen wählte, um der Handlung eine höhere Würde zu verleihen,
als dass daraus das höhere Alter des Kupfers hergeleitet werden könnte.


1) Movers, Phönizier I, 361.

Italien und die Römer.
Grundlage. Unbedeutend und unscheinbar waren seine Anfänge.
Früh war es gezwungen, seine Existenz mit aller Kraft zu verteidigen.
Die Herrschaft an der unteren Tiber wurde ihm durch die kriegerischen
Samniter in blutigen Fehden streitig gemacht. Aber das kleine, auf
freiester Grundlage gegründete Rom ging siegreich aus diesen Kämpfen
hervor und erwarb sich Ansehen, Macht und Reichtum in immer
gröſserem Umfange.

Die erste Periode seiner Entwickelung, die Zeit der Könige ist in
mythisches Dunkel gehüllt. Klar ist, daſs es damals noch in einem
Abhängigkeitsverhältnis zu Etrurien stand. Erst mit dem Sturze der
Tarquinier und der Gründung der Republik errang es sich vollständige
Unabhängigkeit.

Rom, ein geschlossenes Gemeinwesen in metallarmem Gebiete,
Jahrhunderte lang nur mit Krieg und Fehde beschäftigt, konnte direkt
keinen besonderen Einfluſs auf die Entwickelung der Metallurgie üben.
Es hat auch in der Folge einen solchen nur als Eroberer und Erbe
der Reichtümer und technischen Errungenschaften anderer Stämme und
Völker bethätigt. Blicken wir auf die älteste Zeit der römischen Ge-
schichte, auf die Zeit der Könige, so ist in dieser Periode von selbst-
ständiger metallurgischer Thätigkeit der Römer nicht die Rede, sie
bezogen die Metalle, die sie gebrauchten, von den Nachbarvölkern,
vielleicht von den Griechen und Samniten, zumeist aber von den
Etruskern. Es ist eine oft wiederholte Behauptung, daſs die Römer
sich früher der Bronze oder wenigstens des Kupfers als des Eisens
bedient hätten. Die Beweise dafür sind freilich äuſserst schwach. Als
einer dafür wird angeführt, daſs man sich bei gewissen, feierlichen
Handlungen in späterer Zeit des Kupfers, statt des gebräuchlicheren
Eisens bediente und dies als ein altes Herkommen angesehen wurde.
Bei gewissen, rituellen Feierlichkeiten lieſs man sich das Haar von
dem Priester mit dem ehernen Schermesser schneiden. Ebenso wurden
die Grenzen neuer Ansiedelungen mit einer ehernen Pflugschar gezogen.
Die erstere Sitte soll von den Sabinern, die letztere von den Etruskern
stammen, beide aber finden wir bereits bei den Phöniziern 1). Es
scheint uns doch viel natürlicher, aus diesen Überlieferungen zu folgern,
daſs dies eine ausnahmsweise Verwendung des Kupfers oder der Bronze
war, die man, infolge des höheren Wertes dieses Metalles gegenüber
dem Eisen wählte, um der Handlung eine höhere Würde zu verleihen,
als daſs daraus das höhere Alter des Kupfers hergeleitet werden könnte.


1) Movers, Phönizier I, 361.
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[482/0504] Italien und die Römer. Grundlage. Unbedeutend und unscheinbar waren seine Anfänge. Früh war es gezwungen, seine Existenz mit aller Kraft zu verteidigen. Die Herrschaft an der unteren Tiber wurde ihm durch die kriegerischen Samniter in blutigen Fehden streitig gemacht. Aber das kleine, auf freiester Grundlage gegründete Rom ging siegreich aus diesen Kämpfen hervor und erwarb sich Ansehen, Macht und Reichtum in immer gröſserem Umfange. Die erste Periode seiner Entwickelung, die Zeit der Könige ist in mythisches Dunkel gehüllt. Klar ist, daſs es damals noch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Etrurien stand. Erst mit dem Sturze der Tarquinier und der Gründung der Republik errang es sich vollständige Unabhängigkeit. Rom, ein geschlossenes Gemeinwesen in metallarmem Gebiete, Jahrhunderte lang nur mit Krieg und Fehde beschäftigt, konnte direkt keinen besonderen Einfluſs auf die Entwickelung der Metallurgie üben. Es hat auch in der Folge einen solchen nur als Eroberer und Erbe der Reichtümer und technischen Errungenschaften anderer Stämme und Völker bethätigt. Blicken wir auf die älteste Zeit der römischen Ge- schichte, auf die Zeit der Könige, so ist in dieser Periode von selbst- ständiger metallurgischer Thätigkeit der Römer nicht die Rede, sie bezogen die Metalle, die sie gebrauchten, von den Nachbarvölkern, vielleicht von den Griechen und Samniten, zumeist aber von den Etruskern. Es ist eine oft wiederholte Behauptung, daſs die Römer sich früher der Bronze oder wenigstens des Kupfers als des Eisens bedient hätten. Die Beweise dafür sind freilich äuſserst schwach. Als einer dafür wird angeführt, daſs man sich bei gewissen, feierlichen Handlungen in späterer Zeit des Kupfers, statt des gebräuchlicheren Eisens bediente und dies als ein altes Herkommen angesehen wurde. Bei gewissen, rituellen Feierlichkeiten lieſs man sich das Haar von dem Priester mit dem ehernen Schermesser schneiden. Ebenso wurden die Grenzen neuer Ansiedelungen mit einer ehernen Pflugschar gezogen. Die erstere Sitte soll von den Sabinern, die letztere von den Etruskern stammen, beide aber finden wir bereits bei den Phöniziern 1). Es scheint uns doch viel natürlicher, aus diesen Überlieferungen zu folgern, daſs dies eine ausnahmsweise Verwendung des Kupfers oder der Bronze war, die man, infolge des höheren Wertes dieses Metalles gegenüber dem Eisen wählte, um der Handlung eine höhere Würde zu verleihen, als daſs daraus das höhere Alter des Kupfers hergeleitet werden könnte. 1) Movers, Phönizier I, 361.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/504>, abgerufen am 20.05.2024.