Das Flusseisen verdrängte für viele Verwendungen das Schweiss- eisen. Die Massenbetriebe vernichteten die zahlreichen Einzelbetriebe, die früher für die Eisenindustrie Österreichs und ganz besonders der Alpenländer so charakteristisch waren. Die alten Hammerwerke, die die Thäler Obersteiermarks und Kärntens belebten, deren anheimelnde Lage im stillen Waldthal einen so besonderen Reiz als Zeugen mensch- licher Thätigkeit in der Waldeinsamkeit gewährten, sie mussten ver- schwinden vor den Riesenschornsteinen und den gewaltigen Maschinen, von denen eine mehr leistete als vordem alle Pferde und Wasserräder des gewerbreichen Thales; verlassen stehen jetzt die Betriebsstätten, die jahrhundertelang der Nachbarschaft lohnenden Verdienst gaben und der Landschaft den eigenartigen Charakter aufprägten. Dass diese Idylle der Eisenindustrie für immer verschwunden ist, wird das Herz eines jeden, der diese einfache, anspruchslose und doch so thätige, selbstbewusste, in sich glückliche Zeit mit erlebt hat, mit Wehmut erfüllen. Und doch wird keiner, der die Entwickelung der Eisenindustrie kennt, diese schönen, aber für die heutigen Verhält- nisse unmöglichen Zustände zurücksehnen.
Der Herdfrischprozess mit Holzkohlen, der einst die Grundlage der ganzen österreichischen Eisenindustrie gebildet hatte, verschwand in dem neunten Jahrzehnt fast vollständig. Wo er noch fortbestand, suchte man ihn durch Brennmaterialersparung in überbauten Lancashire- Herden, die von Schweden überkommen waren, rentabel zu machen.
Der Puddelprozess passte in seiner ursprünglichen Form für Österreich, das an Steinkohlen so arm war, überhaupt nur insoweit, als sich die guten Braunkohlen dafür erfolgreich verwenden liessen; und das war zur Erzielung grösserer Produktion zuletzt nur noch durch Gasfeuerung möglich. In der Vervollkommnung der Gas- generatoren und der Gas-, Puddel- und Schweissöfen waren die Fortschritte des Schweisseisenbetriebes in dieser Zeit begründet.
Die fortschrittliche Thätigkeit in diesem Jahrzehnt richtete sich vornehmlich auf die Flusseisendarstellung. Der Thomasprozess und der basische Martinprozess waren die wichtigsten Errungenschaften dieser Zeit, die sich schliesslich untereinander den Rang streitig machten, bis der Herdflussstahl Sieger blieb. Den grössten Erfolg errang hierbei die nördliche Gruppe mit ihren grossartigen Werken. In Witkowitz war das erzeugte Roheisen an Phosphor zu reich für den Bessemerprozess und zu arm für den Thomasprozess. Deshalb wendete man ein kombiniertes Verfahren an, das darin bestand, dass man das Roheisen erst in einer sauren Birne so weit verblies, bis das Silicium und
Österreich-Ungarn.
Das Fluſseisen verdrängte für viele Verwendungen das Schweiſs- eisen. Die Massenbetriebe vernichteten die zahlreichen Einzelbetriebe, die früher für die Eisenindustrie Österreichs und ganz besonders der Alpenländer so charakteristisch waren. Die alten Hammerwerke, die die Thäler Obersteiermarks und Kärntens belebten, deren anheimelnde Lage im stillen Waldthal einen so besonderen Reiz als Zeugen mensch- licher Thätigkeit in der Waldeinsamkeit gewährten, sie muſsten ver- schwinden vor den Riesenschornsteinen und den gewaltigen Maschinen, von denen eine mehr leistete als vordem alle Pferde und Wasserräder des gewerbreichen Thales; verlassen stehen jetzt die Betriebsstätten, die jahrhundertelang der Nachbarschaft lohnenden Verdienst gaben und der Landschaft den eigenartigen Charakter aufprägten. Daſs diese Idylle der Eisenindustrie für immer verschwunden ist, wird das Herz eines jeden, der diese einfache, anspruchslose und doch so thätige, selbstbewuſste, in sich glückliche Zeit mit erlebt hat, mit Wehmut erfüllen. Und doch wird keiner, der die Entwickelung der Eisenindustrie kennt, diese schönen, aber für die heutigen Verhält- nisse unmöglichen Zustände zurücksehnen.
Der Herdfrischprozeſs mit Holzkohlen, der einst die Grundlage der ganzen österreichischen Eisenindustrie gebildet hatte, verschwand in dem neunten Jahrzehnt fast vollständig. Wo er noch fortbestand, suchte man ihn durch Brennmaterialersparung in überbauten Lancashire- Herden, die von Schweden überkommen waren, rentabel zu machen.
