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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXI. Todtenverbrennung.
ein Pappkästchen mit Glasdeckel ein, in welchem zwischen künst-
lichen grünen Blättern Schmetterlinge und Blumen aus dünnem
Goldblech, goldene Ringe und kleine Gold- und Silbermünzen
lagen, -- ausserdem ein Säckchen mit Limonen, die ebenfalls voll
kleiner Münzen steckten. Aehnliche Kästchen erhielt Graf Eulen-
burg
für Ihre Preussischen Majestäten und das kronprinzliche Paar.

Bald darauf erhob sich der König, ging an den in drei
Reihen auf den Stufen knieenden Bonzen vorbei, die hinter Fächern
Gebete murmelten, stieg zum Sarge hinan, goss Weihwasser in den-
selben, kniete dann betend auf der untersten Treppenstufe nieder,
verneigte sich dreimal gegen den Sarg, dreimal gegen die Bonzen,
und vertheilte an letztere Geschenke, meist Ballen gelben Stoffes,
die seine Kinder ihm geschäftig zureichten. -- Nun wurde das
breite aus dem Sarge hängende Band entfernt; der König stieg
wieder hinauf, steckte mit einer ihm gereichten Fackel den Holz-
stoss an, trat bis zum Rand der Estrade zurück und setzte mit
einem an langem Stabe befestigten Licht eine dünne Röhre mit
Feuerwerkssatz in Brand, die um den Katafalk lief. Weiss geklei-
dete Herolde mit hohen spitzen Mützen warfen unterdessen wieder
Geld unter das Volk; der König kehrte zu seinem Thron in der
Halle zurück und theilte münzengespickte Limonen an seine Höf-
linge aus, die auf allen Vieren herankrochen. Ein Feuerwerk be-
schloss den Abend.

Am nächsten Morgen fuhr eine Procession prächtig decorir-
ter Staatsboote den Fluss hinab; im grössten befand sich die
Asche des verbrannten Prinzen, welche bis auf einen kleinen zu
Andenken für die Verwandten bestimmten Theil unterhalb der
Stadt in den Fluss geschüttet wurde. Oft wird die Asche in kleine
Götzen aus Silberblech eingeknetet, die man in der Tasche tragen
kann, zuweilen auch unter einem Pratsedi begraben, oder mit
Kalkwasser vermischt zum Anstrich der Tempelwände verbraucht.
Die Knochenreste der allerhöchsten Personen werden in goldener
Urne im Tempel Maha-phrasat beigesetzt.

Bei manchen Verbrennungen sind die Anstalten noch
prächtiger; die Ausstellung unter dem Katafalk und die Lustbarkeiten
dauern oft vierzehn Tage; dann wird die goldene unten vergitterte
Urne auf den Holzstoss gesetzt. Die vier Hauptpfosten des Kata-
falkes müssen frisch gehauene Tekastämme von gradem Wuchs
bilden; man erzählt von 200 Fuss hohen Bäumen und 60 Fuss hohen

XXI. Todtenverbrennung.
ein Pappkästchen mit Glasdeckel ein, in welchem zwischen künst-
lichen grünen Blättern Schmetterlinge und Blumen aus dünnem
Goldblech, goldene Ringe und kleine Gold- und Silbermünzen
lagen, — ausserdem ein Säckchen mit Limonen, die ebenfalls voll
kleiner Münzen steckten. Aehnliche Kästchen erhielt Graf Eulen-
burg
für Ihre Preussischen Majestäten und das kronprinzliche Paar.

Bald darauf erhob sich der König, ging an den in drei
Reihen auf den Stufen knieenden Bonzen vorbei, die hinter Fächern
Gebete murmelten, stieg zum Sarge hinan, goss Weihwasser in den-
selben, kniete dann betend auf der untersten Treppenstufe nieder,
verneigte sich dreimal gegen den Sarg, dreimal gegen die Bonzen,
und vertheilte an letztere Geschenke, meist Ballen gelben Stoffes,
die seine Kinder ihm geschäftig zureichten. — Nun wurde das
breite aus dem Sarge hängende Band entfernt; der König stieg
wieder hinauf, steckte mit einer ihm gereichten Fackel den Holz-
stoss an, trat bis zum Rand der Estrade zurück und setzte mit
einem an langem Stabe befestigten Licht eine dünne Röhre mit
Feuerwerkssatz in Brand, die um den Katafalk lief. Weiss geklei-
dete Herolde mit hohen spitzen Mützen warfen unterdessen wieder
Geld unter das Volk; der König kehrte zu seinem Thron in der
Halle zurück und theilte münzengespickte Limonen an seine Höf-
linge aus, die auf allen Vieren herankrochen. Ein Feuerwerk be-
schloss den Abend.

