Ein jeder wohnhafte Bergmann sollte bürgerliche Nahrung treiben können und von Zoll, Steuern und Accise, Hof- und Kriegsdiensten befreit sein: nur bei gemeiner Landesnot, aus gutem Willen, un- genötigt mag er eine Zubusse leisten. Bauholz für das Bergwerk und Wohngebäude sollte er ohne Forstzins, doch nach Anweisung des herrschaftlichen Försters beziehen dürfen. Der herrschaftliche Zehent wurde auf drei Jahre erlassen. Nur den Verkauf des gewonnenen Erzes behielt sich der Landesherr vor. Wie sehr Herzog Heinrich die Förderung des Bergbaues in seinem Lande am Herzen lag, geht auch daraus hervor, dass er den berühmten Georg Agricola zu sich einlud und ihn in seine Dienste zu ziehen suchte 1). Ferner daraus, dass, als 1536 in dem Bergwerke zu Wildemann die grosse Wasser- kunst genannt "Heinzenkunst" in Betrieb gesetzt wurde, er sich per- sönlich hinbegab und daselbst einfuhr (Hacke). Dennoch war Hein- richs Thätigkeit für das Bergwesen nur eine sprungweise, häufig unterbrochen durch kriegerische Unternehmungen und wechselvolle Schicksale. 1553 2) gab er für die fürstlichen Bergwerke zu Grund, Wildemann, Zellerfeld, Lautenthal u. s. w. eine Bergordnung heraus, welcher 1556 ein allgemeines Berggesetz als "zweite Bergfreiheit" folgte. 1568 starb Herzog Heinrich der Jüngere, nachdem er sich zuvor mit seinem Sohne und Erben Julius ausgesöhnt hatte.
Julius, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, war einer der merkwürdigsten Fürsten seiner Zeit, der für das Berg- und Hütten- wesen Erstaunliches geleistet hat. Er war als dritter Sohn des Her- zogs nicht zur Regentschaft bestimmt, vielmehr sollte er, da seine Füsse durch einen unglücklichen Fall in frühester Jugend nach ein- wärts gewachsen waren, und er dadurch für einen andern standes- gemässen Beruf untauglich schien, Geistlicher werden. Als er zu diesem Zweck in Löwen studierte 3), unterzog er sich bei dem be- rühmten Arzte N. Haerdael einer schmerzhaften, aber glücklichen Operation. Dennoch blieb eine Schwäche in den Beinen zurück. Den Zorn seines Vaters, der eifrig die katholische Sache verfocht, zog er sich dadurch zu, dass er sich offen zur lutherischen Lehre bekannte. Julius wurde auf das Härteste behandelt, und der Hass des Vaters
1) Der betreffende Brief ist im Auftrage des Herzogs von einem Joh. Horn- brock von Halle geschrieben und abgedruckt in F. A. Schmidt "Bermanus", S. 13, Anmerk.
2) Nach Gmelin, 1550 nach Heinemann.
3) Siehe Leben des Herzogs Julius von Braunschweig und Lüneburg von Franz Algermann, Landesfiscal dieses Fürsten ed. F. K. von Strombeck.
Der Oberharz.
Ein jeder wohnhafte Bergmann sollte bürgerliche Nahrung treiben können und von Zoll, Steuern und Accise, Hof- und Kriegsdiensten befreit sein: nur bei gemeiner Landesnot, aus gutem Willen, un- genötigt mag er eine Zubuſse leisten. Bauholz für das Bergwerk und Wohngebäude sollte er ohne Forstzins, doch nach Anweisung des herrschaftlichen Försters beziehen dürfen. Der herrschaftliche Zehent wurde auf drei Jahre erlassen. Nur den Verkauf des gewonnenen Erzes behielt sich der Landesherr vor. Wie sehr Herzog Heinrich die Förderung des Bergbaues in seinem Lande am Herzen lag, geht auch daraus hervor, daſs er den berühmten Georg Agricola zu sich einlud und ihn in seine Dienste zu ziehen suchte 1). Ferner daraus, daſs, als 1536 in dem Bergwerke zu Wildemann die groſse Wasser- kunst genannt „Heinzenkunst“ in Betrieb gesetzt wurde, er sich per- sönlich hinbegab und daselbst einfuhr (Hacke). Dennoch war Hein- richs Thätigkeit für das Bergwesen nur eine sprungweise, häufig unterbrochen durch kriegerische Unternehmungen und wechselvolle Schicksale. 1553 2) gab er für die fürstlichen Bergwerke zu Grund, Wildemann, Zellerfeld, Lautenthal u. s. w. eine Bergordnung heraus, welcher 1556 ein allgemeines Berggesetz als „zweite Bergfreiheit“ folgte. 1568 starb Herzog Heinrich der Jüngere, nachdem er sich zuvor mit seinem Sohne und Erben Julius ausgesöhnt hatte.
