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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Aussichten zum Vertrags-Abschluss. VII.
drehte sich lediglich um diesen Punct. Er rieth demselben als
Mittel, die Einwilligung der betreffenden Mächte zu erlangen, die
strengste Befolgung der Verträge in allen übrigen Puncten und
wohlwollendes Entgegenkommen gegen die Fremden überhaupt,
das sich auch im Abschluss eines neuen Handelstractates mani-
festiren würde. Ando Tsus-sima fragte darauf, ob, wenn Japan
die Wünsche Preussens, Belgiens und der Schweiz erfüllte, England
die Verbreitung eines Manifestes an alle übrigen Mächte vermitteln
wolle, dass der Taikun in den nächsten Jahren unter keiner Be-
dingung weitere Verträge schliessen werde. Er schien auch Herrn
Alcock gefügiger als früher, und geneigt, sich lieber unseren For-
derungen zu bequemen, als alle Aussicht auf die Erfüllung seines
Wunsches zu verschliessen; doch führte das Gespräch, in welchem
die preussischen Interessen eben nur beiläufig berührt wurden, zu
keinem bestimmten Resultat.

Der Minister scheint Herrn Harris, welcher sich in seinem
langen Verkehr mit den japanischen Behörden deren besondere
Achtung erworben hatte und auch von dem preussischen Gesandten
in das Vertrauen gezogen worden war, für den passendsten Ver-
mitteler seiner definitiven Vorschläge angesehen zu haben. Er lud
denselben auf den 6. December zu einer Besprechung ein und er-
öffnete ihm, dass bei nochmaliger Erwägung der preussischen Anträge
im Gorodzio die Majorität gegen Bewilligung des Tractates, er
selbst aber mit einer starken Minorität für dieselbe gestimmt habe; die
Sache sei darauf dem Taikun zur Entscheidung vorgelegt worden,
welcher sich im Sinne der Minorität ausgesprochen und befohlen
habe, den Vertrag unter Modificationen zu schliessen, welche geeignet
wären, bei den anderen Mächten die aufgehobene Eröffnung der
Häfen zu erwirken. Bedingungen des Vertrages seien, dass derselbe
erst nach fünf Jahren in Kraft träte, dass Preussen kein Recht
haben sollte einen diplomatischen Vertreter mit dem Wohnsitz in
Yeddo zu ernennen, und dass der japanischen Regierung vorbehalten
bliebe, die Ausfuhr von Landeserzeugnissen aller Art zu verbieten,
wenn dieselbe ein vernünftiges Maass überschritte. Herr Harris
lehnte jede Vermittelung unter diesen Bedingungen ab; denn obgleich
fünf Jahre in dem Leben einer Nation nur eine kurze Frist seien,
so werde doch Preussen unter den obwaltenden Umständen solche
Zurücksetzung eben so unverträglich mit seiner politischen Ehre
finden, als die Verzichtleistung auf das Recht der diplomatischen

Aussichten zum Vertrags-Abschluss. VII.
drehte sich lediglich um diesen Punct. Er rieth demselben als
Mittel, die Einwilligung der betreffenden Mächte zu erlangen, die
strengste Befolgung der Verträge in allen übrigen Puncten und
wohlwollendes Entgegenkommen gegen die Fremden überhaupt,
das sich auch im Abschluss eines neuen Handelstractates mani-
festiren würde. Ando Tsus-sima fragte darauf, ob, wenn Japan
die Wünsche Preussens, Belgiens und der Schweiz erfüllte, England
die Verbreitung eines Manifestes an alle übrigen Mächte vermitteln
wolle, dass der Taïkūn in den nächsten Jahren unter keiner Be-
dingung weitere Verträge schliessen werde. Er schien auch Herrn
Alcock gefügiger als früher, und geneigt, sich lieber unseren For-
derungen zu bequemen, als alle Aussicht auf die Erfüllung seines
Wunsches zu verschliessen; doch führte das Gespräch, in welchem
die preussischen Interessen eben nur beiläufig berührt wurden, zu
keinem bestimmten Resultat.

