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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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IV. Ermordung der russischen Seeleute.
anzupassen, zeigt er ihm oft nur Uebermuth, Geringschätzung und
Hohn, und fordert von allen Eingeborenen Unterwürfigkeit und
Ehrfurcht. Solches Betragen ist nicht allgemein, aber leider nur
zu häufig. Dass die Beamten, welche den Samrai, der Adelsclasse
angehören, ein derartiges Benehmen von Kaufleuten, nach japa-
nischen Begriffen einem sehr niederen Stande, besonders übel
empfinden mussten, liegt auf der Hand; aber auch beim Volke erregte
es Widerwillen und Erbitterung. Man sah die Fremden trotz ihren
stattlichen Schiffen, ihren Maschinen und Waffen als Barbaren an;
das formlose selbstbewusste Auftreten der volkssouveränen Bewoh-
ner des Westens, ihre aufgeregte Geschäftigkeit und Beweg-
lichkeit sind eben so wenig als die plumpe Rohheit der Matrosen
geeignet, dem Japaner Eindruck zu machen, welcher Ruhe und
Haltung, ein wohlwollendes gleichmässiges Betragen und höfliche
Formen als wesentliche Eigenschaften eines gesitteten Menschen
fordert. Man bewunderte den Unternehmungsgeist, die Gewandtheit
und Tüchtigkeit der Fremden, verabscheute aber ihre indiscrete
Neugierde und Zudringlichkeit. "The modern roughness" macht
niemals Eindruck bei dem gebildeten Orientalen. -- Der persönlichen
Rachsucht und Erbitterung über den beleidigenden Hochmuth Ein-
zelner sind wahrscheinlich die ersten Morde zuzuschreiben, welche
in Yokuhama an Europäern begangen wurden.

Im August 1859 kam der russische Bevollmächtigte Graf
Murawieff mit einem Geschwader nach Japan und schlug seinen
Wohnsitz in Yeddo auf; die kaiserlichen Schiffe ankerten vor
Yokuhama. Die russischen Seeleute hielten sich häufig am Lande
auf und verkehrten viel mit den Bewohnern, scheinen sich aber
nicht so beliebt gemacht zu haben als bei anderen Gelegenheiten
in Japan: einige Officiere wurden auf den Strassen belästigt und
insultirt, und bald darauf einer derselben, der sich Abends mit
einem Matrosen und dem Steward nach der Stadt begeben hatte,
in der Dunkelheit mörderisch angefallen. Der Officier und der Ma-
trose blieben, fast in Stücke gehauen, auf der Stelle, der Steward
entkam übel zugerichtet. Die That war das Werk eines Augenblicks
und die Mörder verschwanden spurlos, -- die auf der Strasse be-
findlichen Japaner sollen ruhig zugesehen haben. Dass sie, wenige
unbewaffnete Bürger, die blutige Rotte nicht anhielten, ist von den
Fremden wohl mit Unrecht als ein Zeichen von Gleichgültigkeit
oder Connivenz gedeutet worden: in vielen europäischen Städten

IV. Ermordung der russischen Seeleute.
anzupassen, zeigt er ihm oft nur Uebermuth, Geringschätzung und
Hohn, und fordert von allen Eingeborenen Unterwürfigkeit und
Ehrfurcht. Solches Betragen ist nicht allgemein, aber leider nur
zu häufig. Dass die Beamten, welche den Samraï, der Adelsclasse
angehören, ein derartiges Benehmen von Kaufleuten, nach japa-
nischen Begriffen einem sehr niederen Stande, besonders übel
empfinden mussten, liegt auf der Hand; aber auch beim Volke erregte
es Widerwillen und Erbitterung. Man sah die Fremden trotz ihren
stattlichen Schiffen, ihren Maschinen und Waffen als Barbaren an;
das formlose selbstbewusste Auftreten der volkssouveränen Bewoh-
ner des Westens, ihre aufgeregte Geschäftigkeit und Beweg-
lichkeit sind eben so wenig als die plumpe Rohheit der Matrosen
geeignet, dem Japaner Eindruck zu machen, welcher Ruhe und
Haltung, ein wohlwollendes gleichmässiges Betragen und höfliche
Formen als wesentliche Eigenschaften eines gesitteten Menschen
fordert. Man bewunderte den Unternehmungsgeist, die Gewandtheit
und Tüchtigkeit der Fremden, verabscheute aber ihre indiscrete
Neugierde und Zudringlichkeit. »The modern roughness« macht
niemals Eindruck bei dem gebildeten Orientalen. — Der persönlichen
Rachsucht und Erbitterung über den beleidigenden Hochmuth Ein-
zelner sind wahrscheinlich die ersten Morde zuzuschreiben, welche
in Yokuhama an Europäern begangen wurden.

