Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Limitirung des Handels.
neununddreissig japanische Schleichhändler hingerichtet, der Vor-
steher der Factorei und zwei Unterkaufleute bei Lebensstrafe des
Landes verwiesen. Da Dieses nicht fruchtete, liess der Statthalter
im folgenden Jahre zwei japanische Schmuggler auf Desima ent-
haupten; alle Niederländer mussten der Execution beiwohnen, und
erhielten einen scharfen Verweis mit der Drohung, die japanische
Regierung werde auch über sie die Justiz üben, wenn fernere Ueber-
tretungen vorkämen153). Trotzdem blühte der Schleichhandel fort,
so lange er einträglich blieb.

Um 1686 beschränkte die japanische Regierung plötzlich die
Einfuhr der Holländer auf den Werth von 300,000 japanischen
Taels. Alle Waaren, die nach Erreichung dieser Summe unverkauft
blieben, sollten bis zum nächsten Jahre in den Packhäusern ver-
schlossen werden. Damit hörte die Taxation auf; die Holländer
traten wieder, natürlich unter Aufsicht der Regierungsbeamten, in
unmittelbaren Verkehr mit den japanischen Kaufleuten, die Statt-
halter von Nangasaki aber entschädigten sich durch eine den
verkauften Waaren willkührlich aufgelegte Steuer, welche 1689
durchschnittlich 38 Procent betragen haben soll. Mit der neuen Ein-
richtung fiel auch der "Gepermitteerde Handel" weg, doch wussten
die Beamten durch ein sehr spitzfindiges Rechnungsmanöver154), bei

153) Das Benehmen des holländischen Handelsvorstehers, der nach der Execution
die japanischen Beamten zum Frühstück einlud, erscheint in Kämpfer's Darstellung
nicht sehr erbaulich. Die Japaner wiesen diese Zumuthung mit Unwillen zurück. --
Ein einziges Mal vollstreckten die Japaner die Todesstrafe an einem Holländer, einem
Matrosen, welcher das Siegel der Behörde von einer Schiffsluke abgerissen hatte.
154) Die Details dieser Berechnung sind sehr complicirt; sie beruhte hauptsächlich
auf einer Uebersetzung des japanischen Tael, welcher eine imaginäre Münze ist, in
Gold zu höherem und niederem Course. Da nun die Grundlage des japanischen Münz-
fusses eigentlich der Goldkobang, und der silberne Tael ein veränderlicher Werth ist,
so waren vielfache Complicationen der Rechnung möglich, aus deren Labyrinth sich
nur der Kaufmann von Fach herausfindet. Die japanischen Beamten, welche aus
dem "besonderen Handel" grossen Vortheil zogen, liehen die Hand zu dieser
hässlichen Transaction. Es wäre unbegreiflich, wie die Compagnie von ihren eigenen
Beamten sich so hätte hinter das Licht führen lassen sollen, wenn man nicht wüsste,
wie unredlich ganz Holländisch Ost-Indien zu jener Zeit verwaltet wurde. Den
Posten eines Handelsvorstehers von Desima, den man als eine reiche Goldgrube
ansah, hatten fast alle hohen Beamten der ostindischen Regierung einmal bekleidet,
und sie hüteten sich wohl, ihre Nachfolger der Missbräuche zu beschuldigen, welche sie
selbst geübt hatten. Man scheint damals allgemein die Ansicht gehabt zu haben, dass die
Beamten nicht für die ostindische Compagnie, sondern diese der Beamten wegen da sei.
10*

Limitirung des Handels.
neununddreissig japanische Schleichhändler hingerichtet, der Vor-
steher der Factorei und zwei Unterkaufleute bei Lebensstrafe des
Landes verwiesen. Da Dieses nicht fruchtete, liess der Statthalter
im folgenden Jahre zwei japanische Schmuggler auf Desima ent-
haupten; alle Niederländer mussten der Execution beiwohnen, und
erhielten einen scharfen Verweis mit der Drohung, die japanische
Regierung werde auch über sie die Justiz üben, wenn fernere Ueber-
tretungen vorkämen153). Trotzdem blühte der Schleichhandel fort,
so lange er einträglich blieb.

Um 1686 beschränkte die japanische Regierung plötzlich die
Einfuhr der Holländer auf den Werth von 300,000 japanischen
Taels. Alle Waaren, die nach Erreichung dieser Summe unverkauft
blieben, sollten bis zum nächsten Jahre in den Packhäusern ver-
schlossen werden. Damit hörte die Taxation auf; die Holländer
traten wieder, natürlich unter Aufsicht der Regierungsbeamten, in
unmittelbaren Verkehr mit den japanischen Kaufleuten, die Statt-
halter von Naṅgasaki aber entschädigten sich durch eine den
verkauften Waaren willkührlich aufgelegte Steuer, welche 1689
durchschnittlich 38 Procent betragen haben soll. Mit der neuen Ein-
richtung fiel auch der »Gepermitteerde Handel« weg, doch wussten
die Beamten durch ein sehr spitzfindiges Rechnungsmanöver154), bei

