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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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VII. Wappen der Minamoto.
seinem Herbarium ein solches und die Bunyo's bestätigten seine
Vermuthung; nur gehöre das Blatt des Wappenbildes zu einer
anderen Species als der von Wichura gefundenen. Wie eine so
unscheinbare Pflanze zu der Ehre gekommen ist, das Zeichen des
berühmtesten japanischen Fürstenhauses zu werden, wird eben so
dunkel sein als die Entstehung der alten abendländischen Embleme.
Das Wappen der Minamoto scheint für besonders geheiligt zu gelten:
einige Tage vor dem Besuche der Bunyo's zeigte der Gesandte die
Presse unserem guten Sebi, dem Lackfabrikanten, und gab ihm
einen Abdruck; Sebi fuhr zurück wie von einer Natter gestochen,
als er das Wappen in seiner Hand sah, verbrannte es sogleich über
dem Kohlenfeuer, legte geheimnissvoll den Finger auf den Mund
und schien sehr erschrocken, -- unbegreiflicher Weise, da man das
Bild in vielen japanischen Büchern findet, die in Jedermanns Hand
sind! Oder witterte er Hochverrath? Seine Gebehrden schienen an-
zudeuten dass er unwürdig sei etwas so Heiliges zu berühren. Bald
aber übermannte ihn die Neugierde: nachdem er sorgfältig geforscht,
ob hinter der Tapete kein Landsmann lauschte, ging er schüchtern
an die Presse, besah sie von allen Seiten, machte sich endlich
selbst einen Abdruck und verbarg ihn geheimnissvoll in sein
Taschenbuch.

Unter den Geschenken Hori's -- lauter Kleinigkeiten --
befand sich eine Anzahl niedlicher Puppen, welche er mit dem
Bemerken überreichte, sie stellten seine Kinder dar; der Gesandte
möge sie als Andenken an ihn und als Muster japanischer Trachten
bewahren. -- Bei jedem Geschenk lag nach Landessitte ein Stück-
chen getrockneten Fisches, sauber eingewickelt und mit rothen und
silbernen Papierschnüren zugebunden. Dieser Gebrauch wird ver-
schieden gedeutet, gewöhnlich als Erinnerung an die magere Kost
der Vorfahren und als Mahnung zur Einfachheit. Gegenseitiges
Beschenken ist in Japan bei allen möglichen Gelegenheiten üblich,
der jährliche Consum der getrockneten Fische und bunten Schnüre
muss bedeutend sein. Hori sagte auf Befragen des Gesandten, dass
man einander bei allen freudigen Ereignissen und bei Todesfällen
beschenke; der Fisch bedeute einen Glückwunsch und werde bei
Condolationsgeschenken weggelassen. Wie alles Andere, so hat
auch das Schenken in Japan seine festen Formen und Regeln, und
ist zum Theil nur Sache der Convenienz; die Neujahrs-, Hoch-
zeits- und andere Festgeschenke müssen in jedem Stande einen

VII. Wappen der Minamoto.
seinem Herbarium ein solches und die Bunyo’s bestätigten seine
Vermuthung; nur gehöre das Blatt des Wappenbildes zu einer
anderen Species als der von Wichura gefundenen. Wie eine so
unscheinbare Pflanze zu der Ehre gekommen ist, das Zeichen des
berühmtesten japanischen Fürstenhauses zu werden, wird eben so
dunkel sein als die Entstehung der alten abendländischen Embleme.
Das Wappen der Minamoto scheint für besonders geheiligt zu gelten:
einige Tage vor dem Besuche der Bunyo’s zeigte der Gesandte die
Presse unserem guten Sebi, dem Lackfabrikanten, und gab ihm
einen Abdruck; Sebi fuhr zurück wie von einer Natter gestochen,
als er das Wappen in seiner Hand sah, verbrannte es sogleich über
dem Kohlenfeuer, legte geheimnissvoll den Finger auf den Mund
und schien sehr erschrocken, — unbegreiflicher Weise, da man das
Bild in vielen japanischen Büchern findet, die in Jedermanns Hand
sind! Oder witterte er Hochverrath? Seine Gebehrden schienen an-
zudeuten dass er unwürdig sei etwas so Heiliges zu berühren. Bald
aber übermannte ihn die Neugierde: nachdem er sorgfältig geforscht,
ob hinter der Tapete kein Landsmann lauschte, ging er schüchtern
an die Presse, besah sie von allen Seiten, machte sich endlich
selbst einen Abdruck und verbarg ihn geheimnissvoll in sein
Taschenbuch.

