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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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V. Conditoreien. Hausrath.
Kinder, Frauen und Mädchen emsig in die Bücher vertieft. Ihre
Roman- und Novellen-Litteratur muss sehr ausgedehnt sein und
enthält gewiss viel Anziehendes, das der Uebersetzung in europäische
Sprachen werth wäre. Sie sind reich an Geschichtsbüchern und
Encyclopädieen; ihre zahllosen beschreibenden und belehrenden
Werke aus den Reichen der Natur, der Wissenschaften, Künste
und Gewerbe zeugen von der regen Wissbegierde des Volkes.
Wenig versprechen die bis jetzt übersetzten Proben der Dichtkunst;
ihre poetischen Anschauungen sind unserem Verständniss meistens ganz
unzugänglich und erscheinen daher oft drollig und abgeschmackt.
Die Japaner sind aber auch, nach ihrem Charakter zu urtheilen, kein
poetisch, wenigstens kein lyrisch begabtes Volk, und haben in dieser
Richtung wahrscheinlich nichts Nennenswerthes geleistet. --

Conditoreien giebt es in den Strassen von Yeddo viele; die
Kuchen und Confecte sehen zierlich und appetitlich aus, manche
gleichen den unsrigen und sind wohlschmeckend, andere widerstehen
dem europäischen Gaumen. Die Japaner verwenden viel Sorgfalt
und besitzen grosse Kunstfertigkeit und Erfindungsgabe in der Zu-
bereitung und äusseren Ausschmückung des Zuckerwerks, das einen
Hauptbestandtheil ihrer Gastmäler bildet. Sie machen kleine Vögel,
Blumen, Schmetterlinge und dergleichen sehr niedlich in farbigem
Zuckerguss und Kraftmehl nach, und bei Vornehmen scheint sogar
das Wappen des Wirthes auf den Kuchen angebracht zu werden; --
so erzählt Kämpfer, dass alle den Holländern aus dem Palaste des
Siogun zugeschickten Süssigkeiten mit dem Kirimon -- dem officiellen
Wappen des Mikado, also dem eigentlichen japanischen Regierungs-
wappen -- verziert gewesen seien.

Den kleinen Hausrath -- grössere Möbel besitzen die Japaner
nicht -- findet man in besonderen Läden, die viel Hübsches und
Anziehendes bieten: mannichfache Schränkchen, Kasten und Kästchen,
Schachteln, Büchsen, Präsentirbretter und Untersätze aus Bambus,
Kampher- und anderen Holzarten, mit Korbgeflecht aus gespaltenem
Rotang und Binsen, Alles so sauber und zierlich wie für den Nipp-
tisch gearbeitet, dabei von erstaunlicher Billigkeit. Hier findet man
auch die vierkantigen Kopfkissen aus Holz oder festem Rohrgeflecht,
auf denen alle Japaner schlafen. Es sind fusslange viereckige
Kästchen mit einer leicht ausgerundeten Höhlung in der Mitte,
wo der Nacken ruht; der Hinterkopf liegt ganz frei. Wie man
auf solchem Gestell schlafen, sich ausruhen kann, gehört zum

V. Conditoreien. Hausrath.
Kinder, Frauen und Mädchen emsig in die Bücher vertieft. Ihre
Roman- und Novellen-Litteratur muss sehr ausgedehnt sein und
enthält gewiss viel Anziehendes, das der Uebersetzung in europäische
Sprachen werth wäre. Sie sind reich an Geschichtsbüchern und
Encyclopädieen; ihre zahllosen beschreibenden und belehrenden
Werke aus den Reichen der Natur, der Wissenschaften, Künste
und Gewerbe zeugen von der regen Wissbegierde des Volkes.
Wenig versprechen die bis jetzt übersetzten Proben der Dichtkunst;
ihre poetischen Anschauungen sind unserem Verständniss meistens ganz
unzugänglich und erscheinen daher oft drollig und abgeschmackt.
Die Japaner sind aber auch, nach ihrem Charakter zu urtheilen, kein
poetisch, wenigstens kein lyrisch begabtes Volk, und haben in dieser
Richtung wahrscheinlich nichts Nennenswerthes geleistet. —

Conditoreien giebt es in den Strassen von Yeddo viele; die
Kuchen und Confecte sehen zierlich und appetitlich aus, manche
gleichen den unsrigen und sind wohlschmeckend, andere widerstehen
dem europäischen Gaumen. Die Japaner verwenden viel Sorgfalt
und besitzen grosse Kunstfertigkeit und Erfindungsgabe in der Zu-
bereitung und äusseren Ausschmückung des Zuckerwerks, das einen
Hauptbestandtheil ihrer Gastmäler bildet. Sie machen kleine Vögel,
Blumen, Schmetterlinge und dergleichen sehr niedlich in farbigem
Zuckerguss und Kraftmehl nach, und bei Vornehmen scheint sogar
das Wappen des Wirthes auf den Kuchen angebracht zu werden; —
so erzählt Kämpfer, dass alle den Holländern aus dem Palaste des
Siogun zugeschickten Süssigkeiten mit dem Kirimon — dem officiellen
Wappen des Mikado, also dem eigentlichen japanischen Regierungs-
wappen — verziert gewesen seien.

