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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.

Die Sakramentshäuschen sind entweder nur Nischen in der Chor-
mauer der Kirche, oder ganz frei stehende, oft bis zu bedeutender
Höhe sich aufbauende architektonische Werke.

Eines der einfacheren Beispiele, wo die eiserne Thür die einzige
Zierde der Spitzbogennische bildet, finden wir in der Kirche zu
Perchtoldsdorf bei Wien 1). Sie ist, wie alle älteren Thüren dieser
Art, eine durchbrochene Gitterthür. Zwei Schienen übereinander,
die mit masswerkähnlichen Durchbrechungen versehen und mit da-
zwischen eingesetzten Nieten in Rosettenform geziert sind, umrahmen

[Abbildung] Fig. 158.
die spitzbogige Nische und eine zweite
solche Umrahmung schliesst das Gitter ein.
Zwei weitere in Kreuzform über das Gitter
gelegte Schienen geben dem Ganzen erhöhte
Festigkeit und tragen in ihrer Mitte einen
Aufzugsring mit schöner rosettenförmiger
Unterlage. Ein Meisterwerk der Schmiede-
kunst sind zwei eiserne Thüren eines
Schrankes der Abtei von Saint-Loup zu
Troyes. Auf dem einen Flügel ist Christus
mit dem Kelch, auf dem andern die Kreuzi-
gung dargestellt.

Als ein weiterer Teil der Thürbeschläge
sind die Thürklopfer und Griffe anzusehen.
Ihre ältere Form war die eines Ringes.
Ausser den Ringklopfern finden wir an den
mittelalterlichen Prachtbauten die soge-
nannten Hammerklopfer, welche in unzäh-
ligen Variationen gebildet wurden. In
Fig. 158 sehen wir einen solchen von der
Kirche zu Vezelay. Dadurch, dass er sich in zwei Lagern bewegte,
hatte er eine sichere Führung.

An schönen Gittern ist das 16. Jahrhundert besonders reich.
Selbst bei Privathäusern kamen sie zur Verwendung und dass Gitter-
thore damals in den Städten bereits in Gebrauch kamen, beweist der
Vers des Hans Sachs (IV, 3, 168):

"Welicher mann an allem ort
Wol überhörn und sehen kan,
Der henket eisern thüre an
Und hat ein frei fröhlich gemüth."

1) Siehe Riewel, a. a. O., Fig. 16.
Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert.

Die Sakramentshäuschen sind entweder nur Nischen in der Chor-
mauer der Kirche, oder ganz frei stehende, oft bis zu bedeutender
Höhe sich aufbauende architektonische Werke.

Eines der einfacheren Beispiele, wo die eiserne Thür die einzige
Zierde der Spitzbogennische bildet, finden wir in der Kirche zu
Perchtoldsdorf bei Wien 1). Sie ist, wie alle älteren Thüren dieser
Art, eine durchbrochene Gitterthür. Zwei Schienen übereinander,
die mit maſswerkähnlichen Durchbrechungen versehen und mit da-
zwischen eingesetzten Nieten in Rosettenform geziert sind, umrahmen

[Abbildung] Fig. 158.
die spitzbogige Nische und eine zweite
solche Umrahmung schlieſst das Gitter ein.
Zwei weitere in Kreuzform über das Gitter
gelegte Schienen geben dem Ganzen erhöhte
Festigkeit und tragen in ihrer Mitte einen
Aufzugsring mit schöner rosettenförmiger
Unterlage. Ein Meisterwerk der Schmiede-
kunst sind zwei eiserne Thüren eines
Schrankes der Abtei von Saint-Loup zu
Troyes. Auf dem einen Flügel ist Christus
mit dem Kelch, auf dem andern die Kreuzi-
gung dargestellt.

Als ein weiterer Teil der Thürbeschläge
sind die Thürklopfer und Griffe anzusehen.
Ihre ältere Form war die eines Ringes.
Auſser den Ringklopfern finden wir an den
mittelalterlichen Prachtbauten die soge-
nannten Hammerklopfer, welche in unzäh-
ligen Variationen gebildet wurden. In
Fig. 158 sehen wir einen solchen von der
Kirche zu Vézelay. Dadurch, daſs er sich in zwei Lagern bewegte,
hatte er eine sichere Führung.

An schönen Gittern ist das 16. Jahrhundert besonders reich.
Selbst bei Privathäusern kamen sie zur Verwendung und daſs Gitter-
thore damals in den Städten bereits in Gebrauch kamen, beweist der
Vers des Hans Sachs (IV, 3, 168):

„Welicher mann an allem ort
Wol überhörn und sehen kan,
Der henket eisern thüre an
Und hat ein frei fröhlich gemüth.“

1) Siehe Riewel, a. a. O., Fig. 16.
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[459/0479] Die Kunstschmiederei im 16. Jahrhundert. Die Sakramentshäuschen sind entweder nur Nischen in der Chor- mauer der Kirche, oder ganz frei stehende, oft bis zu bedeutender Höhe sich aufbauende architektonische Werke. Eines der einfacheren Beispiele, wo die eiserne Thür die einzige Zierde der Spitzbogennische bildet, finden wir in der Kirche zu Perchtoldsdorf bei Wien 1). Sie ist, wie alle älteren Thüren dieser Art, eine durchbrochene Gitterthür. Zwei Schienen übereinander, die mit maſswerkähnlichen Durchbrechungen versehen und mit da- zwischen eingesetzten Nieten in Rosettenform geziert sind, umrahmen [Abbildung Fig. 158.] die spitzbogige Nische und eine zweite solche Umrahmung schlieſst das Gitter ein. Zwei weitere in Kreuzform über das Gitter gelegte Schienen geben dem Ganzen erhöhte Festigkeit und tragen in ihrer Mitte einen Aufzugsring mit schöner rosettenförmiger Unterlage. Ein Meisterwerk der Schmiede- kunst sind zwei eiserne Thüren eines Schrankes der Abtei von Saint-Loup zu Troyes. Auf dem einen Flügel ist Christus mit dem Kelch, auf dem andern die Kreuzi- gung dargestellt. Als ein weiterer Teil der Thürbeschläge sind die Thürklopfer und Griffe anzusehen. Ihre ältere Form war die eines Ringes. Auſser den Ringklopfern finden wir an den mittelalterlichen Prachtbauten die soge- nannten Hammerklopfer, welche in unzäh- ligen Variationen gebildet wurden. In Fig. 158 sehen wir einen solchen von der Kirche zu Vézelay. Dadurch, daſs er sich in zwei Lagern bewegte, hatte er eine sichere Führung. An schönen Gittern ist das 16. Jahrhundert besonders reich. Selbst bei Privathäusern kamen sie zur Verwendung und daſs Gitter- thore damals in den Städten bereits in Gebrauch kamen, beweist der Vers des Hans Sachs (IV, 3, 168): „Welicher mann an allem ort Wol überhörn und sehen kan, Der henket eisern thüre an Und hat ein frei fröhlich gemüth.“ 1) Siehe Riewel, a. a. O., Fig. 16.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/479>, abgerufen am 22.11.2024.