Unter den Geschenken Hori’s — lauter Kleinigkeiten —
befand sich eine Anzahl niedlicher Puppen, welche er mit dem
Bemerken überreichte, sie stellten seine Kinder dar; der Gesandte
möge sie als Andenken an ihn und als Muster japanischer Trachten
bewahren. — Bei jedem Geschenk lag nach Landessitte ein Stück-
chen getrockneten Fisches, sauber eingewickelt und mit rothen und
silbernen Papierschnüren zugebunden. Dieser Gebrauch wird ver-
schieden gedeutet, gewöhnlich als Erinnerung an die magere Kost
der Vorfahren und als Mahnung zur Einfachheit. Gegenseitiges
Beschenken ist in Japan bei allen möglichen Gelegenheiten üblich,
der jährliche Consum der getrockneten Fische und bunten Schnüre
muss bedeutend sein. Hori sagte auf Befragen des Gesandten, dass
man einander bei allen freudigen Ereignissen und bei Todesfällen
beschenke; der Fisch bedeute einen Glückwunsch und werde bei
Condolationsgeschenken weggelassen. Wie alles Andere, so hat
auch das Schenken in Japan seine festen Formen und Regeln, und
ist zum Theil nur Sache der Convenienz; die Neujahrs-, Hoch-
zeits- und andere Festgeschenke müssen in jedem Stande einen

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[103/0123] VII. Wappen der Minamoto. seinem Herbarium ein solches und die Bunyo’s bestätigten seine Vermuthung; nur gehöre das Blatt des Wappenbildes zu einer anderen Species als der von Wichura gefundenen. Wie eine so unscheinbare Pflanze zu der Ehre gekommen ist, das Zeichen des berühmtesten japanischen Fürstenhauses zu werden, wird eben so dunkel sein als die Entstehung der alten abendländischen Embleme. Das Wappen der Minamoto scheint für besonders geheiligt zu gelten: einige Tage vor dem Besuche der Bunyo’s zeigte der Gesandte die Presse unserem guten Sebi, dem Lackfabrikanten, und gab ihm einen Abdruck; Sebi fuhr zurück wie von einer Natter gestochen, als er das Wappen in seiner Hand sah, verbrannte es sogleich über dem Kohlenfeuer, legte geheimnissvoll den Finger auf den Mund und schien sehr erschrocken, — unbegreiflicher Weise, da man das Bild in vielen japanischen Büchern findet, die in Jedermanns Hand sind! Oder witterte er Hochverrath? Seine Gebehrden schienen an- zudeuten dass er unwürdig sei etwas so Heiliges zu berühren. Bald aber übermannte ihn die Neugierde: nachdem er sorgfältig geforscht, ob hinter der Tapete kein Landsmann lauschte, ging er schüchtern an die Presse, besah sie von allen Seiten, machte sich endlich selbst einen Abdruck und verbarg ihn geheimnissvoll in sein Taschenbuch. Unter den Geschenken Hori’s — lauter Kleinigkeiten — befand sich eine Anzahl niedlicher Puppen, welche er mit dem Bemerken überreichte, sie stellten seine Kinder dar; der Gesandte möge sie als Andenken an ihn und als Muster japanischer Trachten bewahren. — Bei jedem Geschenk lag nach Landessitte ein Stück- chen getrockneten Fisches, sauber eingewickelt und mit rothen und silbernen Papierschnüren zugebunden. Dieser Gebrauch wird ver- schieden gedeutet, gewöhnlich als Erinnerung an die magere Kost der Vorfahren und als Mahnung zur Einfachheit. Gegenseitiges Beschenken ist in Japan bei allen möglichen Gelegenheiten üblich, der jährliche Consum der getrockneten Fische und bunten Schnüre muss bedeutend sein. Hori sagte auf Befragen des Gesandten, dass man einander bei allen freudigen Ereignissen und bei Todesfällen beschenke; der Fisch bedeute einen Glückwunsch und werde bei Condolationsgeschenken weggelassen. Wie alles Andere, so hat auch das Schenken in Japan seine festen Formen und Regeln, und ist zum Theil nur Sache der Convenienz; die Neujahrs-, Hoch- zeits- und andere Festgeschenke müssen in jedem Stande einen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/123>, abgerufen am 21.11.2024.