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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Todtenverbrennung. XXI.
bis zum Fuss des Thrones heran, um Goldgeschenke zu empfangen.
-- Die vollständige Ausstattung für etwa vierzig Priester enthielten
ebensoviele innerhalb der Einzäunung aufgestellte Glasschränke:
Ballen gelben Stoffes zu Gewändern, Theeservice, europäische
Schnapsgläschen, Almosentöpfe und vielerlei Hausgeräth; auf jedem
Schrank lag ein mit Gebeten beschriebener Fächer und ein baum-
wollener europäischer Regenschirm, wie ihn bei uns die Bauern
tragen; davor aber stand das nothwendigste Requisit des siame-
sischen Bonzen, ein niedliches Ruderboot.

Während der Hof seine Geschenke erhielt, warfen Trabanten
von einigen Gerüsten Silbermünzen unter das Volk. Unterdessen
verzehrte der Gesandte mit seinen Begleitern eine in einer Neben-
halle für sie aufgetragene Mahlzeit, die leidlich zubereitet, aber
kalt war. -- Nachdem darauf ein Bonze unter ohrenzerreissender
Musik vor dem König gepredigt hatte, wurden Schattenspiele auf-
geführt: man bewegte die aus schwarzem Papier geschnittenen Fi-
guren, -- phantastische Krieger, Ungeheuer, Dämonen, -- vor
grossen von hinten beleuchteten Schirmen; auch dazu lärmten die
Musikanten mörderlich. Dann zündete der König eigenhändig das
Feuerwerk an und nahm mit seinen Kindern auf dem Estrich des
Katafalkes Platz, wohin der Phraklan auch den Gesandten führte.
Im strahlenden Lampenlicht sah der Bau mit der malerischen
Staffage sehr prächtig aus; der König selbst war ganz weiss, in die
Farbe der Leidtragenden gekleidet. Er zeigte dem Gesandten den
Entwurf eines Schreibens an Seine Majestät den König von Preussen
und äusserte selbstgefällig, dass er ihn ganz allein, ohne Hülfe in
englischer Sprache niedergeschrieben habe. -- Das Feuerwerk war
prächtig, der Jubel des Volkes laut und lärmend. Gegen halb zehn
zog man sich zurück.

Die Lustbarkeiten dauerten die beiden folgenden Tage; die
Verbrennung geschah am zweiten gegen Abend. Der spitzige Deckel
des Sarges war entfernt, der obere Theil des Katafalkes abgebaut,
der freie Raum zwischen diesem und dem gegenüberliegenden Theil
der Halle dicht verhängt für die Damen des Harem. In ihrer
unverhüllten Hälfte thronte der König mit achtzehn seiner Kinder,
setzte sich aber bald auf die oberste Treppenstufe am Eingang und
rief den Gesandten heran: bei Leichenfeierlichkeiten fordere die
Sitte, dass alle Anwesenden Geschenke erhielten; er wünsche diesen
Brauch auf die Fremden auszudehnen. Darauf händigte er Jedem

Todtenverbrennung. XXI.
bis zum Fuss des Thrones heran, um Goldgeschenke zu empfangen.
— Die vollständige Ausstattung für etwa vierzig Priester enthielten
ebensoviele innerhalb der Einzäunung aufgestellte Glasschränke:
Ballen gelben Stoffes zu Gewändern, Theeservice, europäische
Schnapsgläschen, Almosentöpfe und vielerlei Hausgeräth; auf jedem
Schrank lag ein mit Gebeten beschriebener Fächer und ein baum-
wollener europäischer Regenschirm, wie ihn bei uns die Bauern
tragen; davor aber stand das nothwendigste Requisit des siame-
sischen Bonzen, ein niedliches Ruderboot.

Während der Hof seine Geschenke erhielt, warfen Trabanten
von einigen Gerüsten Silbermünzen unter das Volk. Unterdessen
verzehrte der Gesandte mit seinen Begleitern eine in einer Neben-
halle für sie aufgetragene Mahlzeit, die leidlich zubereitet, aber
kalt war. — Nachdem darauf ein Bonze unter ohrenzerreissender
Musik vor dem König gepredigt hatte, wurden Schattenspiele auf-
geführt: man bewegte die aus schwarzem Papier geschnittenen Fi-
guren, — phantastische Krieger, Ungeheuer, Dämonen, — vor
grossen von hinten beleuchteten Schirmen; auch dazu lärmten die
Musikanten mörderlich. Dann zündete der König eigenhändig das
Feuerwerk an und nahm mit seinen Kindern auf dem Estrich des
Katafalkes Platz, wohin der Phraklaṅ auch den Gesandten führte.
Im strahlenden Lampenlicht sah der Bau mit der malerischen
Staffage sehr prächtig aus; der König selbst war ganz weiss, in die
Farbe der Leidtragenden gekleidet. Er zeigte dem Gesandten den
Entwurf eines Schreibens an Seine Majestät den König von Preussen
und äusserte selbstgefällig, dass er ihn ganz allein, ohne Hülfe in
englischer Sprache niedergeschrieben habe. — Das Feuerwerk war
prächtig, der Jubel des Volkes laut und lärmend. Gegen halb zehn
zog man sich zurück.

