Das Fächerhaus -- so hiess das von uns besuchte Tsa-ya -- liegt an einem rauschenden Flüsschen, das hier in Cascaden aus einer engen grünen Schlucht hervorströmt. Die Häuser und Pavil- lons sind halb in das Wasser gebaut, gegenüber steigt die dicht- bewachsene Thalwand steil empor; man sitzt über dem plätschern- den Wässerchen kühl und schattig. Ein sorgfältig gehaltener Garten liegt neben dem Theehause, gegen dessen gepflegte reinliche Eleganz die meisten heimischen Vergnügungslocale nur gewöhnliche Kneipen sind. Das Ganze ist wie aus dem Ei geschält, mit Einschluss der hübschen Aufwärterinnen, welche die Fremden freundlich willkom- men hiessen und in die besten Gemächer führten. Von Zierrathen sieht man auch hier wenig bis auf einige gemalte Wandschirme, aber Alles ist blank und geputzt, das Holzwerk sauber gefugt und geschliffen, die Matten fein und glänzend, die hellen Tapeten und Papierscheiben weiss und fleckenlos. Und doch hat diese Ele- ganz nichts Kaltes; man fühlt sich nicht in neuen sondern in gut- gehaltenen Räumen, unter gesitteten Menschen wo Ordnung und Anstand walten. -- Nach dem Frühstück machten wir einen Spa- ziergang nach dem Askayama, einer nahegelegenen Höhe wo ehe- mals ein Jagdschloss des Taikun gestanden haben soll, weshalb man sie noch heute nur zu Fuss betreten darf. Der flache Rücken ist angebaut, auf den Abhängen ragen hochstämmige Nadelbäume aus üppigem Gebüsch. Noch jetzt besucht der Taikun jährlich diesen Ort bei den grossen Reiherjagden. -- Die Aussicht beherrscht die vom O-gava durchströmte fruchtbare Ebene nördlich von Yeddo. -- Am westlichen Rande des Hügels liegt unter dichten Baumwipfeln ein einfacher Tempel, dessen Anlagen sich in die dahinter liegende grüne Schlucht hinabziehen; hier fällt ein frischer Quell von der beschatteten Felswand herab, der einen steinernen Götzen bespült. Wenn wir die Yakunine recht verstanden, so pflegen Japaner, die im Fächerhause des Guten zu viel gethan haben, hierher zu pilgern, um unter dem kühlen Born wieder nüchtern zu werden und zugleich ihre Andacht zu verrichten. Geebnete Gänge führen in die dicht- bewachsene feuchte Schlucht, durch deren vielfache Krümmungen sich das eingeengte Gewässer mit hellem Rauschen den Weg bahnt. -- Der Tempel soll von Jyeyas gestiftet, und nach dessen Tode seinem Andenken geweiht worden sein.
Der Ortsvorsteher machte auf diesem Spaziergange den Führer; wir kehrten durch Gemüsefelder und Gärten nach dem
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V. Odsi. Der Askayama.
Das Fächerhaus — so hiess das von uns besuchte Tša-ya — liegt an einem rauschenden Flüsschen, das hier in Cascaden aus einer engen grünen Schlucht hervorströmt. Die Häuser und Pavil- lons sind halb in das Wasser gebaut, gegenüber steigt die dicht- bewachsene Thalwand steil empor; man sitzt über dem plätschern- den Wässerchen kühl und schattig. Ein sorgfältig gehaltener Garten liegt neben dem Theehause, gegen dessen gepflegte reinliche Eleganz die meisten heimischen Vergnügungslocale nur gewöhnliche Kneipen sind. Das Ganze ist wie aus dem Ei geschält, mit Einschluss der hübschen Aufwärterinnen, welche die Fremden freundlich willkom- men hiessen und in die besten Gemächer führten. Von Zierrathen sieht man auch hier wenig bis auf einige gemalte Wandschirme, aber Alles ist blank und geputzt, das Holzwerk sauber gefugt und geschliffen, die Matten fein und glänzend, die hellen Tapeten und Papierscheiben weiss und fleckenlos. Und doch hat diese Ele- ganz nichts Kaltes; man fühlt sich nicht in neuen sondern in gut- gehaltenen Räumen, unter gesitteten Menschen wo Ordnung und Anstand walten. — Nach dem Frühstück machten wir einen Spa- ziergang nach dem Askayama, einer nahegelegenen Höhe wo ehe- mals ein Jagdschloss des Taïkūn gestanden haben soll, weshalb man sie noch heute nur zu Fuss betreten darf. Der flache Rücken ist angebaut, auf den Abhängen ragen hochstämmige Nadelbäume aus üppigem Gebüsch. Noch jetzt besucht der Taïkūn jährlich diesen Ort bei den grossen Reiherjagden. — Die Aussicht beherrscht die vom O-gava durchströmte fruchtbare Ebene nördlich von Yeddo. — Am westlichen Rande des Hügels liegt unter dichten Baumwipfeln ein einfacher Tempel, dessen Anlagen sich in die dahinter liegende grüne Schlucht hinabziehen; hier fällt ein frischer Quell von der beschatteten Felswand herab, der einen steinernen Götzen bespült. Wenn wir die Yakunine recht verstanden, so pflegen Japaner, die im Fächerhause des Guten zu viel gethan haben, hierher zu pilgern, um unter dem kühlen Born wieder nüchtern zu werden und zugleich ihre Andacht zu verrichten. Geebnete Gänge führen in die dicht- bewachsene feuchte Schlucht, durch deren vielfache Krümmungen sich das eingeengte Gewässer mit hellem Rauschen den Weg bahnt. — Der Tempel soll von Jyeyas gestiftet, und nach dessen Tode seinem Andenken geweiht worden sein.
