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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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England.
Arbeiter den Sandguss in England einführte. Der zweite grosse Fort-
schritt war das Umschmelzen des Roheisens zum Vergiessen in Flamm-
öfen, und zwar unter Anwendung von Steinkohlen als Brennmaterial.
Diese Erfindung, welche schon in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts
fällt, wurde von grösster Wichtigkeit nach Einführung des Kokshoch-
ofenprozesses, weil das Koksroheisen nicht flüssig und rein genug war,
um aus dem Hochofen direkt vergossen werden zu können, wie das
Holzkohlenroheisen, im Flammofen umgeschmolzen, aber ein sehr gutes
Gusseisen gab. Ganz besonders eignete sich dasselbe für den Guss
von Kanonen, weil das Roheisen im Flammofen immer eine gewisse
Frischung erfuhr, welche seine Zähigkeit und Festigkeit erhöhte. Die
grössten Kanonengiessereien waren die Carron-Hütte in Schottland
und Walkers Eisenwerk zu Masbrough bei Rotherham. Die eng-
lische Kriegsflotte zählte 1720 bereits 182 Schiffe mit 9940 Kanonen.

Um 1795 betrug der jährliche Bedarf für Artillerie-Eisenguss
11000 Tons für Grossbritannien, 5000 bis 6000 Tons für Indien und
10000 Tons für fremde Länder, zusammen ca. 26000 Tons1).

Ein weiterer Fortschritt für die Eisengiesserei war die Einführung
und Verbesserung der Schachtöfen, der sogenannten Kupoloöfen,
welche das Umschmelzen des Giessereiroheisens rascher und billiger
als die Flammöfen und in beliebigen Mengen gestattete. Wie wir
(S. 615) mitgeteilt haben, gebührt das Verdienst der Verbesserung
derselben durch die Anbringung mehrerer Formen wahrscheinlich
ebenfalls John Wilkinson. Die Kupoloöfen dienten ursprünglich
hauptsächlich zum Umschmelzen von Brucheisen und waren deshalb
namentlich in den Eisengiessereien der grossen Städte, wie besonders
in London, in Gebrauch. Die Öfen selbst hatte Reaumur bereits
beschrieben.

Die englische Eisengiesserei wurde ferner durch Gesetze über
Modell- und Musterschutz gefördert. Solche wurden im 38. und im
54. Jahre Georgs III. erlassen.

Die Stahlfabrikation hatte schon Ende des 17. Jahrhunderts einen
Aufschwung erfahren durch die Unternehmungen von Sir Ambrose
Crowley
in Sunderland und Winlatton. Die Gussstahlfabrikation,
welche England als Geheimnis zu bewahren verstand, trotz der vielen
Versuche der Nachahmung in anderen Ländern, gaben ihm auch im
Stahlhandel eine entschiedene Überlegenheit.

Die Cementstahlfabrikation hing sowohl mit der Gussstahl- als

1) Lardner, Cabinet Cyclopaedia. Vol. I, Cap. IV.

England.
Arbeiter den Sandguſs in England einführte. Der zweite groſse Fort-
schritt war das Umschmelzen des Roheisens zum Vergieſsen in Flamm-
öfen, und zwar unter Anwendung von Steinkohlen als Brennmaterial.
Diese Erfindung, welche schon in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts
fällt, wurde von gröſster Wichtigkeit nach Einführung des Kokshoch-
ofenprozesses, weil das Koksroheisen nicht flüssig und rein genug war,
um aus dem Hochofen direkt vergossen werden zu können, wie das
Holzkohlenroheisen, im Flammofen umgeschmolzen, aber ein sehr gutes
Guſseisen gab. Ganz besonders eignete sich dasselbe für den Guſs
von Kanonen, weil das Roheisen im Flammofen immer eine gewisse
Frischung erfuhr, welche seine Zähigkeit und Festigkeit erhöhte. Die
gröſsten Kanonengieſsereien waren die Carron-Hütte in Schottland
und Walkers Eisenwerk zu Masbrough bei Rotherham. Die eng-
lische Kriegsflotte zählte 1720 bereits 182 Schiffe mit 9940 Kanonen.

Um 1795 betrug der jährliche Bedarf für Artillerie-Eisenguſs
11000 Tons für Groſsbritannien, 5000 bis 6000 Tons für Indien und
10000 Tons für fremde Länder, zusammen ca. 26000 Tons1).