Im August 1859 kam der russische Bevollmächtigte Graf
Murawieff mit einem Geschwader nach Japan und schlug seinen
Wohnsitz in Yeddo auf; die kaiserlichen Schiffe ankerten vor
Yokuhama. Die russischen Seeleute hielten sich häufig am Lande
auf und verkehrten viel mit den Bewohnern, scheinen sich aber
nicht so beliebt gemacht zu haben als bei anderen Gelegenheiten
in Japan: einige Officiere wurden auf den Strassen belästigt und
insultirt, und bald darauf einer derselben, der sich Abends mit
einem Matrosen und dem Steward nach der Stadt begeben hatte,
in der Dunkelheit mörderisch angefallen. Der Officier und der Ma-
trose blieben, fast in Stücke gehauen, auf der Stelle, der Steward
entkam übel zugerichtet. Die That war das Werk eines Augenblicks
und die Mörder verschwanden spurlos, — die auf der Strasse be-
findlichen Japaner sollen ruhig zugesehen haben. Dass sie, wenige
unbewaffnete Bürger, die blutige Rotte nicht anhielten, ist von den
Fremden wohl mit Unrecht als ein Zeichen von Gleichgültigkeit
oder Connivenz gedeutet worden: in vielen europäischen Städten

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[283/0313] IV. Ermordung der russischen Seeleute. anzupassen, zeigt er ihm oft nur Uebermuth, Geringschätzung und Hohn, und fordert von allen Eingeborenen Unterwürfigkeit und Ehrfurcht. Solches Betragen ist nicht allgemein, aber leider nur zu häufig. Dass die Beamten, welche den Samraï, der Adelsclasse angehören, ein derartiges Benehmen von Kaufleuten, nach japa- nischen Begriffen einem sehr niederen Stande, besonders übel empfinden mussten, liegt auf der Hand; aber auch beim Volke erregte es Widerwillen und Erbitterung. Man sah die Fremden trotz ihren stattlichen Schiffen, ihren Maschinen und Waffen als Barbaren an; das formlose selbstbewusste Auftreten der volkssouveränen Bewoh- ner des Westens, ihre aufgeregte Geschäftigkeit und Beweg- lichkeit sind eben so wenig als die plumpe Rohheit der Matrosen geeignet, dem Japaner Eindruck zu machen, welcher Ruhe und Haltung, ein wohlwollendes gleichmässiges Betragen und höfliche Formen als wesentliche Eigenschaften eines gesitteten Menschen fordert. Man bewunderte den Unternehmungsgeist, die Gewandtheit und Tüchtigkeit der Fremden, verabscheute aber ihre indiscrete Neugierde und Zudringlichkeit. »The modern roughness« macht niemals Eindruck bei dem gebildeten Orientalen. — Der persönlichen Rachsucht und Erbitterung über den beleidigenden Hochmuth Ein- zelner sind wahrscheinlich die ersten Morde zuzuschreiben, welche in Yokuhama an Europäern begangen wurden. Im August 1859 kam der russische Bevollmächtigte Graf Murawieff mit einem Geschwader nach Japan und schlug seinen Wohnsitz in Yeddo auf; die kaiserlichen Schiffe ankerten vor Yokuhama. Die russischen Seeleute hielten sich häufig am Lande auf und verkehrten viel mit den Bewohnern, scheinen sich aber nicht so beliebt gemacht zu haben als bei anderen Gelegenheiten in Japan: einige Officiere wurden auf den Strassen belästigt und insultirt, und bald darauf einer derselben, der sich Abends mit einem Matrosen und dem Steward nach der Stadt begeben hatte, in der Dunkelheit mörderisch angefallen. Der Officier und der Ma- trose blieben, fast in Stücke gehauen, auf der Stelle, der Steward entkam übel zugerichtet. Die That war das Werk eines Augenblicks und die Mörder verschwanden spurlos, — die auf der Strasse be- findlichen Japaner sollen ruhig zugesehen haben. Dass sie, wenige unbewaffnete Bürger, die blutige Rotte nicht anhielten, ist von den Fremden wohl mit Unrecht als ein Zeichen von Gleichgültigkeit oder Connivenz gedeutet worden: in vielen europäischen Städten

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/313>, abgerufen am 21.11.2024.