Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Alpenrose. thal "Zundern", im Tessin "Dros" u. s. w. Das Geschlecht derRhododendren gehört zu der natürlichen Verwandtschaft der Haide¬ kräuter oder Ericineen oder auch zu den noch näher stehenden Heidelbeergesträuchen oder Vaccineen. Es giebt keine andere Strauch¬ pflanze, mit welcher die Europäische Alpenrose sich besser vergleichen ließe, als mit dem Gebüsch der Rauschbeere (Vaccinium uligino¬ sum) und der Preisselsbeere (V. Vitis Idaea), die in den Alpen ebenfalls bis zu 7000 Fuß Höhe vorkommen. Mit weithin sich verzweigendem, niederem Gestrüpp, erinnern die Alpenrosen auch einigermaßen an den Buchsbaum, namentlich durch ihr Laub; sonst aber haben sie mit demselben durchaus nichts gemein. Sie bilden eine eigene kleine Familie, welche man Rhodoraceen genannt hat, und umfassen die drei Gattungen: 1) der in den nördlichen Nie¬ derungen und Torfweiden wachsenden Porste (Ledum), 2) der Azaleen, die in den Alpen blos als zierliches, immergrünes, liegen¬ des (A. procumbens), rosaroth blühendes Zwerggesträuch häufig zwischen 5000 und 7500 F. vorkommen, und 3) Rhododendra. Alle drei haben den Umstand gemeinschaftlich, daß ihre Blatt- und Blüthenknospen von großen Hüllschuppen bedeckt sind, weshalb sie zapfenförmig aus den Zweigen hervorbrechen. Diesen Entwicke¬ lungsmoment können wir freilich in der Regel nicht beobachten, weil er fast immer unterm Schnee sich vorbereitet. So wie der Frühling in den Höhen von 4000 bis 6500 F. allmählig Schritt um Schritt emporrückt, und die deckende Schneehülle mit weichem Odem hinweghaucht, ist auch der lichtbraune, hornartige Knospen¬ panzer schon geplatzt, und Blätter und Blüthenknöpfchen stecken neugierig ihr junges frisches Grün hervor, um sich die Pracht ihrer Mutter, der erhabenen großen Alpenwelt, zu betrachten. Der Wanderfreund sieht diese Phasen alle nicht; er tritt erst im Juli und August in den reichgeschmückten Alpengarten, wenn schon der ganze Rhododendren-Flor in vollen feuerigen Flammen steht, und die rubinglühenden Glockensträußchen ihre Sternkelche erschlossen Alpenroſe. thal „Zundern“, im Teſſin „Dros“ u. ſ. w. Das Geſchlecht derRhododendren gehört zu der natürlichen Verwandtſchaft der Haide¬ kräuter oder Ericineen oder auch zu den noch näher ſtehenden Heidelbeergeſträuchen oder Vaccineen. Es giebt keine andere Strauch¬ pflanze, mit welcher die Europäiſche Alpenroſe ſich beſſer vergleichen ließe, als mit dem Gebüſch der Rauſchbeere (Vaccinium uligino¬ sum) und der Preiſſelsbeere (V. Vitis Idaea), die in den Alpen ebenfalls bis zu 7000 Fuß Höhe vorkommen. Mit weithin ſich verzweigendem, niederem Geſtrüpp, erinnern die Alpenroſen auch einigermaßen an den Buchsbaum, namentlich durch ihr Laub; ſonſt aber haben ſie mit demſelben durchaus nichts gemein. Sie bilden eine eigene kleine Familie, welche man Rhodoraceen genannt hat, und umfaſſen die drei Gattungen: 1) der in den nördlichen Nie¬ derungen und Torfweiden wachſenden Porſte (Ledum), 2) der Azaleen, die in den Alpen blos als zierliches, immergrünes, liegen¬ des (A. procumbens), roſaroth blühendes Zwerggeſträuch häufig zwiſchen 5000 und 7500 F. vorkommen, und 3) Rhododendra. Alle drei haben den Umſtand gemeinſchaftlich, daß ihre Blatt- und Blüthenknoſpen von großen Hüllſchuppen bedeckt ſind, weshalb ſie zapfenförmig aus den Zweigen hervorbrechen. Dieſen Entwicke¬ lungsmoment können wir freilich in der Regel nicht beobachten, weil er faſt immer unterm Schnee ſich vorbereitet. So wie der Frühling