Die Lustbarkeiten dauerten die beiden folgenden Tage; die
Verbrennung geschah am zweiten gegen Abend. Der spitzige Deckel
des Sarges war entfernt, der obere Theil des Katafalkes abgebaut,
der freie Raum zwischen diesem und dem gegenüberliegenden Theil
der Halle dicht verhängt für die Damen des Harem. In ihrer
unverhüllten Hälfte thronte der König mit achtzehn seiner Kinder,
setzte sich aber bald auf die oberste Treppenstufe am Eingang und
rief den Gesandten heran: bei Leichenfeierlichkeiten fordere die
Sitte, dass alle Anwesenden Geschenke erhielten; er wünsche diesen
Brauch auf die Fremden auszudehnen. Darauf händigte er Jedem

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[294/0308] Todtenverbrennung. XXI. bis zum Fuss des Thrones heran, um Goldgeschenke zu empfangen. — Die vollständige Ausstattung für etwa vierzig Priester enthielten ebensoviele innerhalb der Einzäunung aufgestellte Glasschränke: Ballen gelben Stoffes zu Gewändern, Theeservice, europäische Schnapsgläschen, Almosentöpfe und vielerlei Hausgeräth; auf jedem Schrank lag ein mit Gebeten beschriebener Fächer und ein baum- wollener europäischer Regenschirm, wie ihn bei uns die Bauern tragen; davor aber stand das nothwendigste Requisit des siame- sischen Bonzen, ein niedliches Ruderboot. Während der Hof seine Geschenke erhielt, warfen Trabanten von einigen Gerüsten Silbermünzen unter das Volk. Unterdessen verzehrte der Gesandte mit seinen Begleitern eine in einer Neben- halle für sie aufgetragene Mahlzeit, die leidlich zubereitet, aber kalt war. — Nachdem darauf ein Bonze unter ohrenzerreissender Musik vor dem König gepredigt hatte, wurden Schattenspiele auf- geführt: man bewegte die aus schwarzem Papier geschnittenen Fi- guren, — phantastische Krieger, Ungeheuer, Dämonen, — vor grossen von hinten beleuchteten Schirmen; auch dazu lärmten die Musikanten mörderlich. Dann zündete der König eigenhändig das Feuerwerk an und nahm mit seinen Kindern auf dem Estrich des Katafalkes Platz, wohin der Phraklaṅ auch den Gesandten führte. Im strahlenden Lampenlicht sah der Bau mit der malerischen Staffage sehr prächtig aus; der König selbst war ganz weiss, in die Farbe der Leidtragenden gekleidet. Er zeigte dem Gesandten den Entwurf eines Schreibens an Seine Majestät den König von Preussen und äusserte selbstgefällig, dass er ihn ganz allein, ohne Hülfe in englischer Sprache niedergeschrieben habe. — Das Feuerwerk war prächtig, der Jubel des Volkes laut und lärmend. Gegen halb zehn zog man sich zurück. Die Lustbarkeiten dauerten die beiden folgenden Tage; die Verbrennung geschah am zweiten gegen Abend. Der spitzige Deckel des Sarges war entfernt, der obere Theil des Katafalkes abgebaut, der freie Raum zwischen diesem und dem gegenüberliegenden Theil der Halle dicht verhängt für die Damen des Harem. In ihrer unverhüllten Hälfte thronte der König mit achtzehn seiner Kinder, setzte sich aber bald auf die oberste Treppenstufe am Eingang und rief den Gesandten heran: bei Leichenfeierlichkeiten fordere die Sitte, dass alle Anwesenden Geschenke erhielten; er wünsche diesen Brauch auf die Fremden auszudehnen. Darauf händigte er Jedem

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/308>, abgerufen am 29.11.2024.