Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beer, Michael: Der Paria. Stuttgart u. a., 1829.

Bild:
<< vorherige Seite
Benascar.
Und Du, Unglückliche,
Du lebst?
Gadhi.
Entsetzlicher! klagst Du sie an,
Daß sie des Daseyns allgewalt'gem Ruf,
Dem ew'gen Trieb gehorcht der ird'schen Brust?
Durchspähe die Natur: welch ein Geschöpf
Verläugnete in wüthender Verblendung
Der Selbsterhaltung angeborne Wehr? --
Sie kam in jener Nacht, ein bleiches Bild
Des blühenden Entsetzens. Dunkle Locken,
Gelöst von der Verzweiflung Schreckenshand,
Umschlugen Geißeln ähnlich ihr die Brust,
Und hoch auf wallte der empörte Busen,
Und schlug im Wettstreit mit den frechen Lüften
Zurück des Hauptes fessellose Zier.
Das glüh'nde Auge starrte kalt und todt
In die erhellte Nacht, und lautlos zuckten
Die bleichen Lippen -- da erblickt sie mich,
Und plötzlich in gewalt'gen Jammerschrey
Löst sich der starre Schmerz -- "Mein Gatte starb!"
Ruft die Unglückliche -- "und ich, Geliebter,
Ich sterbe mit ihm!"

(zu Benascar).
Zücke deinen Dolch,
Benascar.
Und Du, Ungluͤckliche,
Du lebſt?
Gadhi.
Entſetzlicher! klagſt Du ſie an,
Daß ſie des Daſeyns allgewalt’gem Ruf,
Dem ew’gen Trieb gehorcht der ird’ſchen Bruſt?
Durchſpaͤhe die Natur: welch ein Geſchoͤpf
Verlaͤugnete in wuͤthender Verblendung
Der Selbſterhaltung angeborne Wehr? —
Sie kam in jener Nacht, ein bleiches Bild
Des bluͤhenden Entſetzens. Dunkle Locken,
Geloͤst von der Verzweiflung Schreckenshand,
Umſchlugen Geißeln aͤhnlich ihr die Bruſt,
Und hoch auf wallte der empoͤrte Buſen,
Und ſchlug im Wettſtreit mit den frechen Luͤften
Zuruͤck des Hauptes feſſelloſe Zier.
Das gluͤh’nde Auge ſtarrte kalt und todt
In die erhellte Nacht, und lautlos zuckten
Die bleichen Lippen — da erblickt ſie mich,
Und ploͤtzlich in gewalt’gen Jammerſchrey
Loͤst ſich der ſtarre Schmerz — „Mein Gatte ſtarb!“
Ruft die Ungluͤckliche — „und ich, Geliebter,
Ich ſterbe mit ihm!“

(zu Benascar).
Zuͤcke deinen Dolch,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0049" n="39"/>
          <sp who="#BEN">
            <speaker><hi rendition="#g">Benascar</hi>.</speaker><lb/>
            <p><hi rendition="#et">Und Du, Unglu&#x0364;ckliche,</hi><lb/>
Du leb&#x017F;t?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GAD">
            <speaker><hi rendition="#g">Gadhi</hi>.</speaker><lb/>
            <p><hi rendition="#et">Ent&#x017F;etzlicher! klag&#x017F;t Du &#x017F;ie an,</hi><lb/>
Daß &#x017F;ie des Da&#x017F;eyns allgewalt&#x2019;gem Ruf,<lb/>
Dem ew&#x2019;gen Trieb gehorcht der ird&#x2019;&#x017F;chen Bru&#x017F;t?<lb/>
Durch&#x017F;pa&#x0364;he die Natur: welch ein Ge&#x017F;cho&#x0364;pf<lb/>
Verla&#x0364;ugnete in wu&#x0364;thender Verblendung<lb/>
Der Selb&#x017F;terhaltung angeborne Wehr? &#x2014;<lb/>
Sie kam in jener Nacht, ein bleiches Bild<lb/>
Des blu&#x0364;henden Ent&#x017F;etzens. Dunkle Locken,<lb/>
Gelo&#x0364;st von der Verzweiflung Schreckenshand,<lb/>
Um&#x017F;chlugen Geißeln a&#x0364;hnlich ihr die Bru&#x017F;t,<lb/>
Und hoch auf wallte der empo&#x0364;rte Bu&#x017F;en,<lb/>
Und &#x017F;chlug im Wett&#x017F;treit mit den frechen Lu&#x0364;ften<lb/>
Zuru&#x0364;ck des Hauptes fe&#x017F;&#x017F;ello&#x017F;e Zier.<lb/>
Das glu&#x0364;h&#x2019;nde Auge &#x017F;tarrte kalt und todt<lb/>
In die erhellte Nacht, und lautlos zuckten<lb/>
Die bleichen Lippen &#x2014; da erblickt &#x017F;ie mich,<lb/>
Und plo&#x0364;tzlich in gewalt&#x2019;gen Jammer&#x017F;chrey<lb/>
Lo&#x0364;st &#x017F;ich der &#x017F;tarre Schmerz &#x2014; &#x201E;Mein Gatte &#x017F;tarb!&#x201C;<lb/>
Ruft die Unglu&#x0364;ckliche &#x2014; &#x201E;und ich, Geliebter,<lb/>
Ich &#x017F;terbe mit ihm!&#x201C;</p><lb/>
            <stage>(zu <hi rendition="#g">Benascar</hi>).</stage><lb/>
            <p> <hi rendition="#et">Zu&#x0364;cke deinen Dolch,</hi><lb/>
            </p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0049] Benascar. Und Du, Ungluͤckliche, Du lebſt? Gadhi. Entſetzlicher! klagſt Du ſie an, Daß ſie des Daſeyns allgewalt’gem Ruf, Dem ew’gen Trieb gehorcht der ird’ſchen Bruſt? Durchſpaͤhe die Natur: welch ein Geſchoͤpf Verlaͤugnete in wuͤthender Verblendung Der Selbſterhaltung angeborne Wehr? — Sie kam in jener Nacht, ein bleiches Bild Des bluͤhenden Entſetzens. Dunkle Locken, Geloͤst von der Verzweiflung Schreckenshand, Umſchlugen Geißeln aͤhnlich ihr die Bruſt, Und hoch auf wallte der empoͤrte Buſen, Und ſchlug im Wettſtreit mit den frechen Luͤften Zuruͤck des Hauptes feſſelloſe Zier. Das gluͤh’nde Auge ſtarrte kalt und todt In die erhellte Nacht, und lautlos zuckten Die bleichen Lippen — da erblickt ſie mich, Und ploͤtzlich in gewalt’gen Jammerſchrey Loͤst ſich der ſtarre Schmerz — „Mein Gatte ſtarb!“ Ruft die Ungluͤckliche — „und ich, Geliebter, Ich ſterbe mit ihm!“ (zu Benascar). Zuͤcke deinen Dolch,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beer_paria_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beer_paria_1829/49
Zitationshilfe: Beer, Michael: Der Paria. Stuttgart u. a., 1829, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beer_paria_1829/49>, abgerufen am 21.11.2024.