in den Höhen von 4000 bis 6500 F. allmählig Schritt um Schritt emporrückt, und die deckende Schneehülle mit weichem Odem hinweghaucht, iſt auch der lichtbraune, hornartige Knospen¬ panzer ſchon geplatzt, und Blätter und Blüthenknöpfchen ſtecken neugierig ihr junges friſches Grün hervor, um ſich die Pracht ihrer Mutter, der erhabenen großen Alpenwelt, zu betrachten. Der Wanderfreund ſieht dieſe Phaſen alle nicht; er tritt erſt im Juli und Auguſt in den reichgeſchmückten Alpengarten, wenn ſchon der ganze Rhododendren-Flor in vollen feuerigen Flammen ſteht, und die rubinglühenden Glockenſträußchen ihre Sternkelche erſchloſſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0126" n="100"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Alpenroſe</hi>.<lb/></fw> thal „Zundern“, im Teſſin „Dros“ u. ſ. w. Das Geſchlecht der<lb/> Rhododendren gehört zu der natürlichen Verwandtſchaft der Haide¬<lb/> kräuter oder Ericineen oder auch zu den noch näher ſtehenden<lb/> Heidelbeergeſträuchen oder Vaccineen. Es giebt keine andere Strauch¬<lb/> pflanze, mit welcher die Europäiſche Alpenroſe ſich beſſer vergleichen<lb/> ließe, als mit dem Gebüſch der Rauſchbeere (<hi rendition="#aq">Vaccinium uligino¬<lb/> sum</hi>) und der Preiſſelsbeere (<hi rendition="#aq">V. Vitis Idaea</hi>), die in den Alpen<lb/> ebenfalls bis zu 7000 Fuß Höhe vorkommen. 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Alpenroſe.
thal „Zundern“, im Teſſin „Dros“ u. ſ. w. Das Geſchlecht der
Rhododendren gehört zu der natürlichen Verwandtſchaft der Haide¬
kräuter oder Ericineen oder auch zu den noch näher ſtehenden
Heidelbeergeſträuchen oder Vaccineen. Es giebt keine andere Strauch¬
pflanze, mit welcher die Europäiſche Alpenroſe ſich beſſer vergleichen
ließe, als mit dem Gebüſch der Rauſchbeere (Vaccinium uligino¬
sum) und der Preiſſelsbeere (V. Vitis Idaea), die in den Alpen
ebenfalls bis zu 7000 Fuß Höhe vorkommen. Mit weithin ſich
verzweigendem, niederem Geſtrüpp, erinnern die Alpenroſen auch
einigermaßen an den Buchsbaum, namentlich durch ihr Laub; ſonſt
aber haben ſie mit demſelben durchaus nichts gemein. Sie bilden
eine eigene kleine Familie, welche man Rhodoraceen genannt hat,
und umfaſſen die drei Gattungen: 1) der in den nördlichen Nie¬
derungen und Torfweiden wachſenden Porſte (Ledum), 2) der
Azaleen, die in den Alpen blos als zierliches, immergrünes, liegen¬
des (A. procumbens), roſaroth blühendes Zwerggeſträuch häufig
zwiſchen 5000 und 7500 F. vorkommen, und 3) Rhododendra.
Alle drei haben den Umſtand gemeinſchaftlich, daß ihre Blatt- und
Blüthenknoſpen von großen Hüllſchuppen bedeckt ſind, weshalb ſie
zapfenförmig aus den Zweigen hervorbrechen. Dieſen Entwicke¬
lungsmoment können wir freilich in der Regel nicht beobachten,
weil er faſt immer unterm Schnee ſich vorbereitet. So wie der
Frühling in den Höhen von 4000 bis 6500 F. allmählig Schritt
um Schritt emporrückt, und die deckende Schneehülle mit weichem
Odem hinweghaucht, iſt auch der lichtbraune, hornartige Knospen¬
panzer ſchon geplatzt, und Blätter und Blüthenknöpfchen ſtecken
neugierig ihr junges friſches Grün hervor, um ſich die Pracht
ihrer Mutter, der erhabenen großen Alpenwelt, zu betrachten. Der
Wanderfreund ſieht dieſe Phaſen alle nicht; er tritt erſt im Juli
und Auguſt in den reichgeſchmückten Alpengarten, wenn ſchon der
ganze Rhododendren-Flor in vollen feuerigen Flammen ſteht, und
die rubinglühenden Glockenſträußchen ihre Sternkelche erſchloſſen
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