In den Zeitungen erschien folgende Bekanntmachung der Witwe des Verstorbenen:
Den geschätzten Handlungsfreunden meines verstorbenen Gatten beehre ich mich die Anzeige zu machen, dass durch sein frühes Hinscheiden das Geheimnis der Bereitung des Guss- stahles nicht verloren gegangen, sondern durch seine Vor- sorge auf unseren ältesten Sohn, der unter seiner Leitung schon einige Zeit der Fabrik vorgestanden, übergegangen ist, und dass ich mit demselben das Geschäft unter der früheren Firma von "Friedrich Krupp" fortsetzen und in Hinsicht der Güte des Gussstahles, sowie auch der in meiner Fabrik daraus verfertigten Waren, nichts zu wünschen übrig lassen werde.
Die Gegenstände, welche in meiner Fabrik verfertigt werden, sind folgende: Gussstahl in Stangen von beliebiger Dicke, desgl. in gewalzten Platten, auch in Stücken, genau nach Abzeichnungen der Modelle geschmiedet, z. B. Münzstempel, Stangen, Spindeln, Tuchscherblätter, Walzen u. dergl., wie solche nur verlangt und aufgegeben werden, sowie auch fertige Lohgerberwerkzeuge.
Gussstahlfabrik bei Essen, im Oktober 1826.
Witwe Therese Krupp geb. Wilhelmi.
Alfred oder richtiger Alfried Krupp war am 26. April 1812 zu Essen geboren. Ungewöhnlich früh entwickelte er sich zur Selbst- ständigkeit und Reife. Schon am 4. Oktober 1825, als er erst 131/2 Jahre alt war, hatte der Vater, nach Entlassung eines ungetreuen Buch- halters und eines unzuverlässigen Faktors, bekannt gemacht, dass er von nun an mit Hülfe seines ältesten Sohnes das ganze Geschäft allein besorgen werde. Doch arbeitete Alfred, der das Gymnasium in Essen besuchte, nur in seinen Freistunden bei dem Vater. Ostern 1826 aber nahm ihn dieser ganz in sein Geschäft. Der Knabe musste schon oft den leidenden Vater vertreten. Dieser erreichte aber trotz seiner Schmerzen und seiner schweren Krankheit das eine, dass er den begabten Sohn zum Hüttenmann ausbildete und ihm alle Kenntnisse und Erfah- rungen mitteilte, die er selbst im Leben erworben hatte. Er bestimmte vor seinem Tode, dass seine Witwe das Geschäft weiterführen sollte, da er seinen Sohn für fähig erachtete, die Fabrik zu leiten. So wurde der 14jährige verantwortlicher Chef, allerdings an der Seite seiner treuen Mutter, die an Klugheit und Energie keinem Manne nachstand. Früh aber lernte Alfred Krupp die sorgenvolle Last der Verantwortlichkeit kennen. Es war keine leichte Aufgabe für
Deutschland bis 1830.
In den Zeitungen erschien folgende Bekanntmachung der Witwe des Verstorbenen:
Den geschätzten Handlungsfreunden meines verstorbenen Gatten beehre ich mich die Anzeige zu machen, daſs durch sein frühes Hinscheiden das Geheimnis der Bereitung des Guſs- stahles nicht verloren gegangen, sondern durch seine Vor- sorge auf unseren ältesten Sohn, der unter seiner Leitung schon einige Zeit der Fabrik vorgestanden, übergegangen ist, und daſs ich mit demselben das Geschäft unter der früheren Firma von „Friedrich Krupp“ fortsetzen und in Hinsicht der Güte des Guſsstahles, sowie auch der in meiner Fabrik daraus verfertigten Waren, nichts zu wünschen übrig lassen werde.
Die Gegenstände, welche in meiner Fabrik verfertigt werden, sind folgende: Guſsstahl in Stangen von beliebiger Dicke, desgl. in gewalzten Platten, auch in Stücken, genau nach Abzeichnungen der Modelle geschmiedet, z. B. Münzstempel, Stangen, Spindeln, Tuchscherblätter, Walzen u. dergl., wie solche nur verlangt und aufgegeben werden, sowie auch fertige Lohgerberwerkzeuge.
Guſsstahlfabrik bei Essen, im Oktober 1826.
Witwe Therese Krupp geb. Wilhelmi.
