Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Gefangenen im Kerker.
Karren geworfen, dann aber, weil die Fahrt zu langsam ging, in
zwei vertheilt. Des Gebrauches ihrer Hände beraubt, litten sie
furchtbar unter dem Stossen auf den ausgefahrenen Steinplatten.
Oft stockte die Fahrt; Reiterei avancirte gegen Tun-tsau, während
andere Truppentheile und das Gepäck in vollem Rückzug begriffen
waren. Der Prinz von Ei, Mu-yin und Han-ki kamen, nach
Pe-kin eilend, in Sänften vorüber, ohne der Gefangenen zu achten.
Der Diese geleitende Tsin-tad-zen zeigte bei ihrer ersten Bitte um
etwas Erleichterung und Wasser eine so teuflische Freude, dass
sie nachher schwiegen. Die Fahrt dauerte von halb drei bis Dun-
kelwerden; dann wurden die Gefangenen noch im Triumph durch
die Strassen von Pe-kin gefahren und gegen acht Uhr in einem
Hofe abgesetzt, auf dessen Laternen Parkes mit Schaudern die In-
schrift "Strafverwaltung" las.

Man schleppte die Gefangenen der Reihe nach in ein
schmutziges Gemach, wo Mandarinen niederen Ranges sie verhörten.
Nur Parkes konnte die unerheblichen Fragen beantworten; die An-
deren kannten die Sprache nicht. Alle Gefangenen wurden mit
schweren Ketten beladen und durch mehrere Höfe nach getrennten
Kerkerräumen gezerrt. Parkes fand sich mit etwa siebzig wild
aussehenden Kerlen in demselben Behältniss. Seine Fesselung be-
stand in einer langen Kette, die von einem eisernen Halsband über
den Rücken herabhing; Hände und Füsse wurden mit anderen
Ketten daran festgeschlossen. Die Schergen warfen ihn auf ein
Brett und befestigten seine Ketten an eine von der Decke herab-
hangende, schleppten ihn aber schon gegen Mitternacht wieder
zum Verhör vor jene Mandarinen. Man warf ihn auf die Knie und
drohte im voraus mit Folterung. Noch ehe eine Frage gestellt
war, fassten vier Schergen ihn bei den Ohren, den Haaren und dem
Bart und misshandelten ihn jedes Mal, wenn der Verhörende ihn
anfuhr. Als er, nach seinen Vorgesetzten gefragt, deren Rang in
chinesischen Ausdrücken nannte, schrie Jener ihm zu, dass kein
Fremder sich solche Titel anmaassen dürfe. Parkes sagte darauf
die englischen; die Unmöglichkeit, dieselben nach dem Klange
niederzuschreiben, zwang aber die Mandarinen, sich die chinesischen
wiederholen zu lassen. Nun musste er über die Truppenzahl der
Verbündeten, über Machtverhältnisse in England und Indien be-
richten und wurde nach den meisten Antworten misshandelt. Auf
die Frage nach dem englischen Fürsten "Wan" erwiederte Parkes,

Die Gefangenen im Kerker.
Karren geworfen, dann aber, weil die Fahrt zu langsam ging, in
zwei vertheilt. Des Gebrauches ihrer Hände beraubt, litten sie
furchtbar unter dem Stossen auf den ausgefahrenen Steinplatten.
Oft stockte die Fahrt; Reiterei avancirte gegen Tuṅ-tšau, während
andere Truppentheile und das Gepäck in vollem Rückzug begriffen
waren. Der Prinz von Ei, Mu-yin und Haṅ-ki kamen, nach
Pe-kiṅ eilend, in Sänften vorüber, ohne der Gefangenen zu achten.
Der Diese geleitende Tsiṅ-tad-žen zeigte bei ihrer ersten Bitte um
etwas Erleichterung und Wasser eine so teuflische Freude, dass
sie nachher schwiegen. Die Fahrt dauerte von halb drei bis Dun-
kelwerden; dann wurden die Gefangenen noch im Triumph durch
die Strassen von Pe-kiṅ gefahren und gegen acht Uhr in einem
Hofe abgesetzt, auf dessen Laternen Parkes mit Schaudern die In-
schrift »Strafverwaltung« las.

Man schleppte die Gefangenen der Reihe nach in ein
schmutziges Gemach, wo Mandarinen niederen Ranges sie verhörten.
