Betritt man dann des Alpendorfes Kirchlein, so ists auch hier wieder, als ob man einen Riesenschritt zurück ins graue Mittel¬ alter machte. Die meisten sind im Bau Urtypen der Einfachheit und verrathen kaum, aus welcher Zeit sie stammen, welchem Styl sie angehören. Das Innere hat einst die fromme Einfalt mit allerlei Zierathen oder die Hand eines wandernden Maler-Dilet¬ tanten mit Bildwerk aus dem Leben des Orts-Patrons oder ande¬ ren Heiligen-Legenden geschmückt, in denen gewöhnlich der Teufel mit Hörnern und Pferdefuß eine hauptsächliche Rolle spielt; da ists denn nicht selten der Fall, daß die liebe Dorfjugend an diesen höllischen Mißgestalten ihren Zorn ausgelassen und den Herrn Satan im heiligen Glaubenseifer ganz zerkratzt hat. Oder man findet plötzlich, zu seiner größten Ueberraschung, ein neues, von tüchtigem Künstler gemaltes Altarblatt und hört bei weiterer Nach¬ frage, daß ein Münchener oder Düsseldorfer Maler, der einen ganzen Sommer lang im Wirthshäusle des Dorfes logirt, dies Bild ge¬ malt und dem Kirchlein geschenkt habe. -- Indessen giebts auch Alpendörfer, ganz versteckt, zu hinterst im Thal, die Gotteshäuser haben, groß, edel im Styl, sogar prunkvoll in der Ausführung, mit Marmorsäulen und trefflichen Bildschnitzereien, -- Kirchen, die jene mancher ehemaligen Reichsstadt weit übertreffen. Entweder steht oder stand ein Kloster dort, welches aus seinem wohlgespick¬ ten Säckel und unter Beihilfe der diensteigenen Thallente den überraschend-schönen Bau herstellte, -- oder es lebte einst in diesem von der Welt abgeschiedenen Alpenwinkel ein Mann, der seine Nachbarn zu solch großem Werk zu entflammen wußte, daß Alle Hand anlegten, bis das Gebäude vollendet dastand. -- Die Herr¬ schaft der äußersten Gegensätze, die in den Alpen allenthalben zu Tage tritt, zeigt sich auch hier.
Und nun das Leben selbst in diesen Dörfern, in diesen großen Einsiedeleien Central-Europas, -- wie tritt auch hier uns wieder so viel Uranfänglich-Einfaches entgegen! -- Ohne Beistand der
Dorfleben im Gebirge.
Betritt man dann des Alpendorfes Kirchlein, ſo iſts auch hier wieder, als ob man einen Rieſenſchritt zurück ins graue Mittel¬ alter machte. Die meiſten ſind im Bau Urtypen der Einfachheit und verrathen kaum, aus welcher Zeit ſie ſtammen, welchem Styl ſie angehören. Das Innere hat einſt die fromme Einfalt mit allerlei Zierathen oder die Hand eines wandernden Maler-Dilet¬ tanten mit Bildwerk aus dem Leben des Orts-Patrons oder ande¬ ren Heiligen-Legenden geſchmückt, in denen gewöhnlich der Teufel mit Hörnern und Pferdefuß eine hauptſächliche Rolle ſpielt; da iſts denn nicht ſelten der Fall, daß die liebe Dorfjugend an dieſen hölliſchen Mißgeſtalten ihren Zorn ausgelaſſen und den Herrn Satan im heiligen Glaubenseifer ganz zerkratzt hat. Oder man findet plötzlich, zu ſeiner größten Ueberraſchung, ein neues, von tüchtigem Künſtler gemaltes Altarblatt und hört bei weiterer Nach¬ frage, daß ein Münchener oder Düſſeldorfer Maler, der einen ganzen Sommer lang im Wirthshäusle des Dorfes logirt, dies Bild ge¬ malt und dem Kirchlein geſchenkt habe. — Indeſſen giebts auch Alpendörfer, ganz verſteckt, zu hinterſt im Thal, die Gotteshäuſer haben, groß, edel im Styl, ſogar prunkvoll in der Ausführung, mit Marmorſäulen und trefflichen Bildſchnitzereien, — Kirchen, die jene mancher ehemaligen Reichsſtadt weit übertreffen. Entweder ſteht oder ſtand ein Kloſter dort, welches aus ſeinem wohlgeſpick¬ ten Säckel und unter Beihilfe der dienſteigenen Thallente den überraſchend-ſchönen Bau herſtellte, — oder es lebte einſt in dieſem von der Welt abgeſchiedenen Alpenwinkel ein Mann, der ſeine Nachbarn zu ſolch großem Werk zu entflammen wußte, daß Alle Hand anlegten, bis das Gebäude vollendet daſtand. — Die Herr¬ ſchaft der äußerſten Gegenſätze, die in den Alpen allenthalben zu Tage tritt, zeigt ſich auch hier.