Der Puddelprozeſs paſste in seiner ursprünglichen Form für Österreich, das an Steinkohlen so arm war, überhaupt nur insoweit, als sich die guten Braunkohlen dafür erfolgreich verwenden lieſsen; und das war zur Erzielung gröſserer Produktion zuletzt nur noch durch Gasfeuerung möglich. In der Vervollkommnung der Gas- generatoren und der Gas-, Puddel- und Schweiſsöfen waren die Fortschritte des Schweiſseisenbetriebes in dieser Zeit begründet.
Die fortschrittliche Thätigkeit in diesem Jahrzehnt richtete sich vornehmlich auf die Fluſseisendarstellung. Der Thomasprozeſs und der basische Martinprozeſs waren die wichtigsten Errungenschaften dieser Zeit, die sich schlieſslich untereinander den Rang streitig machten, bis der Herdfluſsstahl Sieger blieb. Den gröſsten Erfolg errang hierbei die nördliche Gruppe mit ihren groſsartigen Werken. In Witkowitz war das erzeugte Roheisen an Phosphor zu reich für den Bessemerprozeſs und zu arm für den Thomasprozeſs. Deshalb wendete man ein kombiniertes Verfahren an, das darin bestand, daſs man das Roheisen erst in einer sauren Birne so weit verblies, bis das Silicium und
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Österreich-Ungarn.
Das Fluſseisen verdrängte für viele Verwendungen das Schweiſs-
eisen. Die Massenbetriebe vernichteten die zahlreichen Einzelbetriebe,
die früher für die Eisenindustrie Österreichs und ganz besonders der
Alpenländer so charakteristisch waren. Die alten Hammerwerke, die
die Thäler Obersteiermarks und Kärntens belebten, deren anheimelnde
Lage im stillen Waldthal einen so besonderen Reiz als Zeugen mensch-
licher Thätigkeit in der Waldeinsamkeit gewährten, sie muſsten ver-
schwinden vor den Riesenschornsteinen und den gewaltigen Maschinen,
von denen eine mehr leistete als vordem alle Pferde und Wasserräder
des gewerbreichen Thales; verlassen stehen jetzt die Betriebsstätten,
die jahrhundertelang der Nachbarschaft lohnenden Verdienst gaben
und der Landschaft den eigenartigen Charakter aufprägten. Daſs
diese Idylle der Eisenindustrie für immer verschwunden ist, wird
das Herz eines jeden, der diese einfache, anspruchslose und doch so
thätige, selbstbewuſste, in sich glückliche Zeit mit erlebt hat, mit
Wehmut erfüllen. Und doch wird keiner, der die Entwickelung der
Eisenindustrie kennt, diese schönen, aber für die heutigen Verhält-
nisse unmöglichen Zustände zurücksehnen.
Der Herdfrischprozeſs mit Holzkohlen, der einst die Grundlage
der ganzen österreichischen Eisenindustrie gebildet hatte, verschwand
in dem neunten Jahrzehnt fast vollständig. Wo er noch fortbestand,
suchte man ihn durch Brennmaterialersparung in überbauten Lancashire-
Herden, die von Schweden überkommen waren, rentabel zu machen.
Der Puddelprozeſs paſste in seiner ursprünglichen Form für
Österreich, das an Steinkohlen so arm war, überhaupt nur insoweit,
als sich die guten Braunkohlen dafür erfolgreich verwenden lieſsen;
und das war zur Erzielung gröſserer Produktion zuletzt nur noch
durch Gasfeuerung möglich. In der Vervollkommnung der Gas-
generatoren und der Gas-, Puddel- und Schweiſsöfen waren die
Fortschritte des Schweiſseisenbetriebes in dieser Zeit begründet.
Die fortschrittliche Thätigkeit in diesem Jahrzehnt richtete sich
vornehmlich auf die Fluſseisendarstellung. Der Thomasprozeſs und
der basische Martinprozeſs waren die wichtigsten Errungenschaften
dieser Zeit, die sich schlieſslich untereinander den Rang streitig
machten, bis der Herdfluſsstahl Sieger blieb. Den gröſsten Erfolg
errang hierbei die nördliche Gruppe mit ihren groſsartigen Werken. In
Witkowitz war das erzeugte Roheisen an Phosphor zu reich für den
Bessemerprozeſs und zu arm für den Thomasprozeſs. Deshalb wendete
man ein kombiniertes Verfahren an, das darin bestand, daſs man das
Roheisen erst in einer sauren Birne so weit verblies, bis das Silicium und
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1179>, abgerufen am 23.11.2024.
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