Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
John Brown fremden Ingenieuren in entgegenkommendster Weise den Zutritt zu ihren Werken gestatteten. Dadurch gelangten erst genauere und zuverlässigere Nachrichten in die hüttenmännischen Kreise, aus denen wir das Wichtigste in Folgendem kurz zusammen- stellen.
Bessemer schmolz das Roheisen in Flammöfen und goss es mit einer Gusspfanne in den Konverter. Der Einsatz betrug nur 20 bis 30 Centner. Der Wind gelangte durch 9 x 4 = 36 Düsen von 3/8 Zoll lichter Weite von unten in den Ofen; er hatte 15 Pfund Pressung pro Quadratzoll. Die Blasezeit betrug 23 Minuten.
John Browns Konverter fassten dagegen Chargen von 60 Centner, hatten 7 x 7 = 49 Düsen von 2/8 Zoll Durchmesser bei einem Wind- druck von 17 bis 18 Pfund. Der Frischprozess verlief in 17 bis 18 Minuten, also trotz der grösseren Chargen in kürzerer Zeit. Dies lag zum Teil in der besseren Disposition der Anlage. Während bei Bessemer Schmelzofen und Konverter sich auf einer Sohle befanden, so dass das Roheisen mit der Gusspfanne zum Einfüllen gehoben werden musste, stand in dem Atlaswerk von Brown der Flammofen so hoch, dass das geschmolzene Eisen direkt in die Birne abgestochen werden konnte. Ersteres erforderte fünf Minuten, während letzteres in drei Minuten beendet war.
Nach Bessemers Angaben mussten für jede Tonne Eisen 20 Kubikmeter Luft eingeleitet werden.
Die Auskleidung des eisernen Konverters mit einem feuerfesten Futter war für die Praxis eine sehr wichtige Sache. Bessemer hatte den in der Nähe von Sheffield vorkommenden Sandstein, Ganister genannt, als das geeignetste Material erkannt, das gemahlen, gebrannt, zu Masse geformt mit Schablonen eingestampft wurde.
Über die chemischen Vorgänge bei dem Bessemerprozess herrschten noch unklare und zum Teil widersprechende Ansichten. So war Bessemer noch der Meinung, dass der Zusatz von geschmolzenem Spiegeleisen nach der Entkohlung nur durch einen Siliciumgehalt vorteilhaft wirke, weil dieser die Blasenbildung verhindere. Tunner dagegen erklärte mit Recht den Spiegeleisenzusatz nur wegen des Kohlenstoffgehaltes für notwendig. Allerdings wies er auch auf die Wichtigkeit des Siliciumgehaltes des Roheisens für den Frischprozess hin, indem er die Analogie des Vorgangs mit dem Puddelprozess betonte. Deshalb sei für weiches Bessemereisen ein siliciumreiches Roheisen erforderlich, während für Bessemerstahl (bei der schwedischen Methode) ein siliciumärmeres Roheisen besser sei, weil sonst das Silicium im
Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
John Brown fremden Ingenieuren in entgegenkommendster Weise den Zutritt zu ihren Werken gestatteten. Dadurch gelangten erst genauere und zuverlässigere Nachrichten in die hüttenmännischen Kreise, aus denen wir das Wichtigste in Folgendem kurz zusammen- stellen.
Bessemer schmolz das Roheisen in Flammöfen und goſs es mit einer Guſspfanne in den Konverter. Der Einsatz betrug nur 20 bis 30 Centner. Der Wind gelangte durch 9 × 4 = 36 Düsen von ⅜ Zoll lichter Weite von unten in den Ofen; er hatte 15 Pfund Pressung pro Quadratzoll. Die Blasezeit betrug 23 Minuten.
John Browns Konverter faſsten dagegen Chargen von 60 Centner, hatten 7 × 7 = 49 Düsen von 2/8 Zoll Durchmesser bei einem Wind- druck von 17 bis 18 Pfund. Der Frischprozeſs verlief in 17 bis 18 Minuten, also trotz der gröſseren Chargen in kürzerer Zeit. Dies lag zum Teil in der besseren Disposition der Anlage. Während bei Bessemer Schmelzofen und Konverter sich auf einer Sohle befanden, so daſs das Roheisen mit der Guſspfanne zum Einfüllen gehoben werden muſste, stand in dem Atlaswerk von Brown der Flammofen so hoch, daſs das geschmolzene Eisen direkt in die Birne abgestochen werden konnte. Ersteres erforderte fünf Minuten, während letzteres in drei Minuten beendet war.
