der Gussstahlfabrikation schon seit einigen Jahren ergründet. Auch Friedrich Krupp, dessen Neigungen ihn mehr zur Eisenindustrie als zum Kaffeehandel hinzogen, erblickte in der Fabrikation des Gussstahls die wichtige Aufgabe der Zukunft. Dies veranlasste ihn am 7. Dezember 1811, ein kleines Gut, die Walkmühle bei Essen, mit 5 Morgen Land und Wasserkraft zu kaufen und ausser einem Reck- hammer auch ein Schmelz- und Cementiergebäude zu errichten 1).
Friedrich Krupp ging von dem Grundsatz aus: ohne gutes Eisen kein guter Stahl. Das beste Eisen im westlichen Deutschland war da- mals das märkische Osemundeisen. Dieses benutzte er zur Herstellung seines Cementstahls. Im Herbst 1812 waren die Einrichtungen seines Werkes soweit gediehen, dass er anzeigen konnte, dass er von Ende des Jahres an alle Sorten feinen Stahl, auch Gussstahl, liefere. Kurz vorher hatte Krupp sein Spezereigeschäft aufgelöst, dagegen auf dem linken Rheinufer in dem damals französischen Städtchen Mörs eine Feilenfabrik errichtet. Hier sollte ein Teil des in Essen fabrizierten Stahls zum Vertrieb nach Frankreich verarbeitet werden, um dadurch den hohen Zoll zu sparen. Doch hat dieses Werk nicht lange be- standen. 1815 verband sich Friedrich Krupp mit Nicolai, welcher in Preussen ein Patent auf Gussstahl erhalten hatte. Diese Verbindung war aber keine glückliche. Krupp löste sie bald wieder auf, musste aber Nicolai nicht nur eine bedeutende Entschädigung zahlen, son- dern wurde auch in einen langen Prozess wegen des Patentes verwickelt.
In demselben Jahre, in welchem die Firma Friedrich Krupp in Essen entstand, gründete John Cockerill, welcher der Begründer der belgischen Eisenindustrie wurde, eine Maschinenfabrik in Lüttich.
Um diese Zeit wurden auch an anderen Orten in Deutschland Versuche mit der Gussstahlbereitung gemacht (s. S. 31). 1811 kamen die ersten Stahlbrennöfen bei Remscheid in Betrieb.
Die Waffenfabriken in Solingen und Suhl waren infolge der grossen Rüstungen gut beschäftigt. Remscheid zählte 1803 3200 bis 3500 Eisen- und Stahlarbeiter.
Von der Eisenindustrie der übrigen deutschen Staaten ist aus diesen unruhigen Zeiten nicht viel zu berichten. Durch den Lune- viller Frieden und die Säkularisierung der geistlichen Herrschaften, dann durch die Mediatisierung vieler kleiner Fürstentümer trat eine grosse Änderung in den Besitzverhältnissen ein. Dadurch kam auch
1) Siehe Alfred Krupp von Friedrich Bädecker, 1889, S. 4.
Preuſsen 1801 bis 1815.
der Guſsstahlfabrikation schon seit einigen Jahren ergründet. Auch Friedrich Krupp, dessen Neigungen ihn mehr zur Eisenindustrie als zum Kaffeehandel hinzogen, erblickte in der Fabrikation des Guſsstahls die wichtige Aufgabe der Zukunft. Dies veranlaſste ihn am 7. Dezember 1811, ein kleines Gut, die Walkmühle bei Essen, mit 5 Morgen Land und Wasserkraft zu kaufen und auſser einem Reck- hammer auch ein Schmelz- und Cementiergebäude zu errichten 1).
Friedrich Krupp ging von dem Grundsatz aus: ohne gutes Eisen kein guter Stahl. Das beste Eisen im westlichen Deutschland war da- mals das märkische Osemundeisen. Dieses benutzte er zur Herstellung seines Cementstahls. Im Herbst 1812 waren die Einrichtungen seines Werkes soweit gediehen, daſs er anzeigen konnte, daſs er von Ende des Jahres an alle Sorten feinen Stahl, auch Guſsstahl, liefere. Kurz vorher hatte Krupp sein Spezereigeschäft aufgelöst, dagegen auf dem linken Rheinufer in dem damals französischen Städtchen Mörs eine Feilenfabrik errichtet. Hier sollte ein Teil des in Essen fabrizierten Stahls zum Vertrieb nach Frankreich verarbeitet werden, um dadurch den hohen Zoll zu sparen. Doch hat dieses Werk nicht lange be- standen. 1815 verband sich Friedrich Krupp mit Nicolai, welcher in Preuſsen ein Patent auf Guſsstahl erhalten hatte. Diese Verbindung war aber keine glückliche. Krupp löste sie bald wieder auf, muſste aber Nicolai nicht nur eine bedeutende Entschädigung zahlen, son- dern wurde auch in einen langen Prozeſs wegen des Patentes verwickelt.
