Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Der Goldauer Bergsturz. dörrtem Buchenlaub gestopfter Bettsack und auf demselben schlafend,im Hemdchen das kleinste Kind. Mit Lebensgefahr stieg der Onkel desselben in die breiweiche, mit Steinblöcken untermengte Schutt¬ lauine und rettete den kleinen Schläfer. Nur wenig Schlamm war ihm ins Gesicht gespritzt, sonst war er völlig unversehrt. Welch wunderbare Fügung das Kind in Mitte des tausendfach einherbrausenden Todes erhalten hatte, wie die Trümmer des ein¬ stürzenden Hauses und das schwere Dachgebälk gefallen sein mö¬ gen, ohne das Kind zu berühren, wie dieses, gleichsam von unsicht¬ baren Händen getragen mit dem gleichen Polster, auf welchem es vor der Katastrophe schlief, auf den Trümmerhaufen mag niederge¬ legt worden sein, ist fast unerklärlich. Jetzt ists ein 58 jähriger Mann, Sebastian Meinrad Mettler, der in Goldau drunten wohnt. Die wunderbarste der vielen Rettungsgeschichten ereignete sich Der Goldauer Bergſturz. dörrtem Buchenlaub geſtopfter Bettſack und auf demſelben ſchlafend,im Hemdchen das kleinſte Kind. Mit Lebensgefahr ſtieg der Onkel deſſelben in die breiweiche, mit Steinblöcken untermengte Schutt¬ lauine und rettete den kleinen Schläfer. Nur wenig Schlamm war ihm ins Geſicht geſpritzt, ſonſt war er völlig unverſehrt. Welch wunderbare Fügung das Kind in Mitte des tauſendfach einherbrauſenden Todes erhalten hatte, wie die Trümmer des ein¬ ſtürzenden Hauſes und das ſchwere Dachgebälk gefallen ſein mö¬ gen, ohne das Kind zu berühren, wie dieſes, gleichſam von unſicht¬ baren Händen getragen mit dem gleichen Polſter, auf welchem es vor der Kataſtrophe ſchlief, auf den Trümmerhaufen mag niederge¬ legt worden ſein, iſt faſt unerklärlich. Jetzt iſts ein 58 jähriger Mann, Sebaſtian Meinrad Mettler, der in Goldau drunten wohnt. Die wunderbarſte der vielen Rettungsgeſchichten ereignete ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0079" n="59"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Der Goldauer Bergſturz</hi>.<lb/></fw> dörrtem Buchenlaub geſtopfter Bettſack und auf demſelben ſchlafend,<lb/> im Hemdchen das kleinſte Kind. Mit Lebensgefahr ſtieg der Onkel<lb/> deſſelben in die breiweiche, mit Steinblöcken untermengte Schutt¬<lb/> lauine und rettete den kleinen Schläfer. Nur wenig Schlamm<lb/> war ihm ins Geſicht geſpritzt, ſonſt war er völlig unverſehrt.<lb/> Welch wunderbare Fügung das Kind in Mitte des tauſendfach<lb/> einherbrauſenden Todes erhalten hatte, wie die Trümmer des ein¬<lb/> ſtürzenden Hauſes und das ſchwere Dachgebälk gefallen ſein mö¬<lb/> gen, ohne das Kind zu berühren, wie dieſes, gleichſam von unſicht¬<lb/> baren Händen getragen mit dem gleichen Polſter, auf welchem es<lb/> vor der Kataſtrophe ſchlief, auf den Trümmerhaufen mag niederge¬<lb/> legt worden ſein, iſt faſt unerklärlich. Jetzt iſts ein 58 jähriger<lb/> Mann, Sebaſtian Meinrad Mettler, der in Goldau drunten wohnt.<lb/></p> <p>Die wunderbarſte der vielen Rettungsgeſchichten ereignete ſich<lb/> aber in der Gemeinde Buſingen, unweit des Lowerzer-Sees. Dort<lb/> bewohnte Joſeph Lienhard Wiget, ein baumfeſter, kerngeſunder<lb/> Mann von 32 Jahren ſammt Frau und fünf Kindern ſein ſchönes,<lb/> bäuerlich-wohlhäbiges Heimweſen „zum unteren Lindenmoos.