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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870.
umgerührt. Die Schlacke musste das Metall bedecken, sonst mussten
schlackenbildende Abfälle, z. B. Gussstahltiegelscherben, aufgegeben
werden. Jetzt steigerte man die Hitze auf den höchsten Punkt und
trug dann die vorgewärmten Stahlabfälle ein; waren diese in der
Masse gelöst, so warf man die ebenfalls vorgewärmten Schmiedeeisen-
abfälle ein. Die Einsätze der Abfälle geschahen meist in Posten von
50 kg Gewicht und wurden nach jedem Zusatz mit Holzstangen, wo-
für man meist Birkenstämmchen verwendete, umgerührt. Alle 20
bis 30 Minuten erfolgte dann ein neuer Zusatz. Man trieb die Ent-
kohlung weiter als dem Schlussprodukt entsprach und bewirkte dann
durch Zusatz von Spiegeleisen oder von Ferromangan, je nachdem
man härteres oder weicheres Material erstrebte, eine entsprechende
Rückkohlung. Die gebildete Schlacke musste hellfarbig, grau oder
gelblich sein. Schwarze Schlacke, die auf zu niedrige Temperatur
deutete, musste sofort abgezogen und die Hitze gesteigert werden.
Die Schlacke wurde meist nach dem Umrühren abgezogen und dann
Probe genommen. Die Proben bestanden in Bruch- und Schmiede-
proben. Das fertige Flussmetall wurde in eine, in der vor dem Ofen
befindlichen Giessgrube stehende Giesspfanne abgestochen. Die Pfanne
wurde mittels Krans gehoben, den Blockformen oder den Gussformen
zugeführt und in diese entleert. Die Operation dauerte an sieben
Stunden, so dass einschliesslich der Reparaturen drei Chargen in
24 Stunden gemacht wurden.

Das angewandte Roheisen sollte möglichst frei von Schwefel
und Phosphor sein und den Kohlenstoff in gebundenem Zustande ent-
halten. Ein Siliciumgehalt war erwünscht zum Schutze des Kohlen-
stoffs. Man verwendete weisses, halbiertes und gefeintes Roheisen.
Wendete man graues Roheisen an, so musste dies reich an Silicium
sein und durch das Umschmelzen erst in gefeintes Eisen übergeführt
werden. Auch die Zusätze sollten frei von Schwefel und Phosphor
sein. Wedding sagte deshalb 1875 1): "Der ganze Flussstahlprozess
ist von der Beschaffenheit der Stahl- und Schmiedeeisenzusätze ab-
hängig. Er wird da gewöhnlich unrentabel, wo man dies Material
erst absichtlich durch irgend einen der Frischprozesse herstellen
muss, ist dagegen überall da mit grossem Vorteil zu verwenden, wo
diese Materialien als ein Abgang, der sich schwer anderweitig ver-
werten lässt, in hinreichender Menge erzeugt werden." Doch führt
er selbst das Borsigwerk als ein Beispiel dafür an, dass man auch

1) Wedding, a. a. O. III, S. 546.

Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.
umgerührt. Die Schlacke muſste das Metall bedecken, sonst muſsten
schlackenbildende Abfälle, z. B. Guſsstahltiegelscherben, aufgegeben
werden. Jetzt steigerte man die Hitze auf den höchsten Punkt und
trug dann die vorgewärmten Stahlabfälle ein; waren diese in der
Masse gelöst, so warf man die ebenfalls vorgewärmten Schmiedeeisen-
abfälle ein. Die Einsätze der Abfälle geschahen meist in Posten von
50 kg Gewicht und wurden nach jedem Zusatz mit Holzstangen, wo-
für man meist Birkenstämmchen verwendete, umgerührt. Alle 20
bis 30 Minuten erfolgte dann ein neuer Zusatz. Man trieb die Ent-
kohlung weiter als dem Schluſsprodukt entsprach und bewirkte dann
durch Zusatz von Spiegeleisen oder von Ferromangan, je nachdem
man härteres oder weicheres Material erstrebte, eine entsprechende
Rückkohlung. Die gebildete Schlacke muſste hellfarbig, grau oder
gelblich sein. Schwarze Schlacke, die auf zu niedrige Temperatur
deutete, muſste sofort abgezogen und die Hitze gesteigert werden.
Die Schlacke wurde meist nach dem Umrühren abgezogen und dann
Probe genommen. Die Proben bestanden in Bruch- und Schmiede-
proben. Das fertige Fluſsmetall wurde in eine, in der vor dem Ofen
befindlichen Gieſsgrube stehende Gieſspfanne abgestochen. Die Pfanne
wurde mittels Krans gehoben, den Blockformen oder den Guſsformen
zugeführt und in diese entleert. Die Operation dauerte an sieben
Stunden, so daſs einschlieſslich der Reparaturen drei Chargen in
24 Stunden gemacht wurden.

