[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.Gründung von Miako. 794 n. Chr.Unter dem Jahre 794 unserer Zeitrechnung erwähnen die heutigen Cantonesen das Englische, so passten die alten Japaner das Chinesische ihrem Sprachorgane an, wodurch sich der Klang der Worte bis zur Unkenntlichkeit veränderte. Für den mündlichen Verkehr mit den Chinesen musste deshalb schon 725 eine Dolmetscherschule errichtet werden. -- Die frühesten Werke japanischer Geschichtsschreibung und Poesie wurden in chinesischer Schrift aufgezeichnet, und zwar zum Theil in der stehenden -- der Kiai -- zum Theil in der Cursiv- oder Grasschrift. Aus der letzteren bildete man das Firakana-Alphabet, aus der ersteren später das Katakana. Das Firakana, in welchem die Silben in einander gezogen und verbunden werden können, ist das gebräuchlichste, aber nicht, wie oft behauptet wird, ausschliessliches Eigenthum der Frauen. -- Wissenschaftliche Werke werden noch heute mit chinesischen Zeichen geschrieben und gedruckt; häufig aber steht neben diesen, wo der chinesische Ausdruck dessen bedarf, eine Erklärung in Katakana oder Firakana, und zwar läuft neben der chinesischen Cursiv-, der Tsau-Schrift, das Firakana, neben der stehenden, der Kiai-Schrift, das Katakana her. Auch in solche Bücher, deren Text in den japanischen Silbenschriften gedruckt ist, findet man viele chinesische Zeichen eingestreut, ohne deren Kenntniss jedes Verständniss unmöglich ist. S. das Nähere bei Hoffmann a. a. O. Der Volksglauben bezeichnet den gelehrten Kibi, einen vornehmen Japaner, der sich zu wissenschaftlichen Zwecken eine Reihe von Jahren in China aufhielt und nachher in seinem Vaterlande zu den höchsten Ehrenstellen emporstieg, als Erfinder des Katakana, und den Priester Kobo, einen der berühmtesten Heiligen von Japan -- der in China Sanscrit lernte und in dieser Schrift japanisch zu schreiben versuchte -- als Erfinder des Firakana. Die grosse japanische Encyclopädie will diesen Beiden den Ruhm der ihnen zugeschriebenen Erfindungen nicht lassen. -- Kibi starb 757, Kobo 835. -- 28) Miako soll Palast bedeuten und nur von den Fremden als Benennung der
erbkaiserlichen Residenzstadt gebraucht werden: der einheimische Ortsname wäre Kioto. Gründung von Miako. 794 n. Chr.Unter dem Jahre 794 unserer Zeitrechnung erwähnen die heutigen Cantonesen das Englische, so passten die alten Japaner das Chinesische ihrem Sprachorgane an, wodurch sich der Klang der Worte bis zur Unkenntlichkeit veränderte. Für den mündlichen Verkehr mit den Chinesen musste deshalb schon 725 eine Dolmetscherschule errichtet werden. — Die frühesten Werke japanischer Geschichtsschreibung und Poesie wurden in chinesischer Schrift aufgezeichnet, und zwar zum Theil in der stehenden — der Kiaï — zum Theil in der Cursiv- oder Grasschrift. Aus der letzteren bildete man das Firakana-Alphabet, aus der ersteren später das Katakana. Das Firakana, in welchem die Silben in einander gezogen und verbunden werden können, ist das gebräuchlichste, aber nicht, wie oft behauptet wird, ausschliessliches Eigenthum der Frauen. — Wissenschaftliche Werke werden noch heute mit chinesischen Zeichen geschrieben und gedruckt; häufig aber steht neben diesen, wo der chinesische Ausdruck dessen bedarf, eine Erklärung in Katakana oder Firakana, und zwar läuft neben der chinesischen Cursiv-, der Tsau-Schrift, das Firakana, neben der stehenden, der Kiaï-Schrift, das Katakana her. Auch in solche Bücher, deren Text in den japanischen Silbenschriften gedruckt ist, findet man viele chinesische Zeichen eingestreut, ohne deren Kenntniss jedes Verständniss unmöglich ist. S. das Nähere bei Hoffmann a. a. O. Der Volksglauben bezeichnet den gelehrten Kibi, einen vornehmen Japaner, der sich zu wissenschaftlichen Zwecken eine Reihe von Jahren in China aufhielt und nachher in seinem Vaterlande zu den höchsten Ehrenstellen emporstieg, als Erfinder des Katakana, und den Priester Kobo, einen der berühmtesten Heiligen von Japan — der in China Sanscrit lernte und in dieser Schrift japanisch zu schreiben versuchte — als Erfinder des Firakana. Die grosse japanische Encyclopädie will diesen Beiden den Ruhm der ihnen zugeschriebenen Erfindungen nicht lassen. — Kibi starb 757, Kobo 835. — 28) Miako soll Palast bedeuten und nur von den Fremden als Benennung der