153) Das Benehmen des holländischen Handelsvorstehers, der nach der Execution
die japanischen Beamten zum Frühstück einlud, erscheint in Kämpfer’s Darstellung
nicht sehr erbaulich. Die Japaner wiesen diese Zumuthung mit Unwillen zurück. —
Ein einziges Mal vollstreckten die Japaner die Todesstrafe an einem Holländer, einem
Matrosen, welcher das Siegel der Behörde von einer Schiffsluke abgerissen hatte.
154) Die Details dieser Berechnung sind sehr complicirt; sie beruhte hauptsächlich
auf einer Uebersetzung des japanischen Tael, welcher eine imaginäre Münze ist, in
Gold zu höherem und niederem Course. Da nun die Grundlage des japanischen Münz-
fusses eigentlich der Goldkobang, und der silberne Tael ein veränderlicher Werth ist,
so waren vielfache Complicationen der Rechnung möglich, aus deren Labyrinth sich
nur der Kaufmann von Fach herausfindet. Die japanischen Beamten, welche aus
dem »besonderen Handel« grossen Vortheil zogen, liehen die Hand zu dieser
hässlichen Transaction. Es wäre unbegreiflich, wie die Compagnie von ihren eigenen
Beamten sich so hätte hinter das Licht führen lassen sollen, wenn man nicht wüsste,
wie unredlich ganz Holländisch Ost-Indien zu jener Zeit verwaltet wurde. Den
Posten eines Handelsvorstehers von Desima, den man als eine reiche Goldgrube
ansah, hatten fast alle hohen Beamten der ostindischen Regierung einmal bekleidet,
und sie hüteten sich wohl, ihre Nachfolger der Missbräuche zu beschuldigen, welche sie
selbst geübt hatten. Man scheint damals allgemein die Ansicht gehabt zu haben, dass die
Beamten nicht für die ostindische Compagnie, sondern diese der Beamten wegen da sei.
10*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0177" n="147"/><fw place="top" type="header">Limitirung des Handels.</fw><lb/>
neununddreissig japanische Schleichhändler hingerichtet, der Vor-<lb/>
steher der Factorei und zwei Unterkaufleute bei Lebensstrafe des<lb/>
Landes verwiesen. Da Dieses nicht fruchtete, liess der Statthalter<lb/>
im folgenden Jahre zwei japanische Schmuggler auf <hi rendition="#k"><placeName>Desima</placeName></hi> ent-<lb/>
haupten; alle Niederländer mussten der Execution beiwohnen, und<lb/>
erhielten einen scharfen Verweis mit der Drohung, die japanische<lb/>
Regierung werde auch über <hi rendition="#g">sie</hi> die Justiz üben, wenn fernere Ueber-<lb/>
tretungen vorkämen<note place="foot" n="153)">Das Benehmen des holländischen Handelsvorstehers, der nach der Execution<lb/>
die japanischen Beamten zum Frühstück einlud, erscheint in <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118559168">Kämpfer&#x2019;s</persName> Darstellung<lb/>
nicht sehr erbaulich. Die Japaner wiesen diese Zumuthung mit Unwillen zurück. &#x2014;<lb/>
Ein einziges Mal vollstreckten die Japaner die Todesstrafe an einem Holländer, einem<lb/>
Matrosen, welcher das Siegel der Behörde von einer Schiffsluke abgerissen hatte.</note>. Trotzdem blühte der Schleichhandel fort,<lb/>
so lange er einträglich blieb.</p><lb/>
          <p>Um 1686 beschränkte die japanische Regierung plötzlich die<lb/>
Einfuhr der Holländer auf den Werth von 300,000 japanischen<lb/>
Taels. Alle Waaren, die nach Erreichung dieser Summe unverkauft<lb/>
blieben, sollten bis zum nächsten Jahre in den Packhäusern ver-<lb/>
schlossen werden. Damit hörte die Taxation auf; die Holländer<lb/>
traten wieder, natürlich unter Aufsicht der Regierungsbeamten, in<lb/>
unmittelbaren Verkehr mit den japanischen Kaufleuten, die Statt-<lb/>
halter von <hi rendition="#k"><placeName>Nan&#x0307;gasaki</placeName></hi> aber entschädigten sich durch eine den<lb/>
verkauften Waaren willkührlich aufgelegte Steuer, welche 1689<lb/>
durchschnittlich 38 Procent betragen haben soll. Mit der neuen Ein-<lb/>
richtung fiel auch der »Gepermitteerde Handel« weg, doch wussten<lb/>
die Beamten durch ein sehr spitzfindiges Rechnungsmanöver<note place="foot" n="154)">Die Details dieser Berechnung sind sehr complicirt; sie beruhte hauptsächlich<lb/>
auf einer Uebersetzung des japanischen Tael, welcher eine imaginäre Münze ist, in<lb/>
Gold zu höherem und niederem Course. Da nun die Grundlage des japanischen Münz-<lb/>
fusses eigentlich der Goldkobang, und der silberne Tael ein veränderlicher Werth ist,<lb/>