Julius, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, war einer der merkwürdigsten Fürsten seiner Zeit, der für das Berg- und Hütten- wesen Erstaunliches geleistet hat. Er war als dritter Sohn des Her- zogs nicht zur Regentschaft bestimmt, vielmehr sollte er, da seine Füſse durch einen unglücklichen Fall in frühester Jugend nach ein- wärts gewachsen waren, und er dadurch für einen andern standes- gemäſsen Beruf untauglich schien, Geistlicher werden. Als er zu diesem Zweck in Löwen studierte 3), unterzog er sich bei dem be- rühmten Arzte N. Haerdael einer schmerzhaften, aber glücklichen Operation. Dennoch blieb eine Schwäche in den Beinen zurück. Den Zorn seines Vaters, der eifrig die katholische Sache verfocht, zog er sich dadurch zu, daſs er sich offen zur lutherischen Lehre bekannte. Julius wurde auf das Härteste behandelt, und der Haſs des Vaters
1) Der betreffende Brief ist im Auftrage des Herzogs von einem Joh. Horn- brock von Halle geschrieben und abgedruckt in F. A. Schmidt „Bermanus“, S. 13, Anmerk.
2) Nach Gmelin, 1550 nach Heinemann.
3) Siehe Leben des Herzogs Julius von Braunschweig und Lüneburg von Franz Algermann, Landesfiscal dieses Fürsten ed. F. K. von Strombeck.
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Der Oberharz.
Ein jeder wohnhafte Bergmann sollte bürgerliche Nahrung treiben
können und von Zoll, Steuern und Accise, Hof- und Kriegsdiensten
befreit sein: nur bei gemeiner Landesnot, aus gutem Willen, un-
genötigt mag er eine Zubuſse leisten. Bauholz für das Bergwerk und
Wohngebäude sollte er ohne Forstzins, doch nach Anweisung des
herrschaftlichen Försters beziehen dürfen. Der herrschaftliche Zehent
wurde auf drei Jahre erlassen. Nur den Verkauf des gewonnenen
Erzes behielt sich der Landesherr vor. Wie sehr Herzog Heinrich
die Förderung des Bergbaues in seinem Lande am Herzen lag, geht
auch daraus hervor, daſs er den berühmten Georg Agricola zu sich
einlud und ihn in seine Dienste zu ziehen suchte 1). Ferner daraus,
daſs, als 1536 in dem Bergwerke zu Wildemann die groſse Wasser-
kunst genannt „Heinzenkunst“ in Betrieb gesetzt wurde, er sich per-
sönlich hinbegab und daselbst einfuhr (Hacke). Dennoch war Hein-
richs Thätigkeit für das Bergwesen nur eine sprungweise, häufig
unterbrochen durch kriegerische Unternehmungen und wechselvolle
Schicksale. 1553 2) gab er für die fürstlichen Bergwerke zu Grund,
Wildemann, Zellerfeld, Lautenthal u. s. w. eine Bergordnung heraus,
welcher 1556 ein allgemeines Berggesetz als „zweite Bergfreiheit“
folgte. 1568 starb Herzog Heinrich der Jüngere, nachdem er sich
zuvor mit seinem Sohne und Erben Julius ausgesöhnt hatte.
Julius, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, war einer
der merkwürdigsten Fürsten seiner Zeit, der für das Berg- und Hütten-
wesen Erstaunliches geleistet hat. Er war als dritter Sohn des Her-
zogs nicht zur Regentschaft bestimmt, vielmehr sollte er, da seine
Füſse durch einen unglücklichen Fall in frühester Jugend nach ein-
wärts gewachsen waren, und er dadurch für einen andern standes-
gemäſsen Beruf untauglich schien, Geistlicher werden. Als er zu
diesem Zweck in Löwen studierte 3), unterzog er sich bei dem be-
rühmten Arzte N. Haerdael einer schmerzhaften, aber glücklichen
Operation. Dennoch blieb eine Schwäche in den Beinen zurück. Den
Zorn seines Vaters, der eifrig die katholische Sache verfocht, zog er
sich dadurch zu, daſs er sich offen zur lutherischen Lehre bekannte.
Julius wurde auf das Härteste behandelt, und der Haſs des Vaters
1) Der betreffende Brief ist im Auftrage des Herzogs von einem Joh. Horn-
brock von Halle geschrieben und abgedruckt in F. A. Schmidt „Bermanus“,
S. 13, Anmerk.
2) Nach Gmelin, 1550 nach Heinemann.
3) Siehe Leben des Herzogs Julius von Braunschweig und Lüneburg von
Franz Algermann, Landesfiscal dieses Fürsten ed. F. K. von Strombeck.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 777. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/797>, abgerufen am 22.11.2024.
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