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Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

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statt Kohlensäure Sauerstoff enthält, heißt arterielles Blut und
ist röthlich. Das Pump- und Triebwerk, welches das Blut be-
ständig im Kreise im Körper herum und so auch in die Lungen
und aus den Lungen treibt, ist das Herz.

Wir haben dieß jetzt so ausführlich erörtert, um zu zeigen,
wie wichtig es sei, daß man in diese Lunge, die ein so feines,
künstliches Gewebe ist, keinen Staub durch die Luft einathme,
der diese feinsten Canälchen und Bläschen verstopft und ver-
derbt; wie man eine reine Luft einathmen solle, die den Sauer-
stoff, den man braucht, reichlich enthält und die Kohlensäure
und überhaupt, was man ausgeathmet hat, nicht; wie aus der
Luft alles in das Blut, in die Nerven, in das Leben, in die
Seele eingeführt werde.

Wir brauchen, ein erwachsener Mensch, in der Stunde
190--200 Kubikfuß reine Luft; in der Stunde nehmen wir
aus der Luft etwa 60 Kubikfuß Sauerstoff auf, und geben un-
gefähr gleichviel Kohlensäure ab. Jn einem verschlossenen Raum,
in einem Zimmer wird also die Luft nach und nach unathem-
bar; ihr Sauerstoff wird verzehrt; sie wird dagegen mit der
für uns tödtlichen Kohlensäure angefüllt. Dieses Schlechtwerden
der Luft wird dann noch vermehrt, wenn Lichter, namentlich Gas-
flammen im Zimmer brennen, die alle auch Sauerstoff verzehren,
ebenso Pflanzen oder Thiere. Die Luft eines Zimmers wird
um so schneller unathembar, als das Zimmer klein ist und um
so mehr Menschen sich darin aufhalten. Es wird uns anfäng-
lich unwohl, dann schlecht, dann zum Sterben schlecht, und daß
man dann auch sterben kann, plötzlich sterben, ist eine oft vor-
gekommene Thatsache, der Erstickungen durch Verschüttung,
Kohlen- oder anderes Gas gar nicht zu gedenken. Durch das
Athmen, haben wir gesehen, geben wir nicht bloß Kohlensäure
an die Luft ab, sondern auch Wasser. Athmen wir lange oder
athmen viel Menschen in demselben Raume, so wird die Luft
von diesen Wasserdünsten, die wir ausathmen, ganz voll, ganz
wässerig, feucht. Dazu kommt natürlich noch die Wasseraus-
dünstung auf unserer ganzen Oberfläche, auf der Haut. Es
wird im Zimmer die Luft so feucht, es giebt so einen Dunst,

II. 4

ſtatt Kohlenſäure Sauerſtoff enthält, heißt arterielles Blut und
iſt röthlich. Das Pump- und Triebwerk, welches das Blut be-
ſtändig im Kreiſe im Körper herum und ſo auch in die Lungen
und aus den Lungen treibt, iſt das Herz.

Wir haben dieß jetzt ſo ausführlich erörtert, um zu zeigen,
wie wichtig es ſei, daß man in dieſe Lunge, die ein ſo feines,
künſtliches Gewebe iſt, keinen Staub durch die Luft einathme,
der dieſe feinſten Canälchen und Bläschen verſtopft und ver-
derbt; wie man eine reine Luft einathmen ſolle, die den Sauer-
ſtoff, den man braucht, reichlich enthält und die Kohlenſäure
und überhaupt, was man ausgeathmet hat, nicht; wie aus der
Luft alles in das Blut, in die Nerven, in das Leben, in die
Seele eingeführt werde.