Nur Parkes konnte die unerheblichen Fragen beantworten; die An-
deren kannten die Sprache nicht. Alle Gefangenen wurden mit
schweren Ketten beladen und durch mehrere Höfe nach getrennten
Kerkerräumen gezerrt. Parkes fand sich mit etwa siebzig wild
aussehenden Kerlen in demselben Behältniss. Seine Fesselung be-
stand in einer langen Kette, die von einem eisernen Halsband über
den Rücken herabhing; Hände und Füsse wurden mit anderen
Ketten daran festgeschlossen. Die Schergen warfen ihn auf ein
Brett und befestigten seine Ketten an eine von der Decke herab-
hangende, schleppten ihn aber schon gegen Mitternacht wieder
zum Verhör vor jene Mandarinen. Man warf ihn auf die Knie und
drohte im voraus mit Folterung. Noch ehe eine Frage gestellt
war, fassten vier Schergen ihn bei den Ohren, den Haaren und dem
Bart und misshandelten ihn jedes Mal, wenn der Verhörende ihn
anfuhr. Als er, nach seinen Vorgesetzten gefragt, deren Rang in
chinesischen Ausdrücken nannte, schrie Jener ihm zu, dass kein
Fremder sich solche Titel anmaassen dürfe. Parkes sagte darauf
die englischen; die Unmöglichkeit, dieselben nach dem Klange
niederzuschreiben, zwang aber die Mandarinen, sich die chinesischen
wiederholen zu lassen. Nun musste er über die Truppenzahl der
Verbündeten, über Machtverhältnisse in England und Indien be-
richten und wurde nach den meisten Antworten misshandelt. Auf
die Frage nach dem englischen Fürsten »Waṅ« erwiederte Parkes,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0374" n="352"/><fw place="top" type="header">Die Gefangenen im Kerker.</fw><lb/>
Karren geworfen, dann aber, weil die Fahrt zu langsam ging, in<lb/>
zwei vertheilt. Des Gebrauches ihrer Hände beraubt, litten sie<lb/>
furchtbar unter dem Stossen auf den ausgefahrenen Steinplatten.<lb/>
Oft stockte die Fahrt; Reiterei avancirte gegen <hi rendition="#k"><placeName>Tun&#x0307;-t&#x0161;au</placeName></hi>, während<lb/>
andere Truppentheile und das Gepäck in vollem Rückzug begriffen<lb/>
waren. Der Prinz von <hi rendition="#k"><placeName>Ei</placeName>, <persName ref="nognd">Mu-yin</persName></hi> und <hi rendition="#k"><persName ref="nognd">Han&#x0307;-ki</persName></hi> kamen, nach<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Pe-kin&#x0307;</placeName></hi> eilend, in Sänften vorüber, ohne der Gefangenen zu achten.<lb/>
Der Diese geleitende <hi rendition="#k"><persName ref="nognd">Tsin&#x0307;-tad-&#x017E;en</persName></hi> zeigte bei ihrer ersten Bitte um<lb/>
etwas Erleichterung und Wasser eine so teuflische Freude, dass<lb/>
sie nachher schwiegen. Die Fahrt dauerte von halb drei bis Dun-<lb/>
kelwerden; dann wurden die Gefangenen noch im Triumph durch<lb/>
die Strassen von <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kin&#x0307;</placeName></hi> gefahren und gegen acht Uhr in einem<lb/>
Hofe abgesetzt, auf dessen Laternen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName> mit Schaudern die In-<lb/>
schrift »Strafverwaltung« las.</p><lb/>
          <p>Man schleppte die Gefangenen der Reihe nach in ein<lb/>
schmutziges Gemach, wo Mandarinen niederen Ranges sie verhörten.<lb/>
Nur <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName> konnte die unerheblichen Fragen beantworten; die An-<lb/>
deren kannten die Sprache nicht. Alle Gefangenen wurden mit<lb/>
schweren Ketten beladen und durch mehrere Höfe nach getrennten<lb/>
Kerkerräumen gezerrt. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName> fand sich mit etwa siebzig wild<lb/>
aussehenden Kerlen in demselben Behältniss. Seine Fesselung be-<lb/>
stand in einer langen Kette, die von einem eisernen Halsband über<lb/>
den Rücken herabhing; Hände und Füsse wurden mit anderen<lb/>
Ketten daran festgeschlossen. Die Schergen warfen ihn auf ein<lb/>