Der Minister scheint Herrn Harris, welcher sich in seinem
langen Verkehr mit den japanischen Behörden deren besondere
Achtung erworben hatte und auch von dem preussischen Gesandten
in das Vertrauen gezogen worden war, für den passendsten Ver-
mitteler seiner definitiven Vorschläge angesehen zu haben. Er lud
denselben auf den 6. December zu einer Besprechung ein und er-
öffnete ihm, dass bei nochmaliger Erwägung der preussischen Anträge
im Gorodžio die Majorität gegen Bewilligung des Tractates, er
selbst aber mit einer starken Minorität für dieselbe gestimmt habe; die
Sache sei darauf dem Taïkūn zur Entscheidung vorgelegt worden,
welcher sich im Sinne der Minorität ausgesprochen und befohlen
habe, den Vertrag unter Modificationen zu schliessen, welche geeignet
wären, bei den anderen Mächten die aufgehobene Eröffnung der
Häfen zu erwirken. Bedingungen des Vertrages seien, dass derselbe
erst nach fünf Jahren in Kraft träte, dass Preussen kein Recht
haben sollte einen diplomatischen Vertreter mit dem Wohnsitz in
Yeddo zu ernennen, und dass der japanischen Regierung vorbehalten
bliebe, die Ausfuhr von Landeserzeugnissen aller Art zu verbieten,
wenn dieselbe ein vernünftiges Maass überschritte. Herr Harris
lehnte jede Vermittelung unter diesen Bedingungen ab; denn obgleich
fünf Jahre in dem Leben einer Nation nur eine kurze Frist seien,
so werde doch Preussen unter den obwaltenden Umständen solche
Zurücksetzung eben so unverträglich mit seiner politischen Ehre
finden, als die Verzichtleistung auf das Recht der diplomatischen

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[108/0128] Aussichten zum Vertrags-Abschluss. VII. drehte sich lediglich um diesen Punct. Er rieth demselben als Mittel, die Einwilligung der betreffenden Mächte zu erlangen, die strengste Befolgung der Verträge in allen übrigen Puncten und wohlwollendes Entgegenkommen gegen die Fremden überhaupt, das sich auch im Abschluss eines neuen Handelstractates mani- festiren würde. Ando Tsus-sima fragte darauf, ob, wenn Japan die Wünsche Preussens, Belgiens und der Schweiz erfüllte, England die Verbreitung eines Manifestes an alle übrigen Mächte vermitteln wolle, dass der Taïkūn in den nächsten Jahren unter keiner Be- dingung weitere Verträge schliessen werde. Er schien auch Herrn Alcock gefügiger als früher, und geneigt, sich lieber unseren For- derungen zu bequemen, als alle Aussicht auf die Erfüllung seines Wunsches zu verschliessen; doch führte das Gespräch, in welchem die preussischen Interessen eben nur beiläufig berührt wurden, zu keinem bestimmten Resultat. Der Minister scheint Herrn Harris, welcher sich in seinem langen Verkehr mit den japanischen Behörden deren besondere Achtung erworben hatte und auch von dem preussischen Gesandten in das Vertrauen gezogen worden war, für den passendsten Ver- mitteler seiner definitiven Vorschläge angesehen zu haben. Er lud denselben auf den 6. December zu einer Besprechung ein und er- öffnete ihm, dass bei nochmaliger Erwägung der preussischen Anträge im Gorodžio die Majorität gegen Bewilligung des Tractates, er selbst aber mit einer starken Minorität für dieselbe gestimmt habe; die Sache sei darauf dem Taïkūn zur Entscheidung vorgelegt worden, welcher sich im Sinne der Minorität ausgesprochen und befohlen habe, den Vertrag unter Modificationen zu schliessen, welche geeignet wären, bei den anderen Mächten die aufgehobene Eröffnung der Häfen zu erwirken. Bedingungen des Vertrages seien, dass derselbe erst nach fünf Jahren in Kraft träte, dass Preussen kein Recht haben sollte einen diplomatischen Vertreter mit dem Wohnsitz in Yeddo zu ernennen, und dass der japanischen Regierung vorbehalten bliebe, die Ausfuhr von Landeserzeugnissen aller Art zu verbieten, wenn dieselbe ein vernünftiges Maass überschritte. Herr Harris lehnte jede Vermittelung unter diesen Bedingungen ab; denn obgleich fünf Jahre in dem Leben einer Nation nur eine kurze Frist seien, so werde doch Preussen unter den obwaltenden Umständen solche Zurücksetzung eben so unverträglich mit seiner politischen Ehre finden, als die Verzichtleistung auf das Recht der diplomatischen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/128>, abgerufen am 24.11.2024.