so waren vielfache Complicationen der Rechnung möglich, aus deren Labyrinth sich<lb/>
nur der Kaufmann von Fach herausfindet. Die japanischen Beamten, welche aus<lb/>
dem »besonderen Handel« grossen Vortheil zogen, liehen die Hand zu dieser<lb/>
hässlichen Transaction. Es wäre unbegreiflich, wie die Compagnie von ihren eigenen<lb/>
Beamten sich so hätte hinter das Licht führen lassen sollen, wenn man nicht wüsste,<lb/>
wie unredlich ganz Holländisch <placeName>Ost-Indien</placeName> zu jener Zeit verwaltet wurde. Den<lb/>
Posten eines Handelsvorstehers von <hi rendition="#k"><placeName>Desima</placeName></hi>, den man als eine reiche Goldgrube<lb/>
ansah, hatten fast alle hohen Beamten der ostindischen Regierung einmal bekleidet,<lb/>
und sie hüteten sich wohl, ihre Nachfolger der Missbräuche zu beschuldigen, welche sie<lb/>
selbst geübt hatten. Man scheint damals allgemein die Ansicht gehabt zu haben, dass die<lb/>
Beamten nicht für die ostindische Compagnie, sondern diese der Beamten wegen da sei.</note>, bei<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">10*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0177] Limitirung des Handels. neununddreissig japanische Schleichhändler hingerichtet, der Vor- steher der Factorei und zwei Unterkaufleute bei Lebensstrafe des Landes verwiesen. Da Dieses nicht fruchtete, liess der Statthalter im folgenden Jahre zwei japanische Schmuggler auf Desima ent- haupten; alle Niederländer mussten der Execution beiwohnen, und erhielten einen scharfen Verweis mit der Drohung, die japanische Regierung werde auch über sie die Justiz üben, wenn fernere Ueber- tretungen vorkämen 153). Trotzdem blühte der Schleichhandel fort, so lange er einträglich blieb. Um 1686 beschränkte die japanische Regierung plötzlich die Einfuhr der Holländer auf den Werth von 300,000 japanischen Taels. Alle Waaren, die nach Erreichung dieser Summe unverkauft blieben, sollten bis zum nächsten Jahre in den Packhäusern ver- schlossen werden. Damit hörte die Taxation auf; die Holländer traten wieder, natürlich unter Aufsicht der Regierungsbeamten, in unmittelbaren Verkehr mit den japanischen Kaufleuten, die Statt- halter von Naṅgasaki aber entschädigten sich durch eine den verkauften Waaren willkührlich aufgelegte Steuer, welche 1689 durchschnittlich 38 Procent betragen haben soll. Mit der neuen Ein- richtung fiel auch der »Gepermitteerde Handel« weg, doch wussten die Beamten durch ein sehr spitzfindiges Rechnungsmanöver 154), bei 153) Das Benehmen des holländischen Handelsvorstehers, der nach der Execution die japanischen Beamten zum Frühstück einlud, erscheint in Kämpfer’s Darstellung nicht sehr erbaulich. Die Japaner wiesen diese Zumuthung mit Unwillen zurück. — Ein einziges Mal vollstreckten die Japaner die Todesstrafe an einem Holländer, einem Matrosen, welcher das Siegel der Behörde von einer Schiffsluke abgerissen hatte. 154) Die Details dieser Berechnung sind sehr complicirt; sie beruhte hauptsächlich auf einer Uebersetzung des japanischen Tael, welcher eine imaginäre Münze ist, in Gold zu höherem und niederem Course. Da nun die Grundlage des japanischen Münz- fusses eigentlich der Goldkobang, und der silberne Tael ein veränderlicher Werth ist, so waren vielfache Complicationen der Rechnung möglich, aus deren Labyrinth sich nur der Kaufmann von Fach herausfindet. Die japanischen Beamten, welche aus dem »besonderen Handel« grossen Vortheil zogen, liehen die Hand zu dieser hässlichen Transaction. Es wäre unbegreiflich, wie die Compagnie von ihren eigenen Beamten sich so hätte hinter das Licht führen lassen sollen, wenn man nicht wüsste, wie unredlich ganz Holländisch Ost-Indien zu jener Zeit verwaltet wurde. Den Posten eines Handelsvorstehers von Desima, den man als eine reiche Goldgrube ansah, hatten fast alle hohen Beamten der ostindischen Regierung einmal bekleidet, und sie hüteten sich wohl, ihre Nachfolger der Missbräuche zu beschuldigen, welche sie selbst geübt hatten. Man scheint damals allgemein die Ansicht gehabt zu haben, dass die Beamten nicht für die ostindische Compagnie, sondern diese der Beamten wegen da sei. 10*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/177
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/177>, abgerufen am 27.11.2024.