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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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wegen seines Armuths,
Jahr das Geld in der Auction verthan, und in
unnöthige Bücher gesteckt, so muste ich sie die-
ses Jahr wieder in die Auction geben, welches
mich sehr schmertzete. Grämte ich mich off-
ters, daß ich nicht geschwinde genug lernen,
und geschwinde genug gelehrt werden kunte, so
grämte ich mich noch mehr, daß ich so armselig
und pauvre leben muste. Zwey Groschen
war mein täglich Deputat vor Essen, und Trin-
cken; Schulden aber zu machen hütete ich
mich auf alle Weise. Jch finde unter mei-
nen Manuscriptis noch ein deutsches Carmen,
so ich damahls auf meinen dürfftigen Zustand
gemachet habe. Wo GOttes Providenz
auch bey Glücks-Spielen seine Hand hat, wie
ich solches stets geglaubet, so mag ich sagen,
daß GOtt dieses Jahr das 36. Blätter-Buch
zu einem Mittel gemacht, oder ein Mittel seyn
laßen, meine Armuth zu lindern. Wo ich,
und etliche andere Schlesier des Abends speise-
sen, spielten die Bürger mit der Labet- und
Contra-Charte; wir Studiosi aber brachten
großen Theils die Zeit mit discuriren zu.
Pfeiffer, der Thurm-Wächter, so ehedessen in
Breßlau gewesen, und die Jtaliänische Charten,
mit denen man daselbst spielet, kennen gelernet,
kauffte uns eine sogenannte Traplir-Charte,
und veranlaßte uns zuweilen darinnen zu spie-

len,

wegen ſeines Armuths,
Jahr das Geld in der Auction verthan, und in
unnoͤthige Buͤcher geſteckt, ſo muſte ich ſie die-
ſes Jahr wieder in die Auction geben, welches
mich ſehr ſchmertzete. Graͤmte ich mich off-
ters, daß ich nicht geſchwinde genug lernen,
und geſchwinde genug gelehrt werden kunte, ſo
graͤmte ich mich noch mehr, daß ich ſo armſelig
und pauvre leben muſte. Zwey Groſchen
war mein taͤglich Deputat vor Eſſen, und Trin-
cken; Schulden aber zu machen huͤtete ich
mich auf alle Weiſe. Jch finde unter mei-
nen Manuſcriptis noch ein deutſches Carmen,
ſo ich damahls auf meinen duͤrfftigen Zuſtand
gemachet habe. Wo GOttes Providenz
auch bey Gluͤcks-Spielen ſeine Hand hat, wie
ich ſolches ſtets geglaubet, ſo mag ich ſagen,
daß GOtt dieſes Jahr das 36. Blaͤtter-Buch
zu einem Mittel gemacht, oder ein Mittel ſeyn
laßen, meine Armuth zu lindern. Wo ich,
und etliche andere Schleſier des Abends ſpeiſe-
ſen, ſpielten die Buͤrger mit der Labet- und
Contra-Charte; wir Studioſi aber brachten
großen Theils die Zeit mit diſcuriren zu.
Pfeiffer, der Thurm-Waͤchter, ſo ehedeſſen in
Breßlau geweſen, und die Jtaliaͤniſche Charten,
mit denen man daſelbſt ſpielet, kennen gelernet,
kauffte uns eine ſogenannte Traplir-Charte,
und veranlaßte uns zuweilen darinnen zu ſpie-

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[173/0219] wegen ſeines Armuths, Jahr das Geld in der Auction verthan, und in unnoͤthige Buͤcher geſteckt, ſo muſte ich ſie die- ſes Jahr wieder in die Auction geben, welches mich ſehr ſchmertzete. Graͤmte ich mich off- ters, daß ich nicht geſchwinde genug lernen, und geſchwinde genug gelehrt werden kunte, ſo graͤmte ich mich noch mehr, daß ich ſo armſelig und pauvre leben muſte. Zwey Groſchen war mein taͤglich Deputat vor Eſſen, und Trin- cken; Schulden aber zu machen huͤtete ich mich auf alle Weiſe. Jch finde unter mei- nen Manuſcriptis noch ein deutſches Carmen, ſo ich damahls auf meinen duͤrfftigen Zuſtand gemachet habe. Wo GOttes Providenz auch bey Gluͤcks-Spielen ſeine Hand hat, wie ich ſolches ſtets geglaubet, ſo mag ich ſagen, daß GOtt dieſes Jahr das 36. Blaͤtter-Buch zu einem Mittel gemacht, oder ein Mittel ſeyn laßen, meine Armuth zu lindern. Wo ich, und etliche andere Schleſier des Abends ſpeiſe- ſen, ſpielten die Buͤrger mit der Labet- und Contra-Charte; wir Studioſi aber brachten großen Theils die Zeit mit diſcuriren zu. Pfeiffer, der Thurm-Waͤchter, ſo ehedeſſen in Breßlau geweſen, und die Jtaliaͤniſche Charten, mit denen man daſelbſt ſpielet, kennen gelernet, kauffte uns eine ſogenannte Traplir-Charte, und veranlaßte uns zuweilen darinnen zu ſpie- len,

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/219>, abgerufen am 21.11.2024.