Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibes-Person noch mehr erschrecket,
wolte, oder gieng damit um, wie sie sich oben
im rothen Collegio herunter stürtzen wolte,
war aber immer auf eine wunderbare Weise
daran gehindert worden, wie sie solches uns nach
diesem, da ich bereits meiner Plage los wor-
den, selbst erzehlte. Dazumahl, nemlich
am Sonntage Palmarum, lag sie noch darnie-
der. Weil sie schreckliche Dinge redete, so
ersuchte mich Herr M. Gehr nach der Predigt,
als der dazumahl auch auf dem rothen Collegio
wohnte, ich möchte doch kommen, und ihr ei-
nen Trost zusprechen. Jch kam vor Tische;
und siehe, ihre entsetzliche Reden, als wenn der
Satan in ihr wäre, wie sie vorgab, erneuer-
ten meine Plagen. Jch erschrack über sie,
daß mir alle Glieder meines Leibes zu zittern
und zu beben ansiengen, und gedachte, geschie-
het diß im grünen Holtze, was will am
dürren,
und mit dir werden, der du viel ein
größerer Sünder bist? Es war, als spräche
iemand zu mir, oder der Satan selbst: Du
unterstehest dich andere zu trösten, und
steckst selbst im Koth der Sünden bis über
die Ohren: ich will sie verlaßen, und dich
baß plagen.
Jch konte fast kein Wort mehr
reden, absonderlich, da sie abscheuliche GOttes-
Lästerungen ausstieß. Jch blieb da bey dem
Essen, aber kein Bissen wolte mir schmecken.

Jch
O 4

Weibes-Perſon noch mehr erſchrecket,
wolte, oder gieng damit um, wie ſie ſich oben
im rothen Collegio herunter ſtuͤrtzen wolte,
war aber immer auf eine wunderbare Weiſe
daran gehindert worden, wie ſie ſolches uns nach
dieſem, da ich bereits meiner Plage los wor-
den, ſelbſt erzehlte. Dazumahl, nemlich
am Sonntage Palmarum, lag ſie noch darnie-
der. Weil ſie ſchreckliche Dinge redete, ſo
erſuchte mich Herr M. Gehr nach der Predigt,
als der dazumahl auch auf dem rothen Collegio
wohnte, ich moͤchte doch kommen, und ihr ei-
nen Troſt zuſprechen. Jch kam vor Tiſche;
und ſiehe, ihre entſetzliche Reden, als wenn der
Satan in ihr waͤre, wie ſie vorgab, erneuer-
ten meine Plagen. Jch erſchrack uͤber ſie,
daß mir alle Glieder meines Leibes zu zittern
und zu beben anſiengen, und gedachte, geſchie-
het diß im gruͤnen Holtze, was will am
duͤrren,
und mit dir werden, der du viel ein
groͤßerer Suͤnder biſt? Es war, als ſpraͤche
iemand zu mir, oder der Satan ſelbſt: Du
unterſteheſt dich andere zu troͤſten, und
ſteckſt ſelbſt im Koth der Suͤnden bis uͤber
die Ohren: ich will ſie verlaßen, und dich
baß plagen.
Jch konte faſt kein Wort mehr
reden, abſonderlich, da ſie abſcheuliche GOttes-
Laͤſterungen ausſtieß. Jch blieb da bey dem
Eſſen, aber kein Biſſen wolte mir ſchmecken.