Der Ortsvorsteher machte auf diesem Spaziergange den Führer; wir kehrten durch Gemüsefelder und Gärten nach dem
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V. Odsi. Der Askayama.
Das Fächerhaus — so hiess das von uns besuchte Tša-ya —
liegt an einem rauschenden Flüsschen, das hier in Cascaden aus
einer engen grünen Schlucht hervorströmt. Die Häuser und Pavil-
lons sind halb in das Wasser gebaut, gegenüber steigt die dicht-
bewachsene Thalwand steil empor; man sitzt über dem plätschern-
den Wässerchen kühl und schattig. Ein sorgfältig gehaltener Garten
liegt neben dem Theehause, gegen dessen gepflegte reinliche Eleganz
die meisten heimischen Vergnügungslocale nur gewöhnliche Kneipen
sind. Das Ganze ist wie aus dem Ei geschält, mit Einschluss der
hübschen Aufwärterinnen, welche die Fremden freundlich willkom-
men hiessen und in die besten Gemächer führten. Von Zierrathen
sieht man auch hier wenig bis auf einige gemalte Wandschirme,
aber Alles ist blank und geputzt, das Holzwerk sauber gefugt und
geschliffen, die Matten fein und glänzend, die hellen Tapeten und
Papierscheiben weiss und fleckenlos. Und doch hat diese Ele-
ganz nichts Kaltes; man fühlt sich nicht in neuen sondern in gut-
gehaltenen Räumen, unter gesitteten Menschen wo Ordnung und
Anstand walten. — Nach dem Frühstück machten wir einen Spa-
ziergang nach dem Askayama, einer nahegelegenen Höhe wo ehe-
mals ein Jagdschloss des Taïkūn gestanden haben soll, weshalb
man sie noch heute nur zu Fuss betreten darf. Der flache Rücken
ist angebaut, auf den Abhängen ragen hochstämmige Nadelbäume
aus üppigem Gebüsch. Noch jetzt besucht der Taïkūn jährlich
diesen Ort bei den grossen Reiherjagden. — Die Aussicht beherrscht
die vom O-gava durchströmte fruchtbare Ebene nördlich von Yeddo. —
Am westlichen Rande des Hügels liegt unter dichten Baumwipfeln
ein einfacher Tempel, dessen Anlagen sich in die dahinter liegende
grüne Schlucht hinabziehen; hier fällt ein frischer Quell von der
beschatteten Felswand herab, der einen steinernen Götzen bespült.
Wenn wir die Yakunine recht verstanden, so pflegen Japaner, die
im Fächerhause des Guten zu viel gethan haben, hierher zu pilgern,
um unter dem kühlen Born wieder nüchtern zu werden und zugleich
ihre Andacht zu verrichten. Geebnete Gänge führen in die dicht-
bewachsene feuchte Schlucht, durch deren vielfache Krümmungen
sich das eingeengte Gewässer mit hellem Rauschen den Weg bahnt. —
Der Tempel soll von Jyeyas gestiftet, und nach dessen Tode seinem
Andenken geweiht worden sein.
Der Ortsvorsteher machte auf diesem Spaziergange den
Führer; wir kehrten durch Gemüsefelder und Gärten nach dem
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/369>, abgerufen am 21.11.2024.
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