Am nächsten Morgen fuhr eine Procession prächtig decorir-
ter Staatsboote den Fluss hinab; im grössten befand sich die
Asche des verbrannten Prinzen, welche bis auf einen kleinen zu
Andenken für die Verwandten bestimmten Theil unterhalb der
Stadt in den Fluss geschüttet wurde. Oft wird die Asche in kleine
Götzen aus Silberblech eingeknetet, die man in der Tasche tragen
kann, zuweilen auch unter einem Pratšedi begraben, oder mit
Kalkwasser vermischt zum Anstrich der Tempelwände verbraucht.
Die Knochenreste der allerhöchsten Personen werden in goldener
Urne im Tempel Maha-phrasat beigesetzt.

Bei manchen Verbrennungen sind die Anstalten noch
prächtiger; die Ausstellung unter dem Katafalk und die Lustbarkeiten
dauern oft vierzehn Tage; dann wird die goldene unten vergitterte
Urne auf den Holzstoss gesetzt. Die vier Hauptpfosten des Kata-
falkes müssen frisch gehauene Tekastämme von gradem Wuchs
bilden; man erzählt von 200 Fuss hohen Bäumen und 60 Fuss hohen

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[295/0309] XXI. Todtenverbrennung. ein Pappkästchen mit Glasdeckel ein, in welchem zwischen künst- lichen grünen Blättern Schmetterlinge und Blumen aus dünnem Goldblech, goldene Ringe und kleine Gold- und Silbermünzen lagen, — ausserdem ein Säckchen mit Limonen, die ebenfalls voll kleiner Münzen steckten. Aehnliche Kästchen erhielt Graf Eulen- burg für Ihre Preussischen Majestäten und das kronprinzliche Paar. Bald darauf erhob sich der König, ging an den in drei Reihen auf den Stufen knieenden Bonzen vorbei, die hinter Fächern Gebete murmelten, stieg zum Sarge hinan, goss Weihwasser in den- selben, kniete dann betend auf der untersten Treppenstufe nieder, verneigte sich dreimal gegen den Sarg, dreimal gegen die Bonzen, und vertheilte an letztere Geschenke, meist Ballen gelben Stoffes, die seine Kinder ihm geschäftig zureichten. — Nun wurde das breite aus dem Sarge hängende Band entfernt; der König stieg wieder hinauf, steckte mit einer ihm gereichten Fackel den Holz- stoss an, trat bis zum Rand der Estrade zurück und setzte mit einem an langem Stabe befestigten Licht eine dünne Röhre mit Feuerwerkssatz in Brand, die um den Katafalk lief. Weiss geklei- dete Herolde mit hohen spitzen Mützen warfen unterdessen wieder Geld unter das Volk; der König kehrte zu seinem Thron in der Halle zurück und theilte münzengespickte Limonen an seine Höf- linge aus, die auf allen Vieren herankrochen. Ein Feuerwerk be- schloss den Abend. Am nächsten Morgen fuhr eine Procession prächtig decorir- ter Staatsboote den Fluss hinab; im grössten befand sich die Asche des verbrannten Prinzen, welche bis auf einen kleinen zu Andenken für die Verwandten bestimmten Theil unterhalb der Stadt in den Fluss geschüttet wurde. Oft wird die Asche in kleine Götzen aus Silberblech eingeknetet, die man in der Tasche tragen kann, zuweilen auch unter einem Pratšedi begraben, oder mit Kalkwasser vermischt zum Anstrich der Tempelwände verbraucht. Die Knochenreste der allerhöchsten Personen werden in goldener Urne im Tempel Maha-phrasat beigesetzt. Bei manchen Verbrennungen sind die Anstalten noch prächtiger; die Ausstellung unter dem Katafalk und die Lustbarkeiten dauern oft vierzehn Tage; dann wird die goldene unten vergitterte Urne auf den Holzstoss gesetzt. Die vier Hauptpfosten des Kata- falkes müssen frisch gehauene Tekastämme von gradem Wuchs bilden; man erzählt von 200 Fuss hohen Bäumen und 60 Fuss hohen

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/309>, abgerufen am 29.11.2024.