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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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fabriziert. Die meisten und die besten Feilen wurden aus freier Hand
gehauen, doch verwendete man anfangs der 70 er Jahre auch bereits
Maschinen zum Feilenhauen. Ein wichtiger Artikel für Birmingham,
Bilston und Wolverhampton war damals die Fabrikation von Schnallen-
herzen. Man verwendete dafür in Birmingham russisches Eisen, seiner
Weichheit wegen. Die geschmiedeten Schnallenherzen wurden durch
Einsatzhärtung verstählt.

Die Einfuhr von Eisen und Stahl, hauptsächlich aus Schweden,
Steiermark, Kärnten und Krain wurde 1773 auf 25000 Tonnen
geschätzt. Das schwedische Eisen kostete in London 16 bis 19 Schil-
ling der Centner (120 Pfd.). Ausserdem bezogen die Engländer viele
grob gearbeitete Eisenwaren aus Deutschland, die sie verfeinerten und
vervollkommneten und wieder als englische Waren nach Deutschland
zurückschickten, so z. B. rohe Schnallenherzen von Peterswalde in
Böhmen, die ausgearbeitet und poliert wurden.

Die grosse Fabrikstadt Birmingham hatte damals, wie auch
Sheffield, Leeds und Manchester, noch keine Stadtrechte und durfte
kein Mitglied in das Parlament entsenden, während dieses Recht
vielen verarmten und verfallenen Burgflecken zustand. Die Gewehr-
fabrikation war einer der reichsten Industriezweige dieser Stadt.
Nach einem Bericht von 1774 1) gingen jährlich viele tausend Partieen
(Stands) Gewehre nach der Küste von Guinea, gegen welche schwarze
Sklaven eingetauscht und nach Amerika geführt wurden. "Man trägt
aber Sorge, diese Schiessgewehre so schlecht zu machen, dass die
Schwarzen in Guinea damit den Engländern nicht viel Schaden zu-
fügen können, wenn sie auch wollten. Eine solche Flinte pflegt zu
springen, wenn sie zum sechsten oder siebenten Mal losgefeuert wird.
Das Schiessgewehr, welches von Birmingham in die Türkei und Ber-
berei geht, wird auch nicht vorläufig probiert, sondern der Käufer,
welcher dasselbe zum ersten Male abfeuert, muss seine Gefahr
stehen."

"Die Stadt Sheffield in der Grafschaft York ist der Ort, wo die
meisten Feilen, Messer, Gabeln, Scheren, Klingen und alles, was zum
Schneiden, Hauen und Stechen dient, von vorzüglicher Güte geschmie-
det wird. Die Verfertigung der Stahl- und Eisenwaren allein beschäftigt
hier 40000 Fabrikanten (Arbeiter), die unter 600 Meistern arbeiten.
Ihre Zunft heisst the Cutlers of Hallamshire und geniesst grosse Pri-

1) Siehe F. W. Taube, Schilderung der engländischen Manufakturen u. s. w.
Wien 1774.

England.
fabriziert. Die meisten und die besten Feilen wurden aus freier Hand
gehauen, doch verwendete man anfangs der 70 er Jahre auch bereits
Maschinen zum Feilenhauen. Ein wichtiger Artikel für Birmingham,
Bilston und Wolverhampton war damals die Fabrikation von Schnallen-
herzen. Man verwendete dafür in Birmingham russisches Eisen, seiner
Weichheit wegen. Die geschmiedeten Schnallenherzen wurden durch
Einsatzhärtung verstählt.

Die Einfuhr von Eisen und Stahl, hauptsächlich aus Schweden,
Steiermark, Kärnten und Krain wurde 1773 auf 25000 Tonnen
geschätzt. Das schwedische Eisen kostete in London 16 bis 19 Schil-
ling der Centner (120 Pfd.). Auſserdem bezogen die Engländer viele
grob gearbeitete Eisenwaren aus Deutschland, die sie verfeinerten und
vervollkommneten und wieder als englische Waren nach Deutschland
zurückschickten, so z. B. rohe Schnallenherzen von Peterswalde in
Böhmen, die ausgearbeitet und poliert wurden.