erbkaiserlichen Residenzstadt gebraucht werden: der einheimische Ortsname wäre Kioto. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0058" n="28"/> <fw place="top" type="header">Gründung von <hi rendition="#k"><placeName>Miako</placeName></hi>.</fw><lb/> <p><note place="left">794 n. Chr.</note>Unter dem Jahre 794 unserer Zeitrechnung erwähnen die<lb/> Annalen der Gründung des Palastes von <hi rendition="#k"><placeName>Miako</placeName></hi>; bis dahin hatten<lb/> die Erbkaiser in verschiedenen Gegenden von <hi rendition="#k"><placeName>Yamatto</placeName></hi> und den<lb/> angrenzenden Landschaften Hof gehalten. Der funfzigste <hi rendition="#k">Mikado<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/120776391">Kuan-mu</persName></hi> baute in der Landschaft <hi rendition="#k">Yamasiro</hi>, nördlich von <hi rendition="#k"><placeName>Yamatto</placeName></hi>,<lb/> ein prächtiges Schloss, zu dessen Ausschmückung alle Theile des<lb/> Landes beisteuern mussten: dort haben seitdem die Erbkaiser<lb/> residirt. <hi rendition="#k"><placeName>Miako</placeName></hi> <note place="foot" n="28)"><hi rendition="#k"><placeName>Miako</placeName></hi> soll Palast bedeuten und nur von den Fremden als Benennung der<lb/> erbkaiserlichen Residenzstadt gebraucht werden: der einheimische Ortsname wäre<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Kioto</placeName></hi>.</note> liegt in der Ebene, umgeben von waldigen<lb/> Höhen, nicht weit von dem See <hi rendition="#k"><placeName>Oomi</placeName></hi>, der im Jahre 286 v. Chr.<lb/> durch plötzliches Versinken einer grossen Strecke Landes entstanden<lb/> sein soll. — Die Stadt wuchs rasch zu ansehnlicher Grösse heran,<lb/> der Hof und die Grossen verbreiteten dort Reichthum und Bildung.<lb/> Auf den benachbarten Bergrücken liessen sich die Priester und<lb/> Mönche verschiedener Secten nieder, prächtige Tempelanlagen<lb/><note xml:id="note-0058" prev="#note-0057" place="foot" n="27)">heutigen Cantonesen das Englische, so passten die alten Japaner das Chinesische<lb/> ihrem Sprachorgane an, wodurch sich der Klang der Worte bis zur Unkenntlichkeit<lb/> veränderte. Für den mündlichen Verkehr mit den Chinesen musste deshalb schon<lb/> 725 eine Dolmetscherschule errichtet werden. — Die frühesten Werke japanischer<lb/> Geschichtsschreibung und Poesie wurden in chinesischer Schrift aufgezeichnet, und<lb/> zwar zum Theil in der stehenden — der <hi rendition="#k">Kiaï</hi> — zum Theil in der Cursiv- oder<lb/> Grasschrift. Aus der letzteren bildete man das <hi rendition="#k">Firakana</hi>-Alphabet, aus der ersteren<lb/> später das <hi rendition="#k">Katakana</hi>. Das <hi rendition="#k">Firakana</hi>, in welchem die Silben in einander gezogen<lb/> und verbunden werden können, ist das gebräuchlichste, aber nicht, wie oft behauptet<lb/> wird, ausschliessliches Eigenthum der Frauen. — Wissenschaftliche Werke werden<lb/> noch heute mit chinesischen Zeichen geschrieben und gedruckt; häufig aber steht<lb/> neben diesen, wo der chinesische Ausdruck dessen bedarf, eine Erklärung in<lb/><hi rendition="#k">Katakana</hi> oder <hi rendition="#k">Firakana</hi>, und zwar läuft neben der chinesischen Cursiv-, der<lb/><hi rendition="#k">Tsau</hi>-Schrift, das <hi rendition="#k">Firakana</hi>, neben der stehenden, der <hi rendition="#k">Kiaï</hi>-Schrift, das <hi rendition="#k">Katakana</hi><lb/> her. Auch in solche Bücher, deren Text in den japanischen Silbenschriften gedruckt<lb/> ist, findet man viele chinesische Zeichen eingestreut, ohne deren Kenntniss jedes<lb/> Verständniss unmöglich ist. S. das Nähere bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118994298">Hoffmann</persName> a. a. O.<lb/> Der Volksglauben bezeichnet den gelehrten <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/nr98018778">Kibi</persName></hi>, einen vornehmen Japaner, der<lb/> sich zu wissenschaftlichen Zwecken eine Reihe von Jahren in <placeName>China</placeName> aufhielt und<lb/> nachher in seinem Vaterlande zu den höchsten Ehrenstellen emporstieg, als Erfinder<lb/> des <hi rendition="#k">Katakana</hi>, und den Priester <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11890471X">Kobo</persName></hi>, einen der berühmtesten Heiligen von<lb/><placeName>Japan</placeName> — der in <placeName>China</placeName> Sanscrit lernte und in dieser Schrift japanisch zu schreiben<lb/> versuchte — als Erfinder des <hi rendition="#k">Firakana</hi>. Die grosse japanische Encyclopädie will<lb/> diesen Beiden den Ruhm der ihnen zugeschriebenen Erfindungen nicht lassen. —<lb/><hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/nr98018778">Kibi</persName></hi> starb 757, <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11890471X">Kobo</persName></hi> 835. —</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0058]
Gründung von Miako.