Und nun das Leben ſelbſt in dieſen Dörfern, in dieſen großen Einſiedeleien Central-Europas, — wie tritt auch hier uns wieder ſo viel Uranfänglich-Einfaches entgegen! — Ohne Beiſtand der
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Dorfleben im Gebirge.
Betritt man dann des Alpendorfes Kirchlein, ſo iſts auch
hier wieder, als ob man einen Rieſenſchritt zurück ins graue Mittel¬
alter machte. Die meiſten ſind im Bau Urtypen der Einfachheit
und verrathen kaum, aus welcher Zeit ſie ſtammen, welchem Styl
ſie angehören. Das Innere hat einſt die fromme Einfalt mit
allerlei Zierathen oder die Hand eines wandernden Maler-Dilet¬
tanten mit Bildwerk aus dem Leben des Orts-Patrons oder ande¬
ren Heiligen-Legenden geſchmückt, in denen gewöhnlich der Teufel
mit Hörnern und Pferdefuß eine hauptſächliche Rolle ſpielt; da
iſts denn nicht ſelten der Fall, daß die liebe Dorfjugend an dieſen
hölliſchen Mißgeſtalten ihren Zorn ausgelaſſen und den Herrn
Satan im heiligen Glaubenseifer ganz zerkratzt hat. Oder man
findet plötzlich, zu ſeiner größten Ueberraſchung, ein neues, von
tüchtigem Künſtler gemaltes Altarblatt und hört bei weiterer Nach¬
frage, daß ein Münchener oder Düſſeldorfer Maler, der einen ganzen
Sommer lang im Wirthshäusle des Dorfes logirt, dies Bild ge¬
malt und dem Kirchlein geſchenkt habe. — Indeſſen giebts auch
Alpendörfer, ganz verſteckt, zu hinterſt im Thal, die Gotteshäuſer
haben, groß, edel im Styl, ſogar prunkvoll in der Ausführung,
mit Marmorſäulen und trefflichen Bildſchnitzereien, — Kirchen, die
jene mancher ehemaligen Reichsſtadt weit übertreffen. Entweder
ſteht oder ſtand ein Kloſter dort, welches aus ſeinem wohlgeſpick¬
ten Säckel und unter Beihilfe der dienſteigenen Thallente den
überraſchend-ſchönen Bau herſtellte, — oder es lebte einſt in dieſem
von der Welt abgeſchiedenen Alpenwinkel ein Mann, der ſeine
Nachbarn zu ſolch großem Werk zu entflammen wußte, daß Alle
Hand anlegten, bis das Gebäude vollendet daſtand. — Die Herr¬
ſchaft der äußerſten Gegenſätze, die in den Alpen allenthalben zu
Tage tritt, zeigt ſich auch hier.
Und nun das Leben ſelbſt in dieſen Dörfern, in dieſen großen
Einſiedeleien Central-Europas, — wie tritt auch hier uns wieder
ſo viel Uranfänglich-Einfaches entgegen! — Ohne Beiſtand der
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/478>, abgerufen am 21.11.2024.
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