Das angewandte Roheisen sollte möglichst frei von Schwefel
und Phosphor sein und den Kohlenstoff in gebundenem Zustande ent-
halten. Ein Siliciumgehalt war erwünscht zum Schutze des Kohlen-
stoffs. Man verwendete weiſses, halbiertes und gefeintes Roheisen.
Wendete man graues Roheisen an, so muſste dies reich an Silicium
sein und durch das Umschmelzen erst in gefeintes Eisen übergeführt
werden. Auch die Zusätze sollten frei von Schwefel und Phosphor
sein. Wedding sagte deshalb 1875 1): „Der ganze Fluſsstahlprozeſs
ist von der Beschaffenheit der Stahl- und Schmiedeeisenzusätze ab-
hängig. Er wird da gewöhnlich unrentabel, wo man dies Material
erst absichtlich durch irgend einen der Frischprozesse herstellen
muſs, ist dagegen überall da mit groſsem Vorteil zu verwenden, wo
diese Materialien als ein Abgang, der sich schwer anderweitig ver-
werten läſst, in hinreichender Menge erzeugt werden.“ Doch führt
er selbst das Borsigwerk als ein Beispiel dafür an, daſs man auch

1) Wedding, a. a. O. III, S. 546.
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[698/0714] Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870. umgerührt. Die Schlacke muſste das Metall bedecken, sonst muſsten schlackenbildende Abfälle, z. B. Guſsstahltiegelscherben, aufgegeben werden. Jetzt steigerte man die Hitze auf den höchsten Punkt und trug dann die vorgewärmten Stahlabfälle ein; waren diese in der Masse gelöst, so warf man die ebenfalls vorgewärmten Schmiedeeisen- abfälle ein. Die Einsätze der Abfälle geschahen meist in Posten von 50 kg Gewicht und wurden nach jedem Zusatz mit Holzstangen, wo- für man meist Birkenstämmchen verwendete, umgerührt. Alle 20 bis 30 Minuten erfolgte dann ein neuer Zusatz. Man trieb die Ent- kohlung weiter als dem Schluſsprodukt entsprach und bewirkte dann durch Zusatz von Spiegeleisen oder von Ferromangan, je nachdem man härteres oder weicheres Material erstrebte, eine entsprechende Rückkohlung. Die gebildete Schlacke muſste hellfarbig, grau oder gelblich sein. Schwarze Schlacke, die auf zu niedrige Temperatur deutete, muſste sofort abgezogen und die Hitze gesteigert werden. Die Schlacke wurde meist nach dem Umrühren abgezogen und dann Probe genommen. Die Proben bestanden in Bruch- und Schmiede- proben. Das fertige Fluſsmetall wurde in eine, in der vor dem Ofen befindlichen Gieſsgrube stehende Gieſspfanne abgestochen. Die Pfanne wurde mittels Krans gehoben, den Blockformen oder den Guſsformen zugeführt und in diese entleert. Die Operation dauerte an sieben Stunden, so daſs einschlieſslich der Reparaturen drei Chargen in 24 Stunden gemacht wurden. Das angewandte Roheisen sollte möglichst frei von Schwefel und Phosphor sein und den Kohlenstoff in gebundenem Zustande ent- halten. Ein Siliciumgehalt war erwünscht zum Schutze des Kohlen- stoffs. Man verwendete weiſses, halbiertes und gefeintes Roheisen. Wendete man graues Roheisen an, so muſste dies reich an Silicium sein und durch das Umschmelzen erst in gefeintes Eisen übergeführt werden. Auch die Zusätze sollten frei von Schwefel und Phosphor sein. Wedding sagte deshalb 1875 1): „Der ganze Fluſsstahlprozeſs ist von der Beschaffenheit der Stahl- und Schmiedeeisenzusätze ab- hängig. Er wird da gewöhnlich unrentabel, wo man dies Material erst absichtlich durch irgend einen der Frischprozesse herstellen muſs, ist dagegen überall da mit groſsem Vorteil zu verwenden, wo diese Materialien als ein Abgang, der sich schwer anderweitig ver- werten läſst, in hinreichender Menge erzeugt werden.“ Doch führt er selbst das Borsigwerk als ein Beispiel dafür an, daſs man auch 1) Wedding, a. a. O. III, S. 546.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 698. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/714>, abgerufen am 24.11.2024.