Alfred oder richtiger Alfried Krupp war am 26. April 1812 zu Essen geboren. Ungewöhnlich früh entwickelte er sich zur Selbst- ständigkeit und Reife. Schon am 4. Oktober 1825, als er erst 13½ Jahre alt war, hatte der Vater, nach Entlassung eines ungetreuen Buch- halters und eines unzuverlässigen Faktors, bekannt gemacht, daſs er von nun an mit Hülfe seines ältesten Sohnes das ganze Geschäft allein besorgen werde. Doch arbeitete Alfred, der das Gymnasium in Essen besuchte, nur in seinen Freistunden bei dem Vater. Ostern 1826 aber nahm ihn dieser ganz in sein Geschäft. Der Knabe muſste schon oft den leidenden Vater vertreten. Dieser erreichte aber trotz seiner Schmerzen und seiner schweren Krankheit das eine, daſs er den begabten Sohn zum Hüttenmann ausbildete und ihm alle Kenntnisse und Erfah- rungen mitteilte, die er selbst im Leben erworben hatte. Er bestimmte vor seinem Tode, daſs seine Witwe das Geschäft weiterführen sollte, da er seinen Sohn für fähig erachtete, die Fabrik zu leiten. So wurde der 14jährige verantwortlicher Chef, allerdings an der Seite seiner treuen Mutter, die an Klugheit und Energie keinem Manne nachstand. Früh aber lernte Alfred Krupp die sorgenvolle Last der Verantwortlichkeit kennen. Es war keine leichte Aufgabe für
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Deutschland bis 1830.
In den Zeitungen erschien folgende Bekanntmachung der Witwe
des Verstorbenen:
Den geschätzten Handlungsfreunden meines verstorbenen
Gatten beehre ich mich die Anzeige zu machen, daſs durch sein
frühes Hinscheiden das Geheimnis der Bereitung des Guſs-
stahles nicht verloren gegangen, sondern durch seine Vor-
sorge auf unseren ältesten Sohn, der unter seiner Leitung schon
einige Zeit der Fabrik vorgestanden, übergegangen ist, und daſs
ich mit demselben das Geschäft unter der früheren Firma von
„Friedrich Krupp“ fortsetzen und in Hinsicht der Güte des
Guſsstahles, sowie auch der in meiner Fabrik daraus verfertigten
Waren, nichts zu wünschen übrig lassen werde.
Die Gegenstände, welche in meiner Fabrik verfertigt werden,
sind folgende: Guſsstahl in Stangen von beliebiger Dicke, desgl. in
gewalzten Platten, auch in Stücken, genau nach Abzeichnungen
der Modelle geschmiedet, z. B. Münzstempel, Stangen, Spindeln,
Tuchscherblätter, Walzen u. dergl., wie solche nur verlangt und
aufgegeben werden, sowie auch fertige Lohgerberwerkzeuge.
Guſsstahlfabrik bei Essen, im Oktober 1826.
Witwe Therese Krupp geb. Wilhelmi.
Alfred oder richtiger Alfried Krupp war am 26. April 1812
zu Essen geboren. Ungewöhnlich früh entwickelte er sich zur Selbst-
ständigkeit und Reife. Schon am 4. Oktober 1825, als er erst 13½ Jahre
alt war, hatte der Vater, nach Entlassung eines ungetreuen Buch-
halters und eines unzuverlässigen Faktors, bekannt gemacht, daſs er
von nun an mit Hülfe seines ältesten Sohnes das ganze Geschäft
allein besorgen werde. Doch arbeitete Alfred, der das Gymnasium
in Essen besuchte, nur in seinen Freistunden bei dem Vater. Ostern
1826 aber nahm ihn dieser ganz in sein Geschäft. Der Knabe muſste
schon oft den leidenden Vater vertreten. Dieser erreichte aber trotz seiner
Schmerzen und seiner schweren Krankheit das eine, daſs er den begabten
Sohn zum Hüttenmann ausbildete und ihm alle Kenntnisse und Erfah-
rungen mitteilte, die er selbst im Leben erworben hatte. Er bestimmte
vor seinem Tode, daſs seine Witwe das Geschäft weiterführen sollte,
da er seinen Sohn für fähig erachtete, die Fabrik zu leiten. So
wurde der 14jährige verantwortlicher Chef, allerdings an der Seite
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nachstand. Früh aber lernte Alfred Krupp die sorgenvolle Last
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/370>, abgerufen am 22.11.2024.
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