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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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wohin auch die Träume
ich allemal dadurch in die gröste Verwunderung
gesetzet worden, und die gantze Sache und Ma-
terie bis diese Stunde noch nicht aufzulösen, und
in ein völliges Licht zu setzen, fähig bin. Denn
daß man insgemein vorgiebt, der Träume wären
dreyerley, natürliche, Teufelische, und Göttliche,
das läst sich leichter sagen, als hernach in der Praxi
applici
ren. Die große Aehnlichkeit und Gleich-
förmigkeit, so unsere Glücks- und Unglücks-Fälle,
oder das, was uns merckwürdiges zustößt, mit dem
haben, was uns geträumet, und mit den Bildern,
so uns im Traume vorkommen, läst uns gar nicht
zweifeln, daß nicht manchmahl eines des andern
Weißagung, und Vorbedeutung sey; und doch
wissen wir nicht, wer solches unserer Seelen ent-
decke, und durch was vor einen Weg sie zu einer
solchen Erkänntniß und Praescienz der zukünffti-
gen, und NB. contingenten, und zufälligen
Dinge gelange, welche Praescienz eine solche un-
begreiffliche Eigenschafft des allwissenden GOttes
ist, daß sie so gar unsere Vernunfft übersteiget,
und wir solche nicht einmal in GOtt a priori de-
monstri
ren können, sondern sie nur a posteriori,
und aus dem absurdo, so auf Seiten GOttes
daraus fliessen würde, daferne man solche leugnen
wolte, erweisen müßen; geschweige denn, daß
man sagen könte, wie solche Praescienz des Men-
schen,
und bey den Menschen möglich; indem man

in der

wohin auch die Traͤume
ich allemal dadurch in die groͤſte Verwunderung
geſetzet worden, und die gantze Sache und Ma-
terie bis dieſe Stunde noch nicht aufzuloͤſen, und
in ein voͤlliges Licht zu ſetzen, faͤhig bin. Denn
daß man insgemein vorgiebt, der Traͤume waͤren
dreyerley, natuͤrliche, Teufeliſche, und Goͤttliche,
das laͤſt ſich leichter ſagen, als hernach in der Praxi
applici
ren. Die große Aehnlichkeit und Gleich-
foͤrmigkeit, ſo unſere Gluͤcks- und Ungluͤcks-Faͤlle,
oder das, was uns merckwuͤrdiges zuſtoͤßt, mit dem
haben, was uns getraͤumet, und mit den Bildern,
ſo uns im Traume vorkommen, laͤſt uns gar nicht
zweifeln, daß nicht manchmahl eines des andern
Weißagung, und Vorbedeutung ſey; und doch
wiſſen wir nicht, wer ſolches unſerer Seelen ent-
decke, und durch was vor einen Weg ſie zu einer
ſolchen Erkaͤnntniß und Præſcienz der zukuͤnffti-
gen, und NB. contingenten, und zufaͤlligen
Dinge gelange, welche Præſcienz eine ſolche un-
begreiffliche Eigenſchafft des allwiſſenden GOttes
iſt, daß ſie ſo gar unſere Vernunfft uͤberſteiget,
und wir ſolche nicht einmal in GOtt a priori de-
monſtri
ren koͤnnen, ſondern ſie nur a poſteriori,
und aus dem abſurdo, ſo auf Seiten GOttes
daraus flieſſen wuͤrde, daferne man ſolche leugnen
wolte, erweiſen muͤßen; geſchweige denn, daß
man ſagen koͤnte, wie ſolche Præſcienz des Men-
ſchen,
und bey den Menſchen moͤglich; indem man

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[58/0104] wohin auch die Traͤume ich allemal dadurch in die groͤſte Verwunderung geſetzet worden, und die gantze Sache und Ma- terie bis dieſe Stunde noch nicht aufzuloͤſen, und in ein voͤlliges Licht zu ſetzen, faͤhig bin. Denn daß man insgemein vorgiebt, der Traͤume waͤren dreyerley, natuͤrliche, Teufeliſche, und Goͤttliche, das laͤſt ſich leichter ſagen, als hernach in der Praxi appliciren. Die große Aehnlichkeit und Gleich- foͤrmigkeit, ſo unſere Gluͤcks- und Ungluͤcks-Faͤlle, oder das, was uns merckwuͤrdiges zuſtoͤßt, mit dem haben, was uns getraͤumet, und mit den Bildern, ſo uns im Traume vorkommen, laͤſt uns gar nicht zweifeln, daß nicht manchmahl eines des andern Weißagung, und Vorbedeutung ſey; und doch wiſſen wir nicht, wer ſolches unſerer Seelen ent- decke, und durch was vor einen Weg ſie zu einer ſolchen Erkaͤnntniß und Præſcienz der zukuͤnffti- gen, und NB. contingenten, und zufaͤlligen Dinge gelange, welche Præſcienz eine ſolche un- begreiffliche Eigenſchafft des allwiſſenden GOttes iſt, daß ſie ſo gar unſere Vernunfft uͤberſteiget, und wir ſolche nicht einmal in GOtt a priori de- monſtriren koͤnnen, ſondern ſie nur a poſteriori, und aus dem abſurdo, ſo auf Seiten GOttes daraus flieſſen wuͤrde, daferne man ſolche leugnen wolte, erweiſen muͤßen; geſchweige denn, daß man ſagen koͤnte, wie ſolche Præſcienz des Men- ſchen, und bey den Menſchen moͤglich; indem man in der

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/104>, abgerufen am 18.05.2024.