Unter dem Jahre 794 unserer Zeitrechnung erwähnen die
Annalen der Gründung des Palastes von Miako; bis dahin hatten
die Erbkaiser in verschiedenen Gegenden von Yamatto und den
angrenzenden Landschaften Hof gehalten. Der funfzigste Mikado
Kuan-mu baute in der Landschaft Yamasiro, nördlich von Yamatto,
ein prächtiges Schloss, zu dessen Ausschmückung alle Theile des
Landes beisteuern mussten: dort haben seitdem die Erbkaiser
residirt. Miako 28) liegt in der Ebene, umgeben von waldigen
Höhen, nicht weit von dem See Oomi, der im Jahre 286 v. Chr.
durch plötzliches Versinken einer grossen Strecke Landes entstanden
sein soll. — Die Stadt wuchs rasch zu ansehnlicher Grösse heran,
der Hof und die Grossen verbreiteten dort Reichthum und Bildung.
Auf den benachbarten Bergrücken liessen sich die Priester und
Mönche verschiedener Secten nieder, prächtige Tempelanlagen
27)
794 n. Chr.
28) Miako soll Palast bedeuten und nur von den Fremden als Benennung der
erbkaiserlichen Residenzstadt gebraucht werden: der einheimische Ortsname wäre
Kioto.
27) heutigen Cantonesen das Englische, so passten die alten Japaner das Chinesische
ihrem Sprachorgane an, wodurch sich der Klang der Worte bis zur Unkenntlichkeit
veränderte. Für den mündlichen Verkehr mit den Chinesen musste deshalb schon
725 eine Dolmetscherschule errichtet werden. — Die frühesten Werke japanischer
Geschichtsschreibung und Poesie wurden in chinesischer Schrift aufgezeichnet, und
zwar zum Theil in der stehenden — der Kiaï — zum Theil in der Cursiv- oder
Grasschrift. Aus der letzteren bildete man das Firakana-Alphabet, aus der ersteren
später das Katakana. Das Firakana, in welchem die Silben in einander gezogen
und verbunden werden können, ist das gebräuchlichste, aber nicht, wie oft behauptet
wird, ausschliessliches Eigenthum der Frauen. — Wissenschaftliche Werke werden
noch heute mit chinesischen Zeichen geschrieben und gedruckt; häufig aber steht
neben diesen, wo der chinesische Ausdruck dessen bedarf, eine Erklärung in
Katakana oder Firakana, und zwar läuft neben der chinesischen Cursiv-, der
Tsau-Schrift, das Firakana, neben der stehenden, der Kiaï-Schrift, das Katakana
her. Auch in solche Bücher, deren Text in den japanischen Silbenschriften gedruckt
ist, findet man viele chinesische Zeichen eingestreut, ohne deren Kenntniss jedes
Verständniss unmöglich ist. S. das Nähere bei Hoffmann a. a. O.
Der Volksglauben bezeichnet den gelehrten Kibi, einen vornehmen Japaner, der
sich zu wissenschaftlichen Zwecken eine Reihe von Jahren in China aufhielt und
nachher in seinem Vaterlande zu den höchsten Ehrenstellen emporstieg, als Erfinder
des Katakana, und den Priester Kobo, einen der berühmtesten Heiligen von
Japan — der in China Sanscrit lernte und in dieser Schrift japanisch zu schreiben
versuchte — als Erfinder des Firakana. Die grosse japanische Encyclopädie will
diesen Beiden den Ruhm der ihnen zugeschriebenen Erfindungen nicht lassen. —
Kibi starb 757, Kobo 835. —
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