Brett und befestigten seine Ketten an eine von der Decke herab-<lb/>
hangende, schleppten ihn aber schon gegen Mitternacht wieder<lb/>
zum Verhör vor jene Mandarinen. Man warf ihn auf die Knie und<lb/>
drohte im voraus mit Folterung. Noch ehe eine Frage gestellt<lb/>
war, fassten vier Schergen ihn bei den Ohren, den Haaren und dem<lb/>
Bart und misshandelten ihn jedes Mal, wenn der Verhörende ihn<lb/>
anfuhr. Als er, nach seinen Vorgesetzten gefragt, deren Rang in<lb/>
chinesischen Ausdrücken nannte, schrie Jener ihm zu, dass kein<lb/>
Fremder sich solche Titel anmaassen dürfe. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName> sagte darauf<lb/>
die englischen; die Unmöglichkeit, dieselben nach dem Klange<lb/>
niederzuschreiben, zwang aber die Mandarinen, sich die chinesischen<lb/>
wiederholen zu lassen. Nun musste er über die Truppenzahl der<lb/>
Verbündeten, über Machtverhältnisse in <placeName>England</placeName> und <placeName>Indien</placeName> be-<lb/>
richten und wurde nach den meisten Antworten misshandelt. Auf<lb/>
die Frage nach dem englischen Fürsten »<hi rendition="#k">Wan&#x0307;</hi>« erwiederte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName>,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0374] Die Gefangenen im Kerker. Karren geworfen, dann aber, weil die Fahrt zu langsam ging, in zwei vertheilt. Des Gebrauches ihrer Hände beraubt, litten sie furchtbar unter dem Stossen auf den ausgefahrenen Steinplatten. Oft stockte die Fahrt; Reiterei avancirte gegen Tuṅ-tšau, während andere Truppentheile und das Gepäck in vollem Rückzug begriffen waren. Der Prinz von Ei, Mu-yin und Haṅ-ki kamen, nach Pe-kiṅ eilend, in Sänften vorüber, ohne der Gefangenen zu achten. Der Diese geleitende Tsiṅ-tad-žen zeigte bei ihrer ersten Bitte um etwas Erleichterung und Wasser eine so teuflische Freude, dass sie nachher schwiegen. Die Fahrt dauerte von halb drei bis Dun- kelwerden; dann wurden die Gefangenen noch im Triumph durch die Strassen von Pe-kiṅ gefahren und gegen acht Uhr in einem Hofe abgesetzt, auf dessen Laternen Parkes mit Schaudern die In- schrift »Strafverwaltung« las. Man schleppte die Gefangenen der Reihe nach in ein schmutziges Gemach, wo Mandarinen niederen Ranges sie verhörten. Nur Parkes konnte die unerheblichen Fragen beantworten; die An- deren kannten die Sprache nicht. Alle Gefangenen wurden mit schweren Ketten beladen und durch mehrere Höfe nach getrennten Kerkerräumen gezerrt. Parkes fand sich mit etwa siebzig wild aussehenden Kerlen in demselben Behältniss. Seine Fesselung be- stand in einer langen Kette, die von einem eisernen Halsband über den Rücken herabhing; Hände und Füsse wurden mit anderen Ketten daran festgeschlossen. Die Schergen warfen ihn auf ein Brett und befestigten seine Ketten an eine von der Decke herab- hangende, schleppten ihn aber schon gegen Mitternacht wieder zum Verhör vor jene Mandarinen. Man warf ihn auf die Knie und drohte im voraus mit Folterung. Noch ehe eine Frage gestellt war, fassten vier Schergen ihn bei den Ohren, den Haaren und dem Bart und misshandelten ihn jedes Mal, wenn der Verhörende ihn anfuhr. Als er, nach seinen Vorgesetzten gefragt, deren Rang in chinesischen Ausdrücken nannte, schrie Jener ihm zu, dass kein Fremder sich solche Titel anmaassen dürfe. Parkes sagte darauf die englischen; die Unmöglichkeit, dieselben nach dem Klange niederzuschreiben, zwang aber die Mandarinen, sich die chinesischen wiederholen zu lassen. Nun musste er über die Truppenzahl der Verbündeten, über Machtverhältnisse in England und Indien be- richten und wurde nach den meisten Antworten misshandelt. Auf die Frage nach dem englischen Fürsten »Waṅ« erwiederte Parkes,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/374
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/374>, abgerufen am 25.11.2024.