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Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

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Es zeigte sich nun, dass dieser eigenthümlichen
Störung nicht etwa eine Abnahme der Sehkraft zu Grunde
lag; denn er las ebenso gut oder ebenso schlecht den
kleinsten wie den grössten Druck, ja von dem grösseren
eher weniger Worte als von dem kleinen.

Den Grund, warum er nicht weiter lesen konnte,
wusste er nicht zu präcisiren. Es war kein Schmerz im
Auge oder um dasselbe herum vorhanden; die Buchstaben
verschwammen auch nicht untereinander; er konnte eben
einfach nicht weiter lesen. Der Versuch dazu schien ihm
allerdings unbequem zu sein, denn er pflegte, nachdem
er die wenigen Worte schnell und ohne Fehler ge-
lesen hatte, das Buch in einer Art weg zu legen oder
mir hinzuhalten, als wenn er sich von etwas Unange-
nehmem befreien wollte.

Die weitere Untersuchung ergab, dass er auf jedem
Auge mit Concav 9 No. 20 der Jäger'schen Schrift-
proben auf 6 Fuss Entfernung sicher erkannte, was einer
Myopie von ca. 5 D mit gutem Sehvermögen entspricht.
Die Snellen'schen Tafeln existirten damals noch nicht;
Untersuchungen auf Farbenperception waren ebenfalls
noch nicht an der Tagesordnung. Die Gesichtsfelder boten
weder einen Ausfall noch eine Einschränkung. In der
Nähe wurde jederseits No. 1 auf ca. 5 Zoll erkannt.
Wenn auch zugegeben werden darf, dass die Schrift bei
dieser Annäherung vielleicht mit Zerstreuungskreisen ge-
lesen wurde, so war doch jede pathologische Beschränkung
der Accommodation auszuschliessen.

Die Pupillen waren von normaler Weite und Be-
weglichkeit. In den Bewegungen der Augen zeigten sich
keinerlei Anomalien, namentlich war keine Insufficienz
der Musculi recti interni vorhanden; die durchsichtigen
Medien, speciell die Linsen waren klar; jederseits war ein
mässiger sclerectatischer Bügel vorhanden, sonst zeigte
der Augenspiegel nichts Abnormes.

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Es zeigte sich nun, dass dieser eigenthümlichen
Störung nicht etwa eine Abnahme der Sehkraft zu Grunde
lag; denn er las ebenso gut oder ebenso schlecht den
kleinsten wie den grössten Druck, ja von dem grösseren
eher weniger Worte als von dem kleinen.

Den Grund, warum er nicht weiter lesen konnte,
wusste er nicht zu präcisiren. Es war kein Schmerz im
Auge oder um dasselbe herum vorhanden; die Buchstaben
verschwammen auch nicht untereinander; er konnte eben
einfach nicht weiter lesen. Der Versuch dazu schien ihm
allerdings unbequem zu sein, denn er pflegte, nachdem
er die wenigen Worte schnell und ohne Fehler ge-
lesen hatte, das Buch in einer Art weg zu legen oder
mir hinzuhalten, als wenn er sich von etwas Unange-
nehmem befreien wollte.

Die weitere Untersuchung ergab, dass er auf jedem
Auge mit Concav 9 No. 20 der Jäger’schen Schrift-
proben auf 6 Fuss Entfernung sicher erkannte, was einer
Myopie von ca. 5 D mit gutem Sehvermögen entspricht.
Die Snellen’schen Tafeln existirten damals noch nicht;
Untersuchungen auf Farbenperception waren ebenfalls
noch nicht an der Tagesordnung. Die Gesichtsfelder boten
weder einen Ausfall noch eine Einschränkung. In der
Nähe wurde jederseits No. 1 auf ca. 5 Zoll erkannt.
Wenn auch zugegeben werden darf, dass die Schrift bei
dieser Annäherung vielleicht mit Zerstreuungskreisen ge-
lesen wurde, so war doch jede pathologische Beschränkung
der Accommodation auszuschliessen.

Die Pupillen waren von normaler Weite und Be-
weglichkeit. In den Bewegungen der Augen zeigten sich
keinerlei Anomalien, namentlich war keine Insufficienz
der Musculi recti interni vorhanden; die durchsichtigen
Medien, speciell die Linsen waren klar; jederseits war ein
mässiger sclerectatischer Bügel vorhanden, sonst zeigte
der Augenspiegel nichts Abnormes.

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[3/0007] Es zeigte sich nun, dass dieser eigenthümlichen Störung nicht etwa eine Abnahme der Sehkraft zu Grunde lag; denn er las ebenso gut oder ebenso schlecht den kleinsten wie den grössten Druck, ja von dem grösseren eher weniger Worte als von dem kleinen. Den Grund, warum er nicht weiter lesen konnte, wusste er nicht zu präcisiren. Es war kein Schmerz im Auge oder um dasselbe herum vorhanden; die Buchstaben verschwammen auch nicht untereinander; er konnte eben einfach nicht weiter lesen. Der Versuch dazu schien ihm allerdings unbequem zu sein, denn er pflegte, nachdem er die wenigen Worte schnell und ohne Fehler ge- lesen hatte, das Buch in einer Art weg zu legen oder mir hinzuhalten, als wenn er sich von etwas Unange- nehmem befreien wollte. Die weitere Untersuchung ergab, dass er auf jedem Auge mit Concav 9 No. 20 der Jäger’schen Schrift- proben auf 6 Fuss Entfernung sicher erkannte, was einer Myopie von ca. 5 D mit gutem Sehvermögen entspricht. Die Snellen’schen Tafeln existirten damals noch nicht; Untersuchungen auf Farbenperception waren ebenfalls noch nicht an der Tagesordnung. Die Gesichtsfelder boten weder einen Ausfall noch eine Einschränkung. In der Nähe wurde jederseits No. 1 auf ca. 5 Zoll erkannt. Wenn auch zugegeben werden darf, dass die Schrift bei dieser Annäherung vielleicht mit Zerstreuungskreisen ge- lesen wurde, so war doch jede pathologische Beschränkung der Accommodation auszuschliessen. Die Pupillen waren von normaler Weite und Be- weglichkeit. In den Bewegungen der Augen zeigten sich keinerlei Anomalien, namentlich war keine Insufficienz der Musculi recti interni vorhanden; die durchsichtigen Medien, speciell die Linsen waren klar; jederseits war ein mässiger sclerectatischer Bügel vorhanden, sonst zeigte der Augenspiegel nichts Abnormes. 1*

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Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/7>, abgerufen am 22.11.2024.