Wir brauchen, ein erwachſener Menſch, in der Stunde
190—200 Kubikfuß reine Luft; in der Stunde nehmen wir
aus der Luft etwa 60 Kubikfuß Sauerſtoff auf, und geben un-
gefähr gleichviel Kohlenſäure ab. Jn einem verſchloſſenen Raum,
in einem Zimmer wird alſo die Luft nach und nach unathem-
bar; ihr Sauerſtoff wird verzehrt; ſie wird dagegen mit der
für uns tödtlichen Kohlenſäure angefüllt. Dieſes Schlechtwerden
der Luft wird dann noch vermehrt, wenn Lichter, namentlich Gas-
flammen im Zimmer brennen, die alle auch Sauerſtoff verzehren,
ebenſo Pflanzen oder Thiere. Die Luft eines Zimmers wird
um ſo ſchneller unathembar, als das Zimmer klein iſt und um
ſo mehr Menſchen ſich darin aufhalten. Es wird uns anfäng-
lich unwohl, dann ſchlecht, dann zum Sterben ſchlecht, und daß
man dann auch ſterben kann, plötzlich ſterben, iſt eine oft vor-
gekommene Thatſache, der Erſtickungen durch Verſchüttung,
Kohlen- oder anderes Gas gar nicht zu gedenken. Durch das
Athmen, haben wir geſehen, geben wir nicht bloß Kohlenſäure
an die Luft ab, ſondern auch Waſſer. Athmen wir lange oder
athmen viel Menſchen in demſelben Raume, ſo wird die Luft
von dieſen Waſſerdünſten, die wir ausathmen, ganz voll, ganz
wäſſerig, feucht. Dazu kommt natürlich noch die Waſſeraus-
dünſtung auf unſerer ganzen Oberfläche, auf der Haut. Es
wird im Zimmer die Luft ſo feucht, es giebt ſo einen Dunſt,

II. 4
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[49/0049] ſtatt Kohlenſäure Sauerſtoff enthält, heißt arterielles Blut und iſt röthlich. Das Pump- und Triebwerk, welches das Blut be- ſtändig im Kreiſe im Körper herum und ſo auch in die Lungen und aus den Lungen treibt, iſt das Herz. Wir haben dieß jetzt ſo ausführlich erörtert, um zu zeigen, wie wichtig es ſei, daß man in dieſe Lunge, die ein ſo feines, künſtliches Gewebe iſt, keinen Staub durch die Luft einathme, der dieſe feinſten Canälchen und Bläschen verſtopft und ver- derbt; wie man eine reine Luft einathmen ſolle, die den Sauer- ſtoff, den man braucht, reichlich enthält und die Kohlenſäure und überhaupt, was man ausgeathmet hat, nicht; wie aus der Luft alles in das Blut, in die Nerven, in das Leben, in die Seele eingeführt werde. Wir brauchen, ein erwachſener Menſch, in der Stunde 190—200 Kubikfuß reine Luft; in der Stunde nehmen wir aus der Luft etwa 60 Kubikfuß Sauerſtoff auf, und geben un- gefähr gleichviel Kohlenſäure ab. Jn einem verſchloſſenen Raum, in einem Zimmer wird alſo die Luft nach und nach unathem- bar; ihr Sauerſtoff wird verzehrt; ſie wird dagegen mit der für uns tödtlichen Kohlenſäure angefüllt. Dieſes Schlechtwerden der Luft wird dann noch vermehrt, wenn Lichter, namentlich Gas- flammen im Zimmer brennen, die alle auch Sauerſtoff verzehren, ebenſo Pflanzen oder Thiere. Die Luft eines Zimmers wird um ſo ſchneller unathembar, als das Zimmer klein iſt und um ſo mehr Menſchen ſich darin aufhalten. Es wird uns anfäng- lich unwohl, dann ſchlecht, dann zum Sterben ſchlecht, und daß man dann auch ſterben kann, plötzlich ſterben, iſt eine oft vor- gekommene Thatſache, der Erſtickungen durch Verſchüttung, Kohlen- oder anderes Gas gar nicht zu gedenken. Durch das Athmen, haben wir geſehen, geben wir nicht bloß Kohlenſäure an die Luft ab, ſondern auch Waſſer. Athmen wir lange oder athmen viel Menſchen in demſelben Raume, ſo wird die Luft von dieſen Waſſerdünſten, die wir ausathmen, ganz voll, ganz wäſſerig, feucht. Dazu kommt natürlich noch die Waſſeraus- dünſtung auf unſerer ganzen Oberfläche, auf der Haut. Es wird im Zimmer die Luft ſo feucht, es giebt ſo einen Dunſt, II. 4

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Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/49>, abgerufen am 23.11.2024.