Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Der Wasserfall. ter und an Formen mannigfaltiger, je nachdem die Felsenarchitektur,über welche die Wassermassen herabstürzen, sich gestaltet. Es hängt viel von der Verwitterungsfähigkeit des Gesteines und dessen Bruch¬ figuren ab. Da, wo granitische oder überhaupt krystallinische Fels¬ arten die Basis der Sturzwände bilden, wo also die Konsistenz und Dauerkräftigkeit bedeutend ist, zeigt sich der Wasserfall auch als großartiges, einheitlich massenhaftes Schauspiel. Dennoch variiren auch diese außerordentlich. Der Buffalora im Val Misocco (Graubünden), welcher über eine fast lothrechte Wand herabkommt, schießt droben in vollster Vehemenz als geschlossene, kompakte Säule, wie ein krystallener Kanonenschuß weit über den Felsenrand hinaus und fährt als runder konsistenter Körper zur Tiefe nieder, ohne direkt die Gneisfront, über die er herabstürzt, zu berühren. Er unterliegt also, bezüglich seiner Sturzverhältnisse, den gleichen Bedingungen wie der Staubbach im Lauterbrunnen-Thale, nur daß er, vermöge seines größeren Wasservolumens und seines minder hohen Falles halber, sich nicht verflüchtigend auflöst wie jener, sondern eben so en gros unten ankommt, wie er droben sein Bett verließ. Er ist eben der kühne männliche Pendant zum schmachtend-weiblichen Staubbach. -- Dieser gleichen Kategorie gehören die ricochetirenden Fälle an. Der Waſſerfall. ter und an Formen mannigfaltiger, je nachdem die Felſenarchitektur,über welche die Waſſermaſſen herabſtürzen, ſich geſtaltet. Es hängt viel von der Verwitterungsfähigkeit des Geſteines und deſſen Bruch¬ figuren ab. Da, wo granitiſche oder überhaupt kryſtalliniſche Fels¬ arten die Baſis der Sturzwände bilden, wo alſo die Konſiſtenz und Dauerkräftigkeit bedeutend iſt, zeigt ſich der Waſſerfall auch als großartiges, einheitlich maſſenhaftes Schauſpiel. Dennoch variiren auch dieſe außerordentlich. Der Buffalora im Val Miſocco (Graubünden), welcher über eine faſt lothrechte Wand herabkommt, ſchießt droben in vollſter Vehemenz als geſchloſſene, kompakte Säule, wie ein kryſtallener Kanonenſchuß weit über den Felſenrand hinaus und fährt als runder konſiſtenter Körper zur Tiefe nieder, ohne direkt die Gneisfront, über die er herabſtürzt, zu berühren. Er unterliegt alſo, bezüglich ſeiner Sturzverhältniſſe, den gleichen Bedingungen wie der Staubbach im Lauterbrunnen-Thale, nur daß er, vermöge ſeines größeren Waſſervolumens und ſeines minder hohen Falles halber, ſich nicht verflüchtigend auflöſt wie jener, ſondern eben ſo en gros unten ankommt, wie er droben ſein Bett verließ. Er iſt eben der kühne männliche Pendant zum ſchmachtend-weiblichen Staubbach. — Dieſer gleichen Kategorie gehören die ricochetirenden Fälle an. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0186" n="158"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Der Waſſerfall</hi>.<lb/></fw> ter und an Formen mannigfaltiger, je nachdem die Felſenarchitektur,<lb/> über welche die Waſſermaſſen herabſtürzen, ſich geſtaltet. Es hängt<lb/> viel von der Verwitterungsfähigkeit des Geſteines und deſſen Bruch¬<lb/> figuren ab. Da, wo granitiſche oder überhaupt kryſtalliniſche Fels¬<lb/> arten die Baſis der Sturzwände bilden, wo alſo die Konſiſtenz<lb/> und Dauerkräftigkeit bedeutend iſt, zeigt ſich der Waſſerfall auch<lb/> als großartiges, einheitlich maſſenhaftes Schauſpiel. Dennoch<lb/> variiren auch dieſe außerordentlich. 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Der Waſſerfall.
ter und an Formen mannigfaltiger, je nachdem die Felſenarchitektur,
über welche die Waſſermaſſen herabſtürzen, ſich geſtaltet. Es hängt
viel von der Verwitterungsfähigkeit des Geſteines und deſſen Bruch¬
figuren ab. Da, wo granitiſche oder überhaupt kryſtalliniſche Fels¬
arten die Baſis der Sturzwände bilden, wo alſo die Konſiſtenz
und Dauerkräftigkeit bedeutend iſt, zeigt ſich der Waſſerfall auch
als großartiges, einheitlich maſſenhaftes Schauſpiel. Dennoch
variiren auch dieſe außerordentlich. Der Buffalora im Val Miſocco
(Graubünden), welcher über eine faſt lothrechte Wand herabkommt,
ſchießt droben in vollſter Vehemenz als geſchloſſene, kompakte Säule,
wie ein kryſtallener Kanonenſchuß weit über den Felſenrand hinaus
und fährt als runder konſiſtenter Körper zur Tiefe nieder, ohne direkt
die Gneisfront, über die er herabſtürzt, zu berühren. Er unterliegt
alſo, bezüglich ſeiner Sturzverhältniſſe, den gleichen Bedingungen
wie der Staubbach im Lauterbrunnen-Thale, nur daß er, vermöge
ſeines größeren Waſſervolumens und ſeines minder hohen Falles
halber, ſich nicht verflüchtigend auflöſt wie jener, ſondern eben ſo
en gros unten ankommt, wie er droben ſein Bett verließ. Er iſt
eben der kühne männliche Pendant zum ſchmachtend-weiblichen
Staubbach. —
Dieſer gleichen Kategorie gehören die ricochetirenden Fälle an.
Der Piumegna bei Faido kommt über die Alpenterraſſen von Pian
del Lago, welche die weſtliche Thalwand des Teſſiner Val Leven¬
tina bilden, in Cascadellen als munterer, kräftig genährter Berg¬
bach herab, und ſieht ſich plötzlich in dem Fall, kein Flußbett mehr
zu haben, ſondern einen Satz auf gut Glück ins Unbeſtimmte über
eine vertikale Glimmerwand wagen zu müſſen. Er thuts, ſtaucht
unten aber, ſtatt in einen ſeine Schaumwellen ſammelnden Keſſel
zu fallen, auf eine Felſenplatte, ſo daß er in bildlichem Aufſchrei,
wie eine Fächer-Fontäne wieder emporſpritzt und einen Bogenſatz
hinaus ins Freie macht, der einer ſchönen Maraboutfeder gleicht.
Aehnlich verhält ſichs mit der Cascade des Pélérins, die 150 Fuß
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