Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.Theil I. Cap. I. Satz 11. der Gottheit Christi ihn am weitesten von ih-nen entfernet achten: aber es ist doch mancher Abfall dabey. Denn 1) thut er dem Sohn damit keine Ehre an, daß, da der Sohn ihm selbs nichts ausser dem Vater zuschreibet, dieser neue Lehrer hingegen den Sohn also, wenig- stens in Rücksicht auf das A. T. und in Ab- sicht auf die ganze Welt, die Glaubigen des N. T. ausgenommen, vorstellet, als ob er keinen Vater hätte, und ganz für sich wäre, wer er ist. 2) Den Vater setzt er in eine sol- che Verborgenheit zurücke, daß man nicht weiß, was für einen Unterscheid er zwischen Ihm, als dem Ur-GOtte, und dem Sohn mache. 3) Den hohen Namen, da der Sohn genannt wird o loUos, das Wort, absolute, und o loUos tou Theou, das Wort GOttes, und da solche Benennung ihren tiefen Grund hat in der innigen Verhältnis GOttes und seines Sohnes gegeneinander, deuter er in einem viel seichtern Sinne dahin, daß der Sohn sey Ratio & causa der Ur- sprung aller Geschöpfe. 4) Die Gottheit Christi beschreibt er, als eine Amts-Gottheit, wobey man nicht wissen kan, wie weit er den Sohn, bey alle seinem Rühmen von desselben Ehrenrettung, herunter setze. 5) Die Ex- inanition und Aesserung sein selbs, Phil. 2, 7. deutet er so, als ob JEsus Christus in sol- chem Stande sich von seiner Göttlichkeit aus- geleeret, und alles, was er in seinem Wan- del, in seinen Wundern, in seinem Sieg ge- than,
Theil I. Cap. I. Satz 11. der Gottheit Chriſti ihn am weiteſten von ih-nen entfernet achten: aber es iſt doch mancher Abfall dabey. Denn 1) thut er dem Sohn damit keine Ehre an, daß, da der Sohn ihm ſelbs nichts auſſer dem Vater zuſchreibet, dieſer neue Lehrer hingegen den Sohn alſo, wenig- ſtens in Ruͤckſicht auf das A. T. und in Ab- ſicht auf die ganze Welt, die Glaubigen des N. T. ausgenommen, vorſtellet, als ob er keinen Vater haͤtte, und ganz fuͤr ſich waͤre, wer er iſt. 2) Den Vater ſetzt er in eine ſol- che Verborgenheit zuruͤcke, daß man nicht weiß, was fuͤr einen Unterſcheid er zwiſchen Ihm, als dem Ur-GOtte, und dem Sohn mache. 3) Den hohen Namen, da der Sohn genannt wird ὁ λόϒος, das Wort, abſolute, und ὁ λόϒος τοῦ Θεοῦ, das Wort GOttes, und da ſolche Benennung ihren tiefen Grund hat in der innigen Verhaͤltnis GOttes und ſeines Sohnes gegeneinander, deuter er in einem viel ſeichtern Sinne dahin, daß der Sohn ſey Ratio & cauſa der Ur- ſprung aller Geſchoͤpfe. 4) Die Gottheit Chriſti beſchreibt er, als eine Amts-Gottheit, wobey man nicht wiſſen kan, wie weit er den Sohn, bey alle ſeinem Ruͤhmen von deſſelben Ehrenrettung, herunter ſetze. 5) Die Ex- inanition und Aeſſerung ſein ſelbs, Phil. 2, 7. deutet er ſo, als ob JEſus Chriſtus in ſol- chem Stande ſich von ſeiner Goͤttlichkeit aus- geleeret, und alles, was er in ſeinem Wan- del, in ſeinen Wundern, in ſeinem Sieg ge- than,
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Theil I. Cap. I. Satz 11.
der Gottheit Chriſti ihn am weiteſten von ih-
nen entfernet achten: aber es iſt doch mancher
Abfall dabey. Denn 1) thut er dem Sohn
damit keine Ehre an, daß, da der Sohn ihm
ſelbs nichts auſſer dem Vater zuſchreibet, dieſer
neue Lehrer hingegen den Sohn alſo, wenig-
ſtens in Ruͤckſicht auf das A. T. und in Ab-
ſicht auf die ganze Welt, die Glaubigen des
N. T. ausgenommen, vorſtellet, als ob er
keinen Vater haͤtte, und ganz fuͤr ſich waͤre,
wer er iſt. 2) Den Vater ſetzt er in eine ſol-
che Verborgenheit zuruͤcke, daß man nicht
weiß, was fuͤr einen Unterſcheid er zwiſchen
Ihm, als dem Ur-GOtte, und dem Sohn
mache. 3) Den hohen Namen, da der
Sohn genannt wird ὁ λόϒος, das Wort,
abſolute, und ὁ λόϒος τοῦ Θεοῦ, das Wort
GOttes, und da ſolche Benennung ihren
tiefen Grund hat in der innigen Verhaͤltnis
GOttes und ſeines Sohnes gegeneinander,
deuter er in einem viel ſeichtern Sinne dahin,
daß der Sohn ſey Ratio & cauſa der Ur-
ſprung aller Geſchoͤpfe. 4) Die Gottheit
Chriſti beſchreibt er, als eine Amts-Gottheit,
wobey man nicht wiſſen kan, wie weit er den
Sohn, bey alle ſeinem Ruͤhmen von deſſelben
Ehrenrettung, herunter ſetze. 5) Die Ex-
inanition und Aeſſerung ſein ſelbs, Phil. 2, 7.
deutet er ſo, als ob JEſus Chriſtus in ſol-
chem Stande ſich von ſeiner Goͤttlichkeit aus-
geleeret, und alles, was er in ſeinem Wan-
del, in ſeinen Wundern, in ſeinem Sieg ge-
than,
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