“ Er<lb/> war ein glücklicher, zufriedener Mann. Als der Bergſturz los¬<lb/> brach, war Wiget mit den Seinigen im Grasgarten beſchäftigt<lb/> Obſt aufzuleſen, welches Regen und Wind herabgeſchlagen hatten.<lb/> Eilends erfaßte der beſonnene Mann, als er den Berg kommen<lb/> ſah, ſeine beiden älteſten Knaben und lief mit ihnen einer dem<lb/> Roßberge gegenüberſtehenden Anhöhe zu, indem er ſeiner Frau<lb/> dringend zurief, ihm mit den kleineren Kindern ſchleunigſt zu fol¬<lb/> gen. Die Mutter, welche ein im Hauſe ſchlafendes eilfmonatliches<lb/> Kind nicht dem gräßlichen Schickſale preisgeben wollte, flog noch¬<lb/> mals in die Wohnung. Ihr folgte durch eine andere Thür die<lb/> Magd Franziska mit dem fünfjährigen Marianneli. Im Moment<lb/> des Eintretens in die Stube umfinſtert ſich Alles, völlige Nacht<lb/> verhüllt das unter Donnerkrachen zerberſtende Haus und die Ar¬<lb/> men ſind verſchüttet. Franziska fühlt ſich hin- und hergeſchleudert,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [59/0079]
Der Goldauer Bergſturz.
dörrtem Buchenlaub geſtopfter Bettſack und auf demſelben ſchlafend,
im Hemdchen das kleinſte Kind. Mit Lebensgefahr ſtieg der Onkel
deſſelben in die breiweiche, mit Steinblöcken untermengte Schutt¬
lauine und rettete den kleinen Schläfer. Nur wenig Schlamm
war ihm ins Geſicht geſpritzt, ſonſt war er völlig unverſehrt.
Welch wunderbare Fügung das Kind in Mitte des tauſendfach
einherbrauſenden Todes erhalten hatte, wie die Trümmer des ein¬
ſtürzenden Hauſes und das ſchwere Dachgebälk gefallen ſein mö¬
gen, ohne das Kind zu berühren, wie dieſes, gleichſam von unſicht¬
baren Händen getragen mit dem gleichen Polſter, auf welchem es
vor der Kataſtrophe ſchlief, auf den Trümmerhaufen mag niederge¬
legt worden ſein, iſt faſt unerklärlich. Jetzt iſts ein 58 jähriger
Mann, Sebaſtian Meinrad Mettler, der in Goldau drunten wohnt.
Die wunderbarſte der vielen Rettungsgeſchichten ereignete ſich
aber in der Gemeinde Buſingen, unweit des Lowerzer-Sees. Dort
bewohnte Joſeph Lienhard Wiget, ein baumfeſter, kerngeſunder
Mann von 32 Jahren ſammt Frau und fünf Kindern ſein ſchönes,
bäuerlich-wohlhäbiges Heimweſen „zum unteren Lindenmoos.“ Er
war ein glücklicher, zufriedener Mann. Als der Bergſturz los¬
brach, war Wiget mit den Seinigen im Grasgarten beſchäftigt
Obſt aufzuleſen, welches Regen und Wind herabgeſchlagen hatten.
Eilends erfaßte der beſonnene Mann, als er den Berg kommen
ſah, ſeine beiden älteſten Knaben und lief mit ihnen einer dem
Roßberge gegenüberſtehenden Anhöhe zu, indem er ſeiner Frau
dringend zurief, ihm mit den kleineren Kindern ſchleunigſt zu fol¬
gen. Die Mutter, welche ein im Hauſe ſchlafendes eilfmonatliches
Kind nicht dem gräßlichen Schickſale preisgeben wollte, flog noch¬
mals in die Wohnung. Ihr folgte durch eine andere Thür die
Magd Franziska mit dem fünfjährigen Marianneli. Im Moment
des Eintretens in die Stube umfinſtert ſich Alles, völlige Nacht
verhüllt das unter Donnerkrachen zerberſtende Haus und die Ar¬
men ſind verſchüttet. Franziska fühlt ſich hin- und hergeſchleudert,
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