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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Frankreich.
erwuchs ihm überdies grosse Konkurrenz durch die neu errichteten
Stahlwerke an der unteren Loire zu Angers und Nantes.

Im Jahre 1785 erzielte ein Herr Soller auf dem Rammelsdorfer
Hammer bei Gross-Rammelsdorf Erfolge mit der Cementstahlfabri-
kation. Er hatte einen Brennofen für 60 Ctr. Einsatz erbaut und
aus selbstgefrischtem Eisen aus Dillinger und Bettinger Roheisen einen
guten Stahl erzielt. Baron Dietrich besuchte das Werk 1785 und er-
stattete günstigen Bericht 1). Von weiteren Erfolgen ist nichts bekannt.

Der Revolutionskrieg, der alle Handelsverbindungen aufhob, gab
Veranlassung zu einem grossen Stahlmangel. Die republikanische
Regierung warf sich mit der ihr eigenen Energie darauf, wieder Stahl
aus inländischem Eisen zu machen. Es wurde für die Landesbewaff-
nung eine besondere Kommission "Agence des armes portatives" er-
nannt, und später die Commission des armes, poudres et l'exploitation
des mines. Diese Kommission war direkt dem Comite de salut
publique, in dem alle Staatsmächte vertreten waren, unterstellt und
korrespondierte mit den agents nationaux in jedem Distrikt. Das
Comite de salut public liess nun durch die befähigtsten Männer eine
Instruktion über die Bearbeitung des Stahles ausarbeiten: "Avis aux
ouvriers en fer sur la fabrication de l'acier, publie par ordre du
Comite du salut public. Imp. du dep. de la guerre." Sie war von
Monge 1794 auf Grundlage der gemeinschaftlichen Arbeit mit
Vandermonde und Berthollet verfasst. Darin war alles zusammen-
getragen, was man über die Bereitung von Schweiss- und Cementstahl
wusste. Bezüglich der Wahl der Eisensorten waren die Ergebnisse
der Versuche zu Amboise 1786 als massgebend zu Grunde gelegt.
Charakteristisch sind die einleitenden Worte:

"Während unsere Brüder ihr Blut gegen die Feinde der Freiheit
vergiessen, während wir erst in zweiter Linie hinter ihnen stehen, muss,
o Freunde, unsere ganze Energie darauf gerichtet sein, die Hülfs-
mittel, deren wir bedürfen, aus unserem heimischen Boden zu ziehen,
um Europa zu zeigen, dass Frankreich in seinem Schosse alles birgt,
was es für seinen Mut verlangt. Der Stahl fehlt uns, der Stahl, der
uns dienen soll, die Waffen zu fertigen, deren jeder Bürger bedarf,
um den Kampf der Freiheit gegen die Sklaverei zu Ende zu führen.
Bis jetzt hatten die freundlichen Beziehungen zu unseren Nachbarn,
vor allem aber die Fesseln, in denen unsere Industrie schmachtete,
uns die Fabrikation des Stahls vernachlässigen lassen. England und

1) Journal de Mines, Nr. XXV an V (1797), p. 3.

Frankreich.
erwuchs ihm überdies groſse Konkurrenz durch die neu errichteten
Stahlwerke an der unteren Loire zu Angers und Nantes.

Im Jahre 1785 erzielte ein Herr Soller auf dem Rammelsdorfer
Hammer bei Groſs-Rammelsdorf Erfolge mit der Cementstahlfabri-
kation. Er hatte einen Brennofen für 60 Ctr. Einsatz erbaut und
aus selbstgefrischtem Eisen aus Dillinger und Bettinger Roheisen einen
guten Stahl erzielt. Baron Dietrich besuchte das Werk 1785 und er-
stattete günstigen Bericht 1). Von weiteren Erfolgen ist nichts bekannt.

Der Revolutionskrieg, der alle Handelsverbindungen aufhob, gab
Veranlassung zu einem groſsen Stahlmangel. Die republikanische
Regierung warf sich mit der ihr eigenen Energie darauf, wieder Stahl
aus inländischem Eisen zu machen. Es wurde für die Landesbewaff-
nung eine besondere Kommission „Agence des armes portatives“ er-
nannt, und später die Commission des armes, poudres et l’exploitation
des mines. Diese Kommission war direkt dem Comité de salut
publique, in dem alle Staatsmächte vertreten waren, unterstellt und
korrespondierte mit den agents nationaux in jedem Distrikt. Das
Comité de salut public lieſs nun durch die befähigtsten Männer eine
Instruktion über die Bearbeitung des Stahles ausarbeiten: „Avis aux
ouvriers en fer sur la fabrication de l’acier, publié par ordre du
Comité du salut public. Imp. du dep. de la guerre.“ Sie war von
Monge 1794 auf Grundlage der gemeinschaftlichen Arbeit mit
Vandermonde und Berthollet verfaſst. Darin war alles zusammen-
getragen, was man über die Bereitung von Schweiſs- und Cementstahl
wuſste. Bezüglich der Wahl der Eisensorten waren die Ergebnisse
der Versuche zu Amboise 1786 als maſsgebend zu Grunde gelegt.
Charakteristisch sind die einleitenden Worte:

„Während unsere Brüder ihr Blut gegen die Feinde der Freiheit
vergieſsen, während wir erst in zweiter Linie hinter ihnen stehen, muſs,
o Freunde, unsere ganze Energie darauf gerichtet sein, die Hülfs-
mittel, deren wir bedürfen, aus unserem heimischen Boden zu ziehen,
um Europa zu zeigen, daſs Frankreich in seinem Schoſse alles birgt,
was es für seinen Mut verlangt. Der Stahl fehlt uns, der Stahl, der
uns dienen soll, die Waffen zu fertigen, deren jeder Bürger bedarf,
um den Kampf der Freiheit gegen die Sklaverei zu Ende zu führen.
Bis jetzt hatten die freundlichen Beziehungen zu unseren Nachbarn,
vor allem aber die Fesseln, in denen unsere Industrie schmachtete,
uns die Fabrikation des Stahls vernachlässigen lassen. England und

1) Journal de Mines, Nr. XXV an V (1797), p. 3.
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[1045/1059] Frankreich. erwuchs ihm überdies groſse Konkurrenz durch die neu errichteten Stahlwerke an der unteren Loire zu Angers und Nantes. Im Jahre 1785 erzielte ein Herr Soller auf dem Rammelsdorfer Hammer bei Groſs-Rammelsdorf Erfolge mit der Cementstahlfabri- kation. Er hatte einen Brennofen für 60 Ctr. Einsatz erbaut und aus selbstgefrischtem Eisen aus Dillinger und Bettinger Roheisen einen guten Stahl erzielt. Baron Dietrich besuchte das Werk 1785 und er- stattete günstigen Bericht 1). Von weiteren Erfolgen ist nichts bekannt. Der Revolutionskrieg, der alle Handelsverbindungen aufhob, gab Veranlassung zu einem groſsen Stahlmangel. Die republikanische Regierung warf sich mit der ihr eigenen Energie darauf, wieder Stahl aus inländischem Eisen zu machen. Es wurde für die Landesbewaff- nung eine besondere Kommission „Agence des armes portatives“ er- nannt, und später die Commission des armes, poudres et l’exploitation des mines. Diese Kommission war direkt dem Comité de salut publique, in dem alle Staatsmächte vertreten waren, unterstellt und korrespondierte mit den agents nationaux in jedem Distrikt. Das Comité de salut public lieſs nun durch die befähigtsten Männer eine Instruktion über die Bearbeitung des Stahles ausarbeiten: „Avis aux ouvriers en fer sur la fabrication de l’acier, publié par ordre du Comité du salut public. Imp. du dep. de la guerre.“ Sie war von Monge 1794 auf Grundlage der gemeinschaftlichen Arbeit mit Vandermonde und Berthollet verfaſst. Darin war alles zusammen- getragen, was man über die Bereitung von Schweiſs- und Cementstahl wuſste. Bezüglich der Wahl der Eisensorten waren die Ergebnisse der Versuche zu Amboise 1786 als maſsgebend zu Grunde gelegt. Charakteristisch sind die einleitenden Worte: „Während unsere Brüder ihr Blut gegen die Feinde der Freiheit vergieſsen, während wir erst in zweiter Linie hinter ihnen stehen, muſs, o Freunde, unsere ganze Energie darauf gerichtet sein, die Hülfs- mittel, deren wir bedürfen, aus unserem heimischen Boden zu ziehen, um Europa zu zeigen, daſs Frankreich in seinem Schoſse alles birgt, was es für seinen Mut verlangt. Der Stahl fehlt uns, der Stahl, der uns dienen soll, die Waffen zu fertigen, deren jeder Bürger bedarf, um den Kampf der Freiheit gegen die Sklaverei zu Ende zu führen. Bis jetzt hatten die freundlichen Beziehungen zu unseren Nachbarn, vor allem aber die Fesseln, in denen unsere Industrie schmachtete, uns die Fabrikation des Stahls vernachlässigen lassen. England und 1) Journal de Mines, Nr. XXV an V (1797), p. 3.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 1045. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/1059>, abgerufen am 21.11.2024.