Die groſse Fabrikstadt Birmingham hatte damals, wie auch
Sheffield, Leeds und Manchester, noch keine Stadtrechte und durfte
kein Mitglied in das Parlament entsenden, während dieses Recht
vielen verarmten und verfallenen Burgflecken zustand. Die Gewehr-
fabrikation war einer der reichsten Industriezweige dieser Stadt.
Nach einem Bericht von 1774 1) gingen jährlich viele tausend Partieen
(Stands) Gewehre nach der Küste von Guinea, gegen welche schwarze
Sklaven eingetauscht und nach Amerika geführt wurden. „Man trägt
aber Sorge, diese Schieſsgewehre so schlecht zu machen, daſs die
Schwarzen in Guinea damit den Engländern nicht viel Schaden zu-
fügen können, wenn sie auch wollten. Eine solche Flinte pflegt zu
springen, wenn sie zum sechsten oder siebenten Mal losgefeuert wird.
Das Schieſsgewehr, welches von Birmingham in die Türkei und Ber-
berei geht, wird auch nicht vorläufig probiert, sondern der Käufer,
welcher dasselbe zum ersten Male abfeuert, muſs seine Gefahr
stehen.“

„Die Stadt Sheffield in der Grafschaft York ist der Ort, wo die
meisten Feilen, Messer, Gabeln, Scheren, Klingen und alles, was zum
Schneiden, Hauen und Stechen dient, von vorzüglicher Güte geschmie-
det wird. Die Verfertigung der Stahl- und Eisenwaren allein beschäftigt
hier 40000 Fabrikanten (Arbeiter), die unter 600 Meistern arbeiten.
Ihre Zunft heiſst the Cutlers of Hallamshire und genieſst groſse Pri-

1) Siehe F. W. Taube, Schilderung der engländischen Manufakturen u. s. w.
Wien 1774.
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[1076/1090] England. fabriziert. Die meisten und die besten Feilen wurden aus freier Hand gehauen, doch verwendete man anfangs der 70 er Jahre auch bereits Maschinen zum Feilenhauen. Ein wichtiger Artikel für Birmingham, Bilston und Wolverhampton war damals die Fabrikation von Schnallen- herzen. Man verwendete dafür in Birmingham russisches Eisen, seiner Weichheit wegen. Die geschmiedeten Schnallenherzen wurden durch Einsatzhärtung verstählt. Die Einfuhr von Eisen und Stahl, hauptsächlich aus Schweden, Steiermark, Kärnten und Krain wurde 1773 auf 25000 Tonnen geschätzt. Das schwedische Eisen kostete in London 16 bis 19 Schil- ling der Centner (120 Pfd.). Auſserdem bezogen die Engländer viele grob gearbeitete Eisenwaren aus Deutschland, die sie verfeinerten und vervollkommneten und wieder als englische Waren nach Deutschland zurückschickten, so z. B. rohe Schnallenherzen von Peterswalde in Böhmen, die ausgearbeitet und poliert wurden. Die groſse Fabrikstadt Birmingham hatte damals, wie auch Sheffield, Leeds und Manchester, noch keine Stadtrechte und durfte kein Mitglied in das Parlament entsenden, während dieses Recht vielen verarmten und verfallenen Burgflecken zustand. Die Gewehr- fabrikation war einer der reichsten Industriezweige dieser Stadt. Nach einem Bericht von 1774 1) gingen jährlich viele tausend Partieen (Stands) Gewehre nach der Küste von Guinea, gegen welche schwarze Sklaven eingetauscht und nach Amerika geführt wurden. „Man trägt aber Sorge, diese Schieſsgewehre so schlecht zu machen, daſs die Schwarzen in Guinea damit den Engländern nicht viel Schaden zu- fügen können, wenn sie auch wollten. Eine solche Flinte pflegt zu springen, wenn sie zum sechsten oder siebenten Mal losgefeuert wird. Das Schieſsgewehr, welches von Birmingham in die Türkei und Ber- berei geht, wird auch nicht vorläufig probiert, sondern der Käufer, welcher dasselbe zum ersten Male abfeuert, muſs seine Gefahr stehen.“ „Die Stadt Sheffield in der Grafschaft York ist der Ort, wo die meisten Feilen, Messer, Gabeln, Scheren, Klingen und alles, was zum Schneiden, Hauen und Stechen dient, von vorzüglicher Güte geschmie- det wird. Die Verfertigung der Stahl- und Eisenwaren allein beschäftigt hier 40000 Fabrikanten (Arbeiter), die unter 600 Meistern arbeiten. Ihre Zunft heiſst the Cutlers of Hallamshire und genieſst groſse Pri- 1) Siehe F. W. Taube, Schilderung der engländischen Manufakturen u. s. w. Wien 1774.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 1076. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/1090>, abgerufen am 20.05.2024.