In demselben Jahre, in welchem die Firma Friedrich Krupp in Essen entstand, gründete John Cockerill, welcher der Begründer der belgischen Eisenindustrie wurde, eine Maschinenfabrik in Lüttich.
Um diese Zeit wurden auch an anderen Orten in Deutschland Versuche mit der Guſsstahlbereitung gemacht (s. S. 31). 1811 kamen die ersten Stahlbrennöfen bei Remscheid in Betrieb.
Die Waffenfabriken in Solingen und Suhl waren infolge der groſsen Rüstungen gut beschäftigt. Remscheid zählte 1803 3200 bis 3500 Eisen- und Stahlarbeiter.
Von der Eisenindustrie der übrigen deutschen Staaten ist aus diesen unruhigen Zeiten nicht viel zu berichten. Durch den Lune- viller Frieden und die Säkularisierung der geistlichen Herrschaften, dann durch die Mediatisierung vieler kleiner Fürstentümer trat eine groſse Änderung in den Besitzverhältnissen ein. Dadurch kam auch
1) Siehe Alfred Krupp von Friedrich Bädecker, 1889, S. 4.
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der Guſsstahlfabrikation schon seit einigen Jahren ergründet. Auch
Friedrich Krupp, dessen Neigungen ihn mehr zur Eisenindustrie
als zum Kaffeehandel hinzogen, erblickte in der Fabrikation des
Guſsstahls die wichtige Aufgabe der Zukunft. Dies veranlaſste ihn
am 7. Dezember 1811, ein kleines Gut, die Walkmühle bei Essen, mit
5 Morgen Land und Wasserkraft zu kaufen und auſser einem Reck-
hammer auch ein Schmelz- und Cementiergebäude zu errichten 1).
Friedrich Krupp ging von dem Grundsatz aus: ohne gutes Eisen
kein guter Stahl. Das beste Eisen im westlichen Deutschland war da-
mals das märkische Osemundeisen. Dieses benutzte er zur Herstellung
seines Cementstahls. Im Herbst 1812 waren die Einrichtungen seines
Werkes soweit gediehen, daſs er anzeigen konnte, daſs er von Ende
des Jahres an alle Sorten feinen Stahl, auch Guſsstahl, liefere. Kurz
vorher hatte Krupp sein Spezereigeschäft aufgelöst, dagegen auf dem
linken Rheinufer in dem damals französischen Städtchen Mörs eine
Feilenfabrik errichtet. Hier sollte ein Teil des in Essen fabrizierten
Stahls zum Vertrieb nach Frankreich verarbeitet werden, um dadurch
den hohen Zoll zu sparen. Doch hat dieses Werk nicht lange be-
standen. 1815 verband sich Friedrich Krupp mit Nicolai, welcher
in Preuſsen ein Patent auf Guſsstahl erhalten hatte. Diese Verbindung
war aber keine glückliche. Krupp löste sie bald wieder auf, muſste
aber Nicolai nicht nur eine bedeutende Entschädigung zahlen, son-
dern wurde auch in einen langen Prozeſs wegen des Patentes verwickelt.
In demselben Jahre, in welchem die Firma Friedrich Krupp
in Essen entstand, gründete John Cockerill, welcher der Begründer
der belgischen Eisenindustrie wurde, eine Maschinenfabrik in Lüttich.
Um diese Zeit wurden auch an anderen Orten in Deutschland
Versuche mit der Guſsstahlbereitung gemacht (s. S. 31). 1811 kamen
die ersten Stahlbrennöfen bei Remscheid in Betrieb.
Die Waffenfabriken in Solingen und Suhl waren infolge der
groſsen Rüstungen gut beschäftigt. Remscheid zählte 1803 3200 bis
3500 Eisen- und Stahlarbeiter.
Von der Eisenindustrie der übrigen deutschen Staaten ist
aus diesen unruhigen Zeiten nicht viel zu berichten. Durch den Lune-
viller Frieden und die Säkularisierung der geistlichen Herrschaften,
dann durch die Mediatisierung vieler kleiner Fürstentümer trat eine
groſse Änderung in den Besitzverhältnissen ein. Dadurch kam auch
1) Siehe Alfred Krupp von Friedrich Bädecker, 1889, S. 4.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/202>, abgerufen am 24.11.2024.
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