Ein weiterer Fortschritt für die Eisengieſserei war die Einführung
und Verbesserung der Schachtöfen, der sogenannten Kupoloöfen,
welche das Umschmelzen des Gieſsereiroheisens rascher und billiger
als die Flammöfen und in beliebigen Mengen gestattete. Wie wir
(S. 615) mitgeteilt haben, gebührt das Verdienst der Verbesserung
derselben durch die Anbringung mehrerer Formen wahrscheinlich
ebenfalls John Wilkinson. Die Kupoloöfen dienten ursprünglich
hauptsächlich zum Umschmelzen von Brucheisen und waren deshalb
namentlich in den Eisengieſsereien der groſsen Städte, wie besonders
in London, in Gebrauch. Die Öfen selbst hatte Reaumur bereits
beschrieben.

Die englische Eisengieſserei wurde ferner durch Gesetze über
Modell- und Musterschutz gefördert. Solche wurden im 38. und im
54. Jahre Georgs III. erlassen.

Die Stahlfabrikation hatte schon Ende des 17. Jahrhunderts einen
Aufschwung erfahren durch die Unternehmungen von Sir Ambrose
Crowley
in Sunderland und Winlatton. Die Guſsstahlfabrikation,
welche England als Geheimnis zu bewahren verstand, trotz der vielen
Versuche der Nachahmung in anderen Ländern, gaben ihm auch im
Stahlhandel eine entschiedene Überlegenheit.

Die Cementstahlfabrikation hing sowohl mit der Guſsstahl- als

1) Lardner, Cabinet Cyclopaedia. Vol. I, Cap. IV.
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[1083/1097] England. Arbeiter den Sandguſs in England einführte. Der zweite groſse Fort- schritt war das Umschmelzen des Roheisens zum Vergieſsen in Flamm- öfen, und zwar unter Anwendung von Steinkohlen als Brennmaterial. Diese Erfindung, welche schon in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts fällt, wurde von gröſster Wichtigkeit nach Einführung des Kokshoch- ofenprozesses, weil das Koksroheisen nicht flüssig und rein genug war, um aus dem Hochofen direkt vergossen werden zu können, wie das Holzkohlenroheisen, im Flammofen umgeschmolzen, aber ein sehr gutes Guſseisen gab. Ganz besonders eignete sich dasselbe für den Guſs von Kanonen, weil das Roheisen im Flammofen immer eine gewisse Frischung erfuhr, welche seine Zähigkeit und Festigkeit erhöhte. Die gröſsten Kanonengieſsereien waren die Carron-Hütte in Schottland und Walkers Eisenwerk zu Masbrough bei Rotherham. Die eng- lische Kriegsflotte zählte 1720 bereits 182 Schiffe mit 9940 Kanonen. Um 1795 betrug der jährliche Bedarf für Artillerie-Eisenguſs 11000 Tons für Groſsbritannien, 5000 bis 6000 Tons für Indien und 10000 Tons für fremde Länder, zusammen ca. 26000 Tons 1). Ein weiterer Fortschritt für die Eisengieſserei war die Einführung und Verbesserung der Schachtöfen, der sogenannten Kupoloöfen, welche das Umschmelzen des Gieſsereiroheisens rascher und billiger als die Flammöfen und in beliebigen Mengen gestattete. Wie wir (S. 615) mitgeteilt haben, gebührt das Verdienst der Verbesserung derselben durch die Anbringung mehrerer Formen wahrscheinlich ebenfalls John Wilkinson. Die Kupoloöfen dienten ursprünglich hauptsächlich zum Umschmelzen von Brucheisen und waren deshalb namentlich in den Eisengieſsereien der groſsen Städte, wie besonders in London, in Gebrauch. Die Öfen selbst hatte Reaumur bereits beschrieben. Die englische Eisengieſserei wurde ferner durch Gesetze über Modell- und Musterschutz gefördert. Solche wurden im 38. und im 54. Jahre Georgs III. erlassen. Die Stahlfabrikation hatte schon Ende des 17. Jahrhunderts einen Aufschwung erfahren durch die Unternehmungen von Sir Ambrose Crowley in Sunderland und Winlatton. Die Guſsstahlfabrikation, welche England als Geheimnis zu bewahren verstand, trotz der vielen Versuche der Nachahmung in anderen Ländern, gaben ihm auch im Stahlhandel eine entschiedene Überlegenheit. Die Cementstahlfabrikation hing sowohl mit der Guſsstahl- als 1) Lardner, Cabinet Cyclopaedia. Vol. I, Cap. IV.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 1083. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/1097>, abgerufen am 20.05.2024.