Nach Bessemers Angaben muſsten für jede Tonne Eisen 20 Kubikmeter Luft eingeleitet werden.
Die Auskleidung des eisernen Konverters mit einem feuerfesten Futter war für die Praxis eine sehr wichtige Sache. Bessemer hatte den in der Nähe von Sheffield vorkommenden Sandstein, Ganister genannt, als das geeignetste Material erkannt, das gemahlen, gebrannt, zu Masse geformt mit Schablonen eingestampft wurde.
Über die chemischen Vorgänge bei dem Bessemerprozeſs herrschten noch unklare und zum Teil widersprechende Ansichten. So war Bessemer noch der Meinung, daſs der Zusatz von geschmolzenem Spiegeleisen nach der Entkohlung nur durch einen Siliciumgehalt vorteilhaft wirke, weil dieser die Blasenbildung verhindere. Tunner dagegen erklärte mit Recht den Spiegeleisenzusatz nur wegen des Kohlenstoffgehaltes für notwendig. Allerdings wies er auch auf die Wichtigkeit des Siliciumgehaltes des Roheisens für den Frischprozeſs hin, indem er die Analogie des Vorgangs mit dem Puddelprozeſs betonte. Deshalb sei für weiches Bessemereisen ein siliciumreiches Roheisen erforderlich, während für Bessemerstahl (bei der schwedischen Methode) ein siliciumärmeres Roheisen besser sei, weil sonst das Silicium im
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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
John Brown fremden Ingenieuren in entgegenkommendster Weise
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genauere und zuverlässigere Nachrichten in die hüttenmännischen
Kreise, aus denen wir das Wichtigste in Folgendem kurz zusammen-
stellen.
Bessemer schmolz das Roheisen in Flammöfen und goſs es mit
einer Guſspfanne in den Konverter. Der Einsatz betrug nur 20 bis
30 Centner. Der Wind gelangte durch 9 × 4 = 36 Düsen von ⅜ Zoll
lichter Weite von unten in den Ofen; er hatte 15 Pfund Pressung
pro Quadratzoll. Die Blasezeit betrug 23 Minuten.
John Browns Konverter faſsten dagegen Chargen von 60 Centner,
hatten 7 × 7 = 49 Düsen von 2/8 Zoll Durchmesser bei einem Wind-
druck von 17 bis 18 Pfund. Der Frischprozeſs verlief in 17 bis
18 Minuten, also trotz der gröſseren Chargen in kürzerer Zeit. Dies
lag zum Teil in der besseren Disposition der Anlage. Während bei
Bessemer Schmelzofen und Konverter sich auf einer Sohle befanden,
so daſs das Roheisen mit der Guſspfanne zum Einfüllen gehoben
werden muſste, stand in dem Atlaswerk von Brown der Flammofen
so hoch, daſs das geschmolzene Eisen direkt in die Birne abgestochen
werden konnte. Ersteres erforderte fünf Minuten, während letzteres
in drei Minuten beendet war.
Nach Bessemers Angaben muſsten für jede Tonne Eisen
20 Kubikmeter Luft eingeleitet werden.
Die Auskleidung des eisernen Konverters mit einem feuerfesten
Futter war für die Praxis eine sehr wichtige Sache. Bessemer hatte
den in der Nähe von Sheffield vorkommenden Sandstein, Ganister
genannt, als das geeignetste Material erkannt, das gemahlen, gebrannt,
zu Masse geformt mit Schablonen eingestampft wurde.
Über die chemischen Vorgänge bei dem Bessemerprozeſs herrschten
noch unklare und zum Teil widersprechende Ansichten. So war
Bessemer noch der Meinung, daſs der Zusatz von geschmolzenem
Spiegeleisen nach der Entkohlung nur durch einen Siliciumgehalt
vorteilhaft wirke, weil dieser die Blasenbildung verhindere. Tunner
dagegen erklärte mit Recht den Spiegeleisenzusatz nur wegen des
Kohlenstoffgehaltes für notwendig. Allerdings wies er auch auf die
Wichtigkeit des Siliciumgehaltes des Roheisens für den Frischprozeſs
hin, indem er die Analogie des Vorgangs mit dem Puddelprozeſs betonte.
Deshalb sei für weiches Bessemereisen ein siliciumreiches Roheisen
erforderlich, während für Bessemerstahl (bei der schwedischen Methode)
ein siliciumärmeres Roheisen besser sei, weil sonst das Silicium im
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/149>, abgerufen am 24.11.2024.
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