Jch
O 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0261" n="215"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weibes-Per&#x017F;on noch mehr er&#x017F;chrecket,</hi></fw><lb/>
wolte, oder gieng damit um, wie &#x017F;ie &#x017F;ich oben<lb/>
im rothen <hi rendition="#aq">Collegio</hi> herunter &#x017F;tu&#x0364;rtzen wolte,<lb/>
war aber immer auf eine wunderbare Wei&#x017F;e<lb/>
daran gehindert worden, wie &#x017F;ie &#x017F;olches uns nach<lb/>
die&#x017F;em, da ich bereits meiner Plage los wor-<lb/>
den, &#x017F;elb&#x017F;t erzehlte. Dazumahl, nemlich<lb/>
am Sonntage <hi rendition="#aq">Palmarum,</hi> lag &#x017F;ie noch darnie-<lb/>
der. Weil &#x017F;ie &#x017F;chreckliche Dinge redete, &#x017F;o<lb/>
er&#x017F;uchte mich Herr <hi rendition="#aq">M. Gehr</hi> nach der Predigt,<lb/>
als der dazumahl auch auf dem rothen <hi rendition="#aq">Collegio</hi><lb/>
wohnte, ich mo&#x0364;chte doch kommen, und ihr ei-<lb/>
nen Tro&#x017F;t zu&#x017F;prechen. Jch kam vor Ti&#x017F;che;<lb/>
und &#x017F;iehe, ihre ent&#x017F;etzliche Reden, als wenn der<lb/>
Satan in ihr wa&#x0364;re, wie &#x017F;ie vorgab, erneuer-<lb/>
ten meine Plagen. Jch er&#x017F;chrack u&#x0364;ber &#x017F;ie,<lb/>
daß mir alle Glieder meines Leibes zu zittern<lb/>
und zu beben an&#x017F;iengen, und gedachte, <hi rendition="#fr">ge&#x017F;chie-<lb/>
het diß im gru&#x0364;nen Holtze, was will am<lb/>
du&#x0364;rren,</hi> und mit dir <hi rendition="#fr">werden,</hi> der du viel ein<lb/>
gro&#x0364;ßerer Su&#x0364;nder bi&#x017F;t? Es war, als &#x017F;pra&#x0364;che<lb/>
iemand zu mir, oder der Satan &#x017F;elb&#x017F;t: <hi rendition="#fr">Du<lb/>
unter&#x017F;tehe&#x017F;t dich andere zu tro&#x0364;&#x017F;ten, und<lb/>
&#x017F;teck&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t im Koth der Su&#x0364;nden bis u&#x0364;ber<lb/>
die Ohren: ich will &#x017F;ie verlaßen, und dich<lb/>
baß plagen.</hi> Jch konte fa&#x017F;t kein Wort mehr<lb/>
reden, ab&#x017F;onderlich, da &#x017F;ie ab&#x017F;cheuliche GOttes-<lb/>
La&#x0364;&#x017F;terungen aus&#x017F;tieß. Jch blieb da bey dem<lb/>
E&#x017F;&#x017F;en, aber kein Bi&#x017F;&#x017F;en wolte mir &#x017F;chmecken.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0261] Weibes-Perſon noch mehr erſchrecket, wolte, oder gieng damit um, wie ſie ſich oben im rothen Collegio herunter ſtuͤrtzen wolte, war aber immer auf eine wunderbare Weiſe daran gehindert worden, wie ſie ſolches uns nach dieſem, da ich bereits meiner Plage los wor- den, ſelbſt erzehlte. Dazumahl, nemlich am Sonntage Palmarum, lag ſie noch darnie- der. Weil ſie ſchreckliche Dinge redete, ſo erſuchte mich Herr M. Gehr nach der Predigt, als der dazumahl auch auf dem rothen Collegio wohnte, ich moͤchte doch kommen, und ihr ei- nen Troſt zuſprechen. Jch kam vor Tiſche; und ſiehe, ihre entſetzliche Reden, als wenn der Satan in ihr waͤre, wie ſie vorgab, erneuer- ten meine Plagen. Jch erſchrack uͤber ſie, daß mir alle Glieder meines Leibes zu zittern und zu beben anſiengen, und gedachte, geſchie- het diß im gruͤnen Holtze, was will am duͤrren, und mit dir werden, der du viel ein groͤßerer Suͤnder biſt? Es war, als ſpraͤche iemand zu mir, oder der Satan ſelbſt: Du unterſteheſt dich andere zu troͤſten, und ſteckſt ſelbſt im Koth der Suͤnden bis uͤber die Ohren: ich will ſie verlaßen, und dich baß plagen. Jch konte faſt kein Wort mehr reden, abſonderlich, da ſie abſcheuliche GOttes- Laͤſterungen ausſtieß. Jch blieb da bey dem Eſſen, aber kein Biſſen wolte mir ſchmecken. Jch O 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/261
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/261>, abgerufen am 21.11.2024.