Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Österreich-Ungarn.
der grösste Teil des Kohlenstoffs verbrannt waren, und dann das heisse
Schmelzgut in einem basischen Martinofen entphosphorte und fertig
machte.

In Böhmen bildete sich ebenfalls ein ganz eigenartiger Prozess
der Flusseisendarstellung aus. Das Roheisen, welches aus den Nucicer-
Erzen erblasen wurde, war arm an Mangan, Silicium und Schwefel,
also an den Bestandteilen, die durch ihre Verbrennung in der Birne
dem Eisenbad am meisten Hitze geben. Infolgedessen führte man
den Prozess so, dass man das bei hoher Windtemperatur erblasene
halbierte Roheisen direkt in einen Martinofen mit saurem Herdfutter
abstach, es hierin eine Stunde lang überhitzte, indem man gleich-
zeitig festes Thomasroheisen einschmolz und dieses dann in einem
basischen Konverter entphosphorte und fertig machte. In dieser
Weise wurde in Kladno und Königshof gearbeitet.

In Witkowitz war 1890 ein neues Martinwerk mit fünf Öfen zu
je 20 Tonnen Einsatz, die mit einem Konverter zum Vorfrischen ver-
bunden waren, in Betrieb genommen worden.

W. Schmiedhammer 1) empfahl ein Vorfrischen in saurer Birne,
Ausgiessen des heissen Metalls über den in einem basischen Martin-
ofen eingesetzten Schrott und Fertigmachen mit möglichst wenig, aber
stark basischer Schlacke.

Die Zahl der basischen Martinöfen hatte sich seit 1888 sehr ver-
mehrt, während bei dem Windfrischprozess, sowohl dem basischen wie
dem sauren, ein Stillstand eingetreten war. Nach Fr. Kuppelwieser 2)
betrug 1890 die Zahl der Konverter in Österreich-Ungarn 37, die der
Martinöfen 48, die Erzeugung von Konverterflusseisen 1888 288347
Tonnen, 1890 287681 Tonnen, wovon 138021 Tonnen Thomasflusseisen;
die von Martinflusseisen betrug 1888 392813 Tonnen, 1890 499600
Tonnen, davon basisch 1888 104466 Tonnen, 1890 211919 Tonnen.
Das basische Martinflusseisen wurde in Österreich gegenüber dem
Thomaseisen sehr bevorzugt, welch letzteres von der Regierung weder
für Eisenbahnschienen noch zum Brückenbau zugelassen wurde.

Die Fortschritte beschränken sich indessen nicht allein auf die
Flusseisenerzeugung. Für die direkte Gewinnung schmiedbaren Eisens
aus den Erzen bemühte sich 1890/91 J. v. Ehrenwerth 3). Versuche
mit seinem Verfahren wurden in dem Grazer Eisenwerk und zu
Donawitz gemacht.


1) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 546.
2) A. a. O. 1891, S. 1009.
3) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 299, 978.

Österreich-Ungarn.
der gröſste Teil des Kohlenstoffs verbrannt waren, und dann das heiſse
Schmelzgut in einem basischen Martinofen entphosphorte und fertig
machte.

In Böhmen bildete sich ebenfalls ein ganz eigenartiger Prozeſs
der Fluſseisendarstellung aus. Das Roheisen, welches aus den Nucičer-
Erzen erblasen wurde, war arm an Mangan, Silicium und Schwefel,
also an den Bestandteilen, die durch ihre Verbrennung in der Birne
dem Eisenbad am meisten Hitze geben. Infolgedessen führte man
den Prozeſs so, daſs man das bei hoher Windtemperatur erblasene
halbierte Roheisen direkt in einen Martinofen mit saurem Herdfutter
abstach, es hierin eine Stunde lang überhitzte, indem man gleich-
zeitig festes Thomasroheisen einschmolz und dieses dann in einem
basischen Konverter entphosphorte und fertig machte. In dieser
Weise wurde in Kladno und Königshof gearbeitet.

In Witkowitz war 1890 ein neues Martinwerk mit fünf Öfen zu
je 20 Tonnen Einsatz, die mit einem Konverter zum Vorfrischen ver-
bunden waren, in Betrieb genommen worden.