Den kleinen Hausrath — grössere Möbel besitzen die Japaner
nicht — findet man in besonderen Läden, die viel Hübsches und
Anziehendes bieten: mannichfache Schränkchen, Kasten und Kästchen,
Schachteln, Büchsen, Präsentirbretter und Untersätze aus Bambus,
Kampher- und anderen Holzarten, mit Korbgeflecht aus gespaltenem
Rotang und Binsen, Alles so sauber und zierlich wie für den Nipp-
tisch gearbeitet, dabei von erstaunlicher Billigkeit. Hier findet man
auch die vierkantigen Kopfkissen aus Holz oder festem Rohrgeflecht,
auf denen alle Japaner schlafen. Es sind fusslange viereckige
Kästchen mit einer leicht ausgerundeten Höhlung in der Mitte,
wo der Nacken ruht; der Hinterkopf liegt ganz frei. Wie man
auf solchem Gestell schlafen, sich ausruhen kann, gehört zum

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[315/0345] V. Conditoreien. Hausrath. Kinder, Frauen und Mädchen emsig in die Bücher vertieft. Ihre Roman- und Novellen-Litteratur muss sehr ausgedehnt sein und enthält gewiss viel Anziehendes, das der Uebersetzung in europäische Sprachen werth wäre. Sie sind reich an Geschichtsbüchern und Encyclopädieen; ihre zahllosen beschreibenden und belehrenden Werke aus den Reichen der Natur, der Wissenschaften, Künste und Gewerbe zeugen von der regen Wissbegierde des Volkes. Wenig versprechen die bis jetzt übersetzten Proben der Dichtkunst; ihre poetischen Anschauungen sind unserem Verständniss meistens ganz unzugänglich und erscheinen daher oft drollig und abgeschmackt. Die Japaner sind aber auch, nach ihrem Charakter zu urtheilen, kein poetisch, wenigstens kein lyrisch begabtes Volk, und haben in dieser Richtung wahrscheinlich nichts Nennenswerthes geleistet. — Conditoreien giebt es in den Strassen von Yeddo viele; die Kuchen und Confecte sehen zierlich und appetitlich aus, manche gleichen den unsrigen und sind wohlschmeckend, andere widerstehen dem europäischen Gaumen. Die Japaner verwenden viel Sorgfalt und besitzen grosse Kunstfertigkeit und Erfindungsgabe in der Zu- bereitung und äusseren Ausschmückung des Zuckerwerks, das einen Hauptbestandtheil ihrer Gastmäler bildet. Sie machen kleine Vögel, Blumen, Schmetterlinge und dergleichen sehr niedlich in farbigem Zuckerguss und Kraftmehl nach, und bei Vornehmen scheint sogar das Wappen des Wirthes auf den Kuchen angebracht zu werden; — so erzählt Kämpfer, dass alle den Holländern aus dem Palaste des Siogun zugeschickten Süssigkeiten mit dem Kirimon — dem officiellen Wappen des Mikado, also dem eigentlichen japanischen Regierungs- wappen — verziert gewesen seien. Den kleinen Hausrath — grössere Möbel besitzen die Japaner nicht — findet man in besonderen Läden, die viel Hübsches und Anziehendes bieten: mannichfache Schränkchen, Kasten und Kästchen, Schachteln, Büchsen, Präsentirbretter und Untersätze aus Bambus, Kampher- und anderen Holzarten, mit Korbgeflecht aus gespaltenem Rotang und Binsen, Alles so sauber und zierlich wie für den Nipp- tisch gearbeitet, dabei von erstaunlicher Billigkeit. Hier findet man auch die vierkantigen Kopfkissen aus Holz oder festem Rohrgeflecht, auf denen alle Japaner schlafen. Es sind fusslange viereckige Kästchen mit einer leicht ausgerundeten Höhlung in der Mitte, wo der Nacken ruht; der Hinterkopf liegt ganz frei. Wie man auf solchem Gestell schlafen, sich ausruhen kann, gehört zum

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/345>, abgerufen am 16.07.2024.