W. Schmiedhammer 1) empfahl ein Vorfrischen in saurer Birne,
Ausgieſsen des heiſsen Metalls über den in einem basischen Martin-
ofen eingesetzten Schrott und Fertigmachen mit möglichst wenig, aber
stark basischer Schlacke.

Die Zahl der basischen Martinöfen hatte sich seit 1888 sehr ver-
mehrt, während bei dem Windfrischprozeſs, sowohl dem basischen wie
dem sauren, ein Stillstand eingetreten war. Nach Fr. Kuppelwieser 2)
betrug 1890 die Zahl der Konverter in Österreich-Ungarn 37, die der
Martinöfen 48, die Erzeugung von Konverterfluſseisen 1888 288347
Tonnen, 1890 287681 Tonnen, wovon 138021 Tonnen Thomasfluſseisen;
die von Martinfluſseisen betrug 1888 392813 Tonnen, 1890 499600
Tonnen, davon basisch 1888 104466 Tonnen, 1890 211919 Tonnen.
Das basische Martinfluſseisen wurde in Österreich gegenüber dem
Thomaseisen sehr bevorzugt, welch letzteres von der Regierung weder
für Eisenbahnschienen noch zum Brückenbau zugelassen wurde.

Die Fortschritte beschränken sich indessen nicht allein auf die
Fluſseisenerzeugung. Für die direkte Gewinnung schmiedbaren Eisens
aus den Erzen bemühte sich 1890/91 J. v. Ehrenwerth 3). Versuche
mit seinem Verfahren wurden in dem Grazer Eisenwerk und zu
Donawitz gemacht.


1) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 546.
2) A. a. O. 1891, S. 1009.
3) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 299, 978.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1180" n="1164"/><fw place="top" type="header">Österreich-Ungarn.</fw><lb/>
der grö&#x017F;ste Teil des Kohlenstoffs verbrannt waren, und dann das hei&#x017F;se<lb/>
Schmelzgut in einem basischen Martinofen entphosphorte und fertig<lb/>
machte.</p><lb/>
          <p>In Böhmen bildete sich ebenfalls ein ganz eigenartiger Proze&#x017F;s<lb/>
der Flu&#x017F;seisendarstellung aus. Das Roheisen, welches aus den Nuci&#x010D;er-<lb/>
Erzen erblasen wurde, war arm an Mangan, Silicium und Schwefel,<lb/>
also an den Bestandteilen, die durch ihre Verbrennung in der Birne<lb/>
dem Eisenbad am meisten Hitze geben. Infolgedessen führte man<lb/>
den Proze&#x017F;s so, da&#x017F;s man das bei hoher Windtemperatur erblasene<lb/>
halbierte Roheisen direkt in einen Martinofen mit saurem Herdfutter<lb/>
abstach, es hierin eine Stunde lang überhitzte, indem man gleich-<lb/>
zeitig festes Thomasroheisen einschmolz und dieses dann in einem<lb/>
basischen Konverter entphosphorte und fertig machte. In dieser<lb/>
Weise wurde in Kladno und Königshof gearbeitet.</p><lb/>
          <p>In Witkowitz war 1890 ein neues Martinwerk mit fünf Öfen zu<lb/>
je 20 Tonnen Einsatz, die mit einem Konverter zum Vorfrischen ver-<lb/>
bunden waren, in Betrieb genommen worden.</p><lb/>
          <p>W. <hi rendition="#g">Schmiedhammer</hi> <note place="foot" n="1)">Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 546.</note> empfahl ein Vorfrischen in saurer Birne,<lb/>
Ausgie&#x017F;sen des hei&#x017F;sen Metalls über den in einem basischen Martin-<lb/>
ofen eingesetzten Schrott und Fertigmachen mit möglichst wenig, aber<lb/>
stark basischer Schlacke.</p><lb/>
          <p>Die Zahl der basischen Martinöfen hatte sich seit 1888 sehr ver-<lb/>
mehrt, während bei dem Windfrischproze&#x017F;s, sowohl dem basischen wie<lb/>
dem sauren, ein Stillstand eingetreten war. Nach <hi rendition="#g">Fr. Kuppelwieser</hi> <note place="foot" n="2)">A. a. O. 1891, S. 1009.</note><lb/>
betrug 1890 die Zahl der Konverter in Österreich-Ungarn 37, die der<lb/>
Martinöfen 48, die Erzeugung von Konverterflu&#x017F;seisen 1888 288347<lb/>
Tonnen, 1890 287681 Tonnen, wovon 138021 Tonnen Thomasflu&#x017F;seisen;<lb/>
die von Martinflu&#x017F;seisen betrug 1888 392813 Tonnen, 1890 499600<lb/>
Tonnen, davon basisch 1888 104466 Tonnen, 1890 211919 Tonnen.<lb/>
Das basische Martinflu&#x017F;seisen wurde in Österreich gegenüber dem<lb/>
Thomaseisen sehr bevorzugt, welch letzteres von der Regierung weder<lb/>
für Eisenbahnschienen noch zum Brückenbau zugelassen wurde.</p><lb/>
          <p>Die Fortschritte beschränken sich indessen nicht allein auf die<lb/>
Flu&#x017F;seisenerzeugung. Für die direkte Gewinnung schmiedbaren Eisens<lb/>
aus den Erzen bemühte sich 1890/91 J. v. <hi rendition="#g">Ehrenwerth</hi> <note place="foot" n="3)">Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 299, 978.</note>. Versuche<lb/>
mit seinem Verfahren wurden in dem Grazer Eisenwerk und zu<lb/>
Donawitz gemacht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1164/1180] Österreich-Ungarn. der gröſste Teil des Kohlenstoffs verbrannt waren, und dann das heiſse Schmelzgut in einem basischen Martinofen entphosphorte und fertig machte. In Böhmen bildete sich ebenfalls ein ganz eigenartiger Prozeſs der Fluſseisendarstellung aus. Das Roheisen, welches aus den Nucičer- Erzen erblasen wurde, war arm an Mangan, Silicium und Schwefel, also an den Bestandteilen, die durch ihre Verbrennung in der Birne dem Eisenbad am meisten Hitze geben. Infolgedessen führte man den Prozeſs so, daſs man das bei hoher Windtemperatur erblasene halbierte Roheisen direkt in einen Martinofen mit saurem Herdfutter abstach, es hierin eine Stunde lang überhitzte, indem man gleich- zeitig festes Thomasroheisen einschmolz und dieses dann in einem basischen Konverter entphosphorte und fertig machte. In dieser Weise wurde in Kladno und Königshof gearbeitet. In Witkowitz war 1890 ein neues Martinwerk mit fünf Öfen zu je 20 Tonnen Einsatz, die mit einem Konverter zum Vorfrischen ver- bunden waren, in Betrieb genommen worden. W. Schmiedhammer 1) empfahl ein Vorfrischen in saurer Birne, Ausgieſsen des heiſsen Metalls über den in einem basischen Martin- ofen eingesetzten Schrott und Fertigmachen mit möglichst wenig, aber stark basischer Schlacke. Die Zahl der basischen Martinöfen hatte sich seit 1888 sehr ver- mehrt, während bei dem Windfrischprozeſs, sowohl dem basischen wie dem sauren, ein Stillstand eingetreten war. Nach Fr. Kuppelwieser 2) betrug 1890 die Zahl der Konverter in Österreich-Ungarn 37, die der Martinöfen 48, die Erzeugung von Konverterfluſseisen 1888 288347 Tonnen, 1890 287681 Tonnen, wovon 138021 Tonnen Thomasfluſseisen; die von Martinfluſseisen betrug 1888 392813 Tonnen, 1890 499600 Tonnen, davon basisch 1888 104466 Tonnen, 1890 211919 Tonnen. Das basische Martinfluſseisen wurde in Österreich gegenüber dem Thomaseisen sehr bevorzugt, welch letzteres von der Regierung weder für Eisenbahnschienen noch zum Brückenbau zugelassen wurde. Die Fortschritte beschränken sich indessen nicht allein auf die Fluſseisenerzeugung. Für die direkte Gewinnung schmiedbaren Eisens aus den Erzen bemühte sich 1890/91 J. v. Ehrenwerth 3). Versuche mit seinem Verfahren wurden in dem Grazer Eisenwerk und zu Donawitz gemacht. 1) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 546. 2) A. a. O. 1891, S. 1009. 3) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 299, 978.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1180
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1